Bochum. Mit Jürgen Locadia ist der VfL Bochum im Angriff variabler geworden. Vor dem Bayern-Spiel spricht der Stürmer über seinen Wechsel und seine Ziele.

Es ist windig am Trainingsplatz des VfL Bochum. Jürgen Locadia hat die Mütze tief ins Gesicht gezogen, als der stürmende Winter-Neuzugang des Bundesliga-Aufsteigers auf dem Weg in die Kabine noch einen Interview-Stopp einlegt. Ein Lächeln huscht ihm nicht übers Gesicht, konzentriert wirkt er, professionell – und zufrieden. Fürs Erste.

Er sei gut angekommen beim VfL Bochum, sagt der Niederländer in fließendem Englisch, „die Jungs haben mich schnell integriert“. Und mit Konstantinos Stafylidis hat er ja auch schon mal zusammengespielt, ein knappes halbes Jahr in Hoffenheim.

Locadia sieht sich körperlich bei 100 Prozent - und setzt auf viel Einsatzzeit

Aber auch auf dem Platz ist der 28-Jährige schnell angekommen. So, wie es sich der VfL bei seinem einzigen Zugang in diesem Winter erhofft hat. In Wolfsburg zum Jahresauftakt, kurz nach seiner Verpflichtung, saß der ehemalige U21-Nationalspieler der Niederlande noch auf der Bank. In Mainz wurde er eingewechselt für die letzten zehn Minuten, im Pokal gegen Mainz (3:1), gegen Köln (2:2) und bei Hertha BSC (1:1) erhielt er dann den Vorzug in der Startelf gegenüber Sebastian Polter. Weil er, grob zusammengefasst, spielstärker ist, eine frische, etwas weniger berechenbare Note ins Angriffsspiel des VfL bringt.

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Körperlich fit sei er zu 100 Prozent, versichert Locadia, sieht aber dennoch Luft nach oben. „Je mehr Spielpraxis man hat, desto besser kommt man in den Rhythmus“, sagt der Mann mit den vielen Tätowierungen bis zum Haaransatz im Nacken, die er aber nicht näher erläutern mag („Jedes Tatoo hat seine eigene, spezielle Bedeutung“). Locadia spricht über das Sportliche. Spielpraxis ist ja das, was ihm fehlte in den letzten Monaten – und auch sein größtes persönliches Ziel in Bochum. „Ich hoffe, mehr Einsatzzeit zu bekommen, Spaß zu haben, der Mannschaft zu helfen“, sagt er.

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Vertrag läuft nur bis zum Sommer: Noch keine Pläne für die Zeit danach

Bis zum Sommer läuft sein Vertrag nur, knapp sechs Monate. Was danach kommt, könne er jetzt nicht sagen, beschäftige ihn aktuell auch nicht. „Ich gucke von Tag zu Tag“, sagt Locadia. Es ist diese Win-Win-Situation, die den Transfer ja erst möglich machte: Locadia kann sich wieder auf Bundesliga-Niveau empfehlen – und Bochum hat die benötigte Verstärkung im Angriff im Kampf um den Klassenerhalt.

Klar ist: Wäre Locadias Karriere so weitergelaufen, wie sie angefangen hat, wäre er jetzt nicht in Bochum. In Englands Premier League sind die Gehaltsklassen andere. Bei Brighton & Hove Albion aber spielte Locadia oft nur eine Nebenrolle, kam in dieser Saison bis zu seinem Wechsel nur noch zu einem Einsatz, am Ende bremste ihn noch eine Corona-Infektion aus.

Brighton & Hove Albion hatte im Sommer 2018 nach Medienberichten rund 17 Millionen Euro an den PSV Eindhoven für Locadia überwiesen. An den niederländischen Spitzenklub, bei dem Locadia es nach seiner PSV-Jugendzeit trotz mancher Verletzungs-Rückschläge in 176 Einsätzen auf 62 Tore brachte. Und zu einem international begehrten, auch: teuren Angreifer.

In England spielte Locadia nur eine Nebenrolle und wurde zweimal ausgeliehen

In Brighton aber kam er nie so zurecht wie in Eindhoven. Gleich zweimal wurde er ausgeliehen: nach Hoffenheim, wo er „eine gute Zeit hatte“ von September 2019 bis Januar 2020, so Locadia. In zwölf Einsätzen erzielte er vier Tore. Dennoch folgte umgehend die nächste Leihe, von Februar 2020 bis zum Juni 2021 spielte er für den US-Club FC Cincinnati. Auch sein Einsatz in der US-amerikanischen Major League Soccer sei für ihn „eine sehr gute Erfahrung“ gewesen, sagt er. „Das Niveau war deutlich höher als erwartet, alles war sehr gut organisiert.“

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Doch nach seiner erneuten Rückkehr nach England kam er praktisch nicht mehr zum Zug, war oft nicht einmal im Kader. „Es geht in einer Karriere eines Fußballers immer mal rauf und runter“, sagt Locadia zu seinen letzten Jahren – Groll klingt sicherlich anders, und die ganz großen Töne schlägt er an diesem Vormittag nicht an.

Die Bundesliga schätzt der niederländische Stürmer sehr

Jetzt soll es jedenfalls wieder aufwärts gehen, möglichst steil. Der Anfang zumindest ist gemacht. Denn im Winter klopfte Bochum an. Und damit: ein Bundesliga-Verein. Er kannte die Bundesliga aus seiner Hoffenheim-Zeit. Er mag sie, er schätzt das hohe Niveau, sagt Locadia, und habe deshalb nicht lange überlegt, als das VfL-Angebot auf dem Tisch lag. Brighton & Hove Albion kam Bochum entgegen, ließ ihn ablösefrei ziehen. Dass Locadia in Bochum nicht annähernd so viel verdient wie in England, muss wohl kaum erwähnt werden.

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Möglichst viel spielen also will er in den noch kommenden, mindestens 14 Pflichtspielen für Bochum – sicherlich nicht immer, aber vielleicht ja auch öfter mal zusammen mit seinem Haupt-Konkurrenten im Sturmzentrum, mit Sebastian Polter. In Berlin griffen sie erstmals gemeinsam an in der zweiten Halbzeit. Locadia wich dabei oft auf den Flügel aus. Als Außenangreifer habe er auch in Eindhoven häufig gespielt – für ihn eine Option auch in Bochum, auch wenn er nicht ganz so flott ist wie Bochums Turbo-Außen Takuma Asano, Gerrit Holtmann und Christopher Antwi-Adjei.

Feine Technik und Qualität auch im Abschluss

Dafür hebt er sich mit seiner feinen Technik, echte niederländische Spitzenklub-Schule, ab von vielen Kollegen. Während Polter mehr über seine physische Präsenz, sein Kopfballspiel kommt und ein klarer Zielspieler ist, lässt sich Locadia oft fallen, sucht die Zwischenräume, kommt den Bällen mehr entgegen, setzt Mitspieler in Szene. Und weiß, salopp gesagt, auch, wo die Bude steht.

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„Er hat Qualität im Abschluss, auch wenn ihm noch kein Tor gelungen ist. Man hat bei ihm immer das Gefühl, dass bei seinem Torschuss eine Idee dahinter steckt“, so drückt es Trainer Thomas Reis aus. Seine erste Torvorlage resultierte aus seinem Flatterschuss, den Berlins Torwart Schwolow ungenügend parierte. Polter schob ein zum 1:1-Endstand bei der Hertha.

Vorfreude auf ein „großes Match“ gegen die Bayern

Dass beide gemeinsam beginnen gegen den FC Bayern, will Trainer Reis nicht komplett ausschließen, weil er im Vorfeld eigentlich gar nichts komplett ausschließt. Wahrscheinlich ist es nicht. Wahrscheinlicher ist, dass Locadia erneut im Sturmzentrum beginnt. In jedem Fall, sagt Locadia, freue er sich auf die Partie. „Es ist ein großes Match, für uns und für die Fans. Wir können auch den Bayern Probleme bereiten.“