Bochum. Die Führung des VfL Bochum tagt heute. Bleibt Thomas Reis Trainer? Eine klare Entscheidung muss her. Ein Überblick über die Diskussionspunkte.

Viele Fans und mehr oder minder neutrale Beobachterinnen und Beobachter waren sich einig: Das Revierduell zwischen Schalke 04 und dem VfL Bochum war ein Duell auf Augenhöhe. Ein Spiel zweier Teams, die in dieser Form womöglich beide absteigen am Ende der Saison. Zu groß und offensichtlich waren bei aller Leidenschaft hüben wie drüben die spielerischen Defizite beider Teams.

Wobei der VfL mit null Punkten nach sechs Spielen gegenüber den erstmals siegreichen und sogar auf Rang zwölf gekletterten Schalkern natürlich mehr denn je der Abstiegskandidat Nummer eins ist, während die Königsblauen Hoffnung schöpfen dürfen. Selbst kühne Bochumer Optimisten hoffen zwar noch auf die Wende. Sie rechnen aber mit der Rettung aktuell nicht mehr wirklich.

VfL Bochum stellt erneut einen Negativ-Rekord auf

Weder mit Trainer Thomas Reis noch mit Trainer XY.

Bochum hat einen neuen Negativ-Rekord aufgestellt, schon den zweiten in dieser noch jungen Saison. Nach dem 0:7 gegen den FC Bayern, der höchsten Heimniederlage in der langen Bundesliga-Geschichte des Traditionsvereins, ist der VfL nun das Team, das nach sechs Spieltagen so schlecht dasteht wie keine Mannschaft je zuvor: 0 Punkte. 4:18 Tore.

Bochum hat den FSV Mainz 05 überholt, der in der Saison 2020/21 mit null Punkten und 5:18 Toren gestartet ist. Ein Hoffnungsschimmer für den VfL, vielleicht: Mainz schaffte noch den Klassenerhalt mit 39 Punkten. Auch dank des – erst in der Winterpause allerdings – neu verpflichteten Trainers Bo Svensson. Mit ihm kam die Wende.

Verliert Bochum auch gegen den 1. FC Köln am kommenden Sonntag (17.30 Uhr, Ruhrstadion), würde er eine weitere Negativ-Bestmarke aufstellen. Sieben Niederlagen in den ersten sieben Bundesliga-Spielen kassierte noch kein Team in der Bundesliga-Geschichte.

Schindzielorz ist schon gegangen – Thomas Reis bleibt kämpferisch

Den Geschäftsführer Sport (im Fußballjargon: für den Kader verantwortlichen Manager) hat Bochum bereits aus anderen, längerfristig bekannten Gründen ausgetauscht zum 1. September. Patrick Fabian (34) folgte Sebastian Schindzielorz. Zeit also für einen Trainerwechsel?

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Thomas Reis wirft das Handtuch nicht, er gab sich am Samstag kämpferisch (Bericht dazu hier). Die Führungsspitze um Fabian und den Vorstandsvorsitzenden Hans-Peter Villis hat sich bisher nicht geäußert. Fabian wollte am Samstag weder TV-Sendern noch anderen Medienvertreten Rede und Antwort stehen. Ein Zeichen der Unsicherheit zum Job-Beginn? Oder ein kluger Schachzug, um die Emotionen direkt nach der Derby-Niederlage erst einmal herunterzufahren, um dann am nächsten Tag so emotionsfrei wie möglich das Pro und Contra abzuwägen vor dieser wegweisenden Entscheidung für den Verein, perspektivisch auch für alle Amtsinhaber?

Fabian und die VfL-Spitze jedenfalls wollen nach Informationen dieser Redaktion an diesem Sonntag „tief in die Analyse“ gehen, wie es heißt. Sie werden die Lage erörtern, diskutieren, letztlich zu einer Entscheidung kommen. Wann genau diese gefällt und kommuniziert wird, ist offen.

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Nicht zuletzt die Fans, die ihr Team erneut bis zum Schluss und überwiegend auch danach unterstützten und nach unserer Einschätzung in der Mehrheit durchaus Verständnis hätten sowohl für die eine als auch für die andere Entscheidung, erwarten nun eine klare Antwort.

Entweder man steht zu Reis zumindest bis zur über zweimonatigen WM-Winterpause. Dazu bedarf eines klaren Bekenntnisses. Ein „Von Spiel zu Spiel schauen“ wie bisher ist ein Herumeiern, das täglich neue Unruhe stiften würde.

Thomas Reis, Trainer des VfL Bochum, bei der Niederlage auf Schalke am Samstagabend.
Thomas Reis, Trainer des VfL Bochum, bei der Niederlage auf Schalke am Samstagabend. © dpa | David Inderlied

Oder man fängt eben jetzt mit einem neuen Trainer an, um mit ihm das aktuell unmöglich erscheinende Wunder doch noch zu schaffen. Reis selbst hat mit seinem Wechselwunsch Richtung Schalke im Sommer und seiner unglücklichen Kommunikation zu diesem Thema dazu entscheidend beigetragen, dass eine zuvor noch für denkbar gehaltene Denkmal-Beziehung zwischen ihm und dem VfL im Stile eines Christian Streich (SC Freiburg) oder Frank Schmidt (FC Heidenheim) eine Illusion ist.

Eine Versöhnung ist die unwahrscheinlichste Option

Es sei denn, man rauft sich zusammen und vergisst all das Theater. Dafür müsste Reis klipp und klar sagen, dass er von seinen Forderungen einer Ausstiegsklausel in einem dann wieder möglichen neuen Vertrag, der die 2. Liga mit einbezieht, komplett Abstand nimmt. Dafür müsste der Verein sinngemäß klipp und klar sagen, dass er das ganze auch persönliche Theater nun zum Wohle des Vereins in einer Schublade verschwinden lässt.

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Eine Option. Auch: eine große Chance, in diesem von Geld, Macht, Karrieren, Eitelkeiten und eben ständigen Wechseln (Spieler, Trainer, auch Manager) geprägten Geschäft einen gesellschaftlich sicherlich hoch respektierten Kontrapunkt zu setzen. Allerdings ist diese Option eher unwahrscheinlich. Zu viel ist gesagt und geschrieben worden, hinter den Kulissen offenbar zu Bruch gegangen.

Die Mannschaft hat verschiedene Defizite, macht zu viele Fehler

Aufgrund des miserablen Starts und der Trainerfrage im öffentlichen Fokus unter geht dabei, wie es um die Mannschaft bestellt ist, deren Neuzugänge überwiegend viel zu spät eintrafen und obendrein überwiegend nicht austrainiert ankamen oder verletzt waren oder sind. Oder alles zusammen. Warum, nur zum Beispiel, hat der VfL am Ende der Transferperiode Lys Mousset verpflichtet, wo man doch jeden Cent umdrehen muss? Einen nicht fitten dritten Stoßstürmer?

Zurück zur rein sportlichen Lage, zum Spiel. Es gab auf Schalke Defizite zu sehen, die man womöglich besser steuern kann. Ein Beispiel: Acht Ecken holte der VfL heraus, ein guter Wert, Schalke kam nur auf drei. Keine einzige aber erzeugte Gefahr – eklatant für eine spielerisch in der Bundesliga nun mal limitierte Mannschaft.

Es gab wieder individuelle, entscheidende Fehler. Zum Beispiel von Torwart Manuel Riemann, der in fünf der sechs Partien mindestens ein Gegentor mitverschuldete. Nur gegen Bremen (0:2) blieb er weitgehend fehlerfrei. Simon Zoller, der seine Großchancen zum möglichen 1:0 nicht nutzte und damit selbst entscheidend patzte, nahm ihn in Schutz. Niemand mache Fehler extra, sagte er. Manu sei „brutal ehrgeizig“, so Zoller. Täglich diskutiere man unter einigen Spielern wie Riemann und ihm selbst die Lage rauf und runter, um Lösungen zu finden, in die Erfolgsspur zurückzukehren.

In punkto Aufstellung und Wechsel kann man Reis nichts vorwerfen

Es gab auch Lichtblicke. Die Mannschaft hat wieder viel investiert, sie ist „marschiert“ und dem Trainer gefolgt, wie Reis es formulierte. In punkto Aufstellung und Wechsel kann man Reis an diesem Samstag keinen Vorwurf machen. Ob man mit Patrick Osterhage statt Philipp Förster/Anthony Losilla oder direkt Holtmann statt Zoller zum Beispiel erfolgreicher gewesen wäre, ist eine müßige Frage, auf die es schlicht keine Antwort geben kann.

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Personell gab es auch Lichtblicke. Danilo Soares hat nach vier Monaten Wettkampfpause ein erstaunlich starkes Comeback abgeliefert. Auch Saidy Janko machte als Rechtsverteidiger einen deutlich besseren Eindruck als auf links, wo er bisher notgedrungen einspringen musste hier und dort.

Pech passt zur Lage des VfL Bochum

Es gab auch mal wieder Entscheidungen zu Ungunsten des VfL, die man als Pech bezeichnen kann, wobei kein Spieler, Trainer oder Verantwortlicher des VfL die Pleiten-Serie allein auf unglückliche Entscheidungen zurückführen will. Dennoch passte es zur Lage der Bochumer, dass es vor dem Freistoß, der durch ein Eigentor (!) von Erhan Masovic zum 1:2 führte, gar kein Foul gab (!!). Eine Fehlentscheidung also mit großer Wirkung.

Zur Lage des VfL passte auch, dass Takuma Asano bereits nach gut drei Minuten das Feld verletzt verlassen musste. Wegen Knieproblemen. Eine Diagnose liegt noch nicht vor. Für ihn spielte dann Gerrit Holtmann, lange Zeit auch gut.

Trainer Reis hofft, dass er gegen den 1. FC Köln am kommenden Sonntag (17.30 Uhr, Ruhrstadion) wieder auf Asano setzen kann. Ob er die Aufstellung entscheiden darf, wird sich wohl heute entscheiden.

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