Bochum. Unter Thomas Letsch ist der VfL Bochum im Aufwind. Der Trainer passt seinen Ziel dem Kader an - eine Sache muss noch besser werden. Die Analyse.
Thomas Letsch hatte einen genauen Plan, als er vor rund zwei Monaten seinen ersten Arbeitstag an der Castroper Straße bestritt. Er sollte den VfL Bochum, der unter seinem Vorgänger Thomas Reis so schlecht gestartet war, stabilisieren, an den grundlegenden Dingen arbeiten, um im zweiten Bundesliga-Jahr doch noch erfolgreich zu sein - das gelang.
Mit Blick auf den Terminkalender aber war dem 54-Jährigen bewusst: In der stressigen Bundesliga-Phase und einem Pokalspiel lassen sich in kurzer Zeit keine Berge versetzen. Aber die Pause während der Weltmeisterschaft lässt sich bestens nutzen, um an den Details zu feilen - mit fast dem gesamten Kader. Nur Takuma Asano (Japan) reist mit nach Katar. Letsch ist optimistisch. "Wir sind schon viel weiter als ich dachte", meinte der Trainer zuletzt.
Zeit für ein erstes (taktisches) Zwischenfazit mit Hilfe unseres Daten-Partners CreateFootball.
1.) Das Dilemma mit der Abwehrkette
Der VfL erlebte einen schwierigen Sommer, auf den Ex-Trainer Reis nur bedingt Einfluss hatte. Weil die beiden Stamm-Innenverteidiger Armel Bella Kotchap und Maxim Leitsch den Klub verließen. Andererseits, weil die Ersatzleute wie Ivan Ordets (Trainingsrückstand) und Dominique Heintz (Verletzungsprobleme) keine schnellen Verstärkungen waren. Erhan Masovic lief zudem seiner Form aus dem Vorjahr hinterher. Auch auf den Außenpositionen, Prunkstücke der vergangenen Saison, hatten Cristian Gamboa (lange außer Form) und Danilo Soares (verletzt) ihre Probleme. Fast in jedem Spiel leistete sich Bochum individuelle Aussetzer, die zu Toren führten.
Inzwischen entwickelt sich Ordets immer mehr zum Stabilisator. Auch das Duo Gamboa/Soares hat sich unter Letsch gesteigert und zählt zum Stamm.
Das Dilemma nun: Behält Letsch auch nach der Katar-Pause das erfolgreiche System mit Viererkette und zwei defensiv ausgerichteten zentralen Mittelfeldspielern und zwei Flügelspielern davor bei oder wechselt er zu seiner eigentlich favorisierten Dreierkette - für die der VfL-Kader aber nicht wirklich ausgelegt ist und beim 0:4 in Leipzig genug Beweise lieferte, besser ein anderes System zu nutzen?
2.) Das Umschaltspiel bleibt der Trumpf
Obwohl das Spiel unter Letsch bei dessen vorheriger Station, dem niederländischen Erstligisten Vitesse Arnheim sehr viel ballbesitzorientierter war als nun in Bochum, hatte man bereits viele Pressingaktionen. Bei Bochum und mit weniger Ballbesitz sind diese Aktionen noch deutlich häufiger geworden – auch im Vergleich zum Spiel unter Reis.
Mehr News und Infos zum VfL Bochum
- VfL Bochum: Neun Fanklubs stärken offen Villis den Rücken
- Machtkampf beim VfL Bochum: Das steckt dahinter
- VfL Bochum: Riesen-Enttäuschung für Jimmy Antwi-Adjei
- Warum der VfL Bochum unter Letsch einen Aufschwung erlebt
- VfL Bochum – Dr. Bauer: „keine Revolution, keine Spaltung“
Zudem lässt sich vor allem erkennen, dass die Spieler unter Letsch nach eigenem Ballverlust versuchen, den Ball schnellstmöglich zurückzugewinnen, anstatt sich in ihre defensive Grundordnung zurückzuziehen. Sollte diese Balleroberung fehlschlagen und das Bochumer Pressing überspielt werden, gibt es allerdings große Abstände zwischen den eigenen Spielern - dies erklärt auch den zurückgegangen Wert unter Letsch bei abgefangenen Pässen.
Allerdings: Glücken die Ballgewinne, wird es gleich gefährlich. Dank der Pässe von Mittelfeldstratege Kevin Stöger, dank der schnellen Flügelspieler um Christopher Antwi-Adjei, der sich vor der WM in Bestform befand. Beispiele? Gegen Borussia Mönchengladbach (2:1) glückte das hohe Anlaufen durch Philipp Hofmann und Simon Zoller. Sieben Stationen und wenige Sekunden benötigte der VfL beim zweiten Tor gegen Union Berlin (2:1), um tief aus der eigenen Hälfte zum erfolgreichen Abschluss zu kommen. Bochums Umschaltspiel bleibt Trumpf.
Auch interessant
3) Feinschliff soll auch zu mehr Kreativität führen
Offensiv tat sich das Team allerdings schwer aus dem Spiel heraus zu Chancen zu kommen. Die meisten Tore seit Letsch‘ Übernahme fielen in den ersten Spielen nach Standards, Torwartfehlern oder durch Sonntagsschuss. Allerdings: Die Ansätze werden besser, Angreifer Philipp Hofmann wird besser ins Spiel eingebunden, die Offensive besetzt die Räume besser, schafft es die defensiven Ketten aufzubrechen. In den kommenden Wochen soll es den Feinschliff geben - und dadurch mehr Kreativität.