Bochum. Zum dritten Mal verspielte der VfL Bochum einen Heimsieg in der Nachspielzeit. Trainer Letsch wechselte extrem defensiv. Wie immer?

Im Internet wüteten längst etliche Fans, als Thomas Letsch nach der Partie gegen den FC Augsburg selbst in die Offensive ging. Das 1:1, den verpassten Heimsieg „habe ich verbockt“, sagte er. Er habe „schlecht gewechselt“. Zu defensiv, zu destruktiv. Es fehlte an Entlastung, Moritz Kwarteng war offensiv allein auf weiter Flur in den letzten 15 Minuten. „Ich werde aus dem Spiel viel lernen“, sagte der Coach.

Letsch wollte das Abwehrzentrum stärken, als er Keven Schlotterbeck einwechselte in Minute 68 für den - diesmal schwachen - Kreativmann Kevin Stöger. Zudem brachte er positionsgetreu Moritz Kwarteng für Christopher Antwi-Adjei. Mit Tim Oermann als Rechtsverteidiger und Bernardo als Linksverteidiger, mit Ivan Ordets, Erhan Masovic und Schlotterbeck standen fünf gelernte Innenverteidiger auf dem Platz.

Die Bochumer waren nach dem späten Ausgleich von Augsburg enttäuscht über den verpassten Heimsieg.
Die Bochumer waren nach dem späten Ausgleich von Augsburg enttäuscht über den verpassten Heimsieg. © Jürgen Fromme /firo Sportphoto | Jürgen Fromme

Letsch ärgert sich über seinen Wechsel in der 79. Minute: Stürmer geht, Verteidiger kommt

Dabei betonte Letsch in kleiner Journalistenrunde hinterher, Schlotterbecks Einwechslung sei die richtige Entscheidung gewesen, zumal Kwarteng und Matus Bero das 2:0 hätten machen müssen. Was Letsch selbstkritisch mächtig ärgerte, war sein Wechsel in Minute 79. Da kam Maxi Wittek für Stürmer Moritz Broschinski. Noch ein (Außen-)Verteidiger. Bochum konnte keinen Druck mehr aufbauen in des Gegners Hälfte, mauerte sich im und um den eigenen Strafraum ein. Letztlich traf der Ball nach Arne Meiers Schuss die Hand von Ivan Ordets, Elfmeter nach VAR-Entscheid, der Ausgleich. Demirovic vollstreckte in Minute 90 plus 2. Heimsieg verspielt in der Nachspielzeit. Schon zum driten Mal.

Die Selbstkritik darf man dem Trainer durchaus hoch anrechnen, im Netz entstand schnell eine Grundsatzdebatte: Letsch mische nur Beton an, wenn es eng wird, so ein Tenor. Seine Wechsel passen nicht. Stimmt das? Ein Check knapper Spiele und Siege.

VfL Bochum gegen Mainz 2:2: Entlastungs-Wechsel ohne Erfolg

Gegen die Mainzer musste Verteidiger Ordets früh runter, Masovic kam (33.). Als die Gäste ausgeglichen hatten, brachte Letsch frischen Wind für die Offensive: die Mittelstürmer Goncalo Paciencia und Philipp Hofmann kamen für Angreifer Broschinski und Mittelfeldmann Förster (67.). Schlotterbeck gelang das 2:1, er musste angeschlagen runter, Noah Loosli ersetzte ihn in der Verteidigung. Offensivmann Lukas Daschner sollte für Entlastung sorgen, kam für den müde gelaufenen Asano. Doch Mainz drückte und traf mit einem von Daschner abgefälschten Krauß-Schuss in letzter Sekunde (90.+6). An zu defensiven Wechseln lag es nicht.

News und Hintergründe zum VfL Bochum

VfL Bochum - Werder Bremen 1:1: Positionsgetreue Wechsel ohne Erfolg

Osterhages nun in der ARD zum Tor des Monats Januar nominierter Traumschuss in den Knick (64.) ließ den VfL lange wie den Sieger aussehen, ein von Osterhage abgefälschter Schuss von Stark kostete den Erfolg (90. +3). Gegen Bremen aber wechselte Letsch nicht defensiv, sondern positionsgetreu. Hofmann übernahm nach 66 Minuten den Mittelstürmer-Job von Paciencia. Nach 80 Minuten ersetzten Oermann als Rechtsverteidiger Gamboa und Förster als Mittelfeldmann Kevin Stöger - Förster ist von Haus aus eher offensiver als Stöger. Sein Schuss wurde geblockt, das 2:0 fiel nicht. Lukas Daschner, auch ein Mann für vorne, kam zudem für Antwi-Adjei (88.). Die Wechsel waren eher auf Entlastung ausgerichtet. Trotzdem hielt die Führung nicht.

VfL Bochum - VfB Stuttgart 1:0: Ein Abwehrriegel, der hält

In dieser Partie, dem Heimspiel vor Augsburg, lief es sehr ähnlich wie gegen den FCA. Mit einem entscheidenden Unterschied: Es ging gut. Nach 65 Minuten kam Ordets für den offensiven Philipp Förster, Letsch setzte auf eine Fünferkette mit fünf gelernten Innenverteidigern, mit Oermann, Loosli, Masovic, Ordets und Bernardo. In Minute 79 kam Wittek als sechster (Außen-)Verteidiger hinzu für Flügelstürmer Antwi-Adjei, im Zentrum sollten ebenso wie gegen Augsburg Osterhage und Losilla defensiv dichthalten. Zudem gab es einen positionsgetreuen Wechsel, Broschinski kam für Paciencia (65.) im Angriff, kurz vor dem Schlusspfiff Philipp Hofmann für Matus Bero (auch wie gegen Augsburg). In den letzten zehn Minuten plus Nachspielzeit war mit Broschinski also nur eine echte Offensivkraft auf dem Platz. Richtig gestört hat es am Ende niemand.

Späte offensive Wechsel beim 1:1 gegen Köln

Zu den verschenkten Punkten in Heimspielen zählt auch das 1:1 gegen Köln, die Partie nahm allerdings einen anderen Verlauf. Daschner und Kwarteng standen jeweils das erste und bisher auch einzige Mal in der Startelf, Daschner erzielte früh das 1:0. Fast wie aus dem Nichts glich Davie Selke nach der Pause aus (54.). Bochum wollte den Sieg. Der VfL war klar überlegen, allein Asano vergab mehrere Topchancen. Letsch ließ die Defensive durchspielen, wechselte die Offensivreihe fast komplett durch - allerdings ziemlich spät, diesen Vorwurf konnte man ihm machen. Antwi-Adjei (69. für Kwarteng) sowie Förster, Paciencia und Broschinski (alle 81. für Daschner, Hofmann und Asano) blieben letztlich wirkungslos.

Überwiegend positionsgetreue Wechsel bei den Siegen gegen Darmstadt, Wolfsburg und Union

Bei den drei weiteren Siegen gab es überwiegend positionsgetreue Wechsel. In Darmstadt stärkte zudem Noah Loosli (64. für Kevin Stöger) die Defensive, bevor 98-Spieler Fabian Holland vom Platz flog und Bochum sich in Überzahl zum knappen 2:1 mühte. Gegen Wolfsburg kamen drei Offensive nach der 2:1-Führung ins Spiel, dazu Wittek für Stöger (59.) als Stärkung der Defensive sowie Tim Oermann für Gamboa. Antwi-Adjei gelang nach Pass vom ebenfalls eingewechselten Kwarteng eines von bisher erst zwei Jokertoren des VfL neben Paciencias Tor des Monats zum 1:3 in Hoffenheim. Gegen Union Berlin (3:0) ersetzten Angreifer Angreifer und Verteidiger Verteidiger.

Fazit: Den massiven VfL-Abwehrriegel gab es gegen Stuttgart und Augsburg und damit in den letzten beiden Heimspielen. Die späten Gegentreffer oder gefühlt verschenkten Punkte in dieser Saison kann man nicht im Grundsatz auf fehlenden Mut bei Wechseln zurückführen.