Bochum. Ilja Kaenzig, Geschäftsführer des Bundesliga-Aufsteigers VfL Bochum, spricht im Interview über die Investorensuche und das Thema Fan-Rückkehr.

Es ist tatsächlich passiert. Ilja Kaenzig brauchte ein paar Stunden, um nach all der Euphorie, nach all dem Rausch realisieren zu können, dass aus einem langgehegten Wunsch nun Wirklichkeit geworden ist: Der VfL Bochum kehrt nach elf Jahren in die Bundesliga zurück. Der 47-jährige Schweizer, beim VfL Sprecher der Geschäftsführung und für die Finanzen zuständig, will mit seinem Führungsteam auch in der Bundesliga durch Kontinuität für Qualität sorgen.

Gratulation zum Aufstieg, Herr Kaenzig! Haben Sie alle Feierlichkeiten gut überstanden?

Ilja Kaenzig: Die Glückwünsche gebe ich gerne an alle in unserem Verein weiter. Direkt nach dem Aufstieg konnte ich den Erfolg noch gar nicht genießen, weil man nicht zur Ruhe kam. Wenn wir in den nächsten Tagen auch organisatorisch alles verarbeitet haben, möchte ich die vielen schönen Bilder noch mal Revue passieren lassen.

Anfang 2020 hatten Sie noch die berechtigte Sorge, der VfL könnte absteigen. Was ist passiert seitdem, dass solch ein Aufschwung in so kurzer Zeit gelingen konnte?

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Kaenzig: Für uns war die coronabedingte Pause vor dem Re-Start extrem wertvoll. Uns war immer klar, dass wir ohne Siegermentalität nicht nach vorne kommen. In den vergangenen Jahren hatte der VfL selten mehr als zwei Spiele nacheinander gewonnen. Nach dem Re-Start aber wurde das Siegen leichter. Das Selbstbewusstsein der Spieler stieg, und das hat sich in dieser Saison fortgesetzt. 21 Siege in der zweiten Bundesliga, das ist schon ein Statement.

Aber Siegermentalität kann man nicht bestellen. Wie ist die geweckt worden? In der Pause vor dem Re-Start muss ja etwas passiert sein.

Kaenzig: Diese Pause kam für uns im richtigen Moment. Ich glaube, dass Trainer Thomas Reis und sein Team die Zeit extrem gut genutzt haben. Sie hatten viel Kontakt zu den Spielern, er hat punktuell auch Veränderungen vorgenommen und eine unglaubliche Stabilität reingebracht. Je weniger Spieler man einsetzt, je klarer die Hierarchien in einer Mannschaft sind, desto erfolgreicher ist sie. Außerhalb des Platzes haben wir schon immer gesagt: Klarheit in den Strukturen sorgt für Vertrauen, und Vertrauen sorgt für Ruhe. Das kann man jetzt auch auf die Mannschaft übertragen. Ich glaube, unser Lauf war kein Zufall.

21 Siege sind für die Bundesliga aber eher nicht zu erwarten…

Kaenzig: Natürlich muss das Ziel Klassenerhalt anders angegangen werden als das Ziel Aufstieg. In der Bundesliga wird es wichtig sein, defensiv gut zu sein. Wenn wir dort bestehen wollen, läuft auch das nur über Kontinuität.

Wie viel ist denn finanziell während der Pandemie verloren gegangen?

Kaenzig: Der Corona-Schaden liegt bisher ungefähr bei neun Millionen Euro. Das ist Geld, das nicht mehr zurückkommt. Aber was die Liquidität betrifft, fällt in der Bundesliga vieles leichter. Die Geldströme sind größer, das lässt einen ruhiger schlafen. Bei dem Etat, den wir aufstellen, planen wir für die erste Saisonhälfte weiter ohne Zuschauer. Für die Rückrunde hoffen wir auf 40 Prozent Auslastung. Wenn wir etwas davon zu unseren Gunsten korrigieren dürften, wären wir sehr froh.

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Seit der Ausgliederung der Profi-Abteilung im Jahr 2018 wird in Bochum auch über den möglichen Einstieg eines Investors geredet. Schon das Wort Investor sorgt bei vielen Fußballfans für Skepsis. Wie passt das zum VfL?

Kaenzig: Wir bevorzugen den Begriff „Strategischer Partner“, weil das dem Profil, das wir erstellt haben, entspricht. Es muss jemand sein, der so potent ist, dass er nicht nur einmal helfen kann, sondern perspektivisch. Er muss zudem sehr geduldig und nicht darauf aus sein, jedes Jahr eine Dividende zu bekommen. Wir haben national und international mit vielen gesprochen, die sich für ein Investment im Fußball interessieren. Der Trend ist aber momentan der, dass man für wenig Geld sehr viel Mitsprache möchte und Klubs als Mittel zum Zweck für Geschäftsmodelle sieht. Diese Leute, die sehr vermögend und nicht unseriös sind, finden Gelegenheiten in Italien oder Frankreich. Aber das passt nicht zur deutschen Fußballkultur, und erst recht nicht zum VfL Bochum. Deshalb sind wir geduldig.

Wofür will der VfL in der Bundesliga stehen?

Kaenzig: Das, was uns in den vergangenen Jahrzehnten stark gemacht hat, ist in Zeiten von Diskussionen um Super League und Überkommerzialisierung aktueller denn je. Unser Fußball in Bochum soll Volkssport bleiben. Uns fällt diese Authentizität leicht. Die Leute nehmen es dankbar auf, dass es das noch gibt. Viele Vereine predigen Nahbarkeit, wenige setzen es um. Bei uns spüren die Leute, dass wir den Worten auch Taten folgen lassen. Wir verkaufen keine Jahreskarten und ziehen Geld dafür ein, bevor nicht feststeht, dass die Käufer die Spiele dafür auch bekommen. Die Werte, die der VfL über die letzten Jahrzehnte aufgebaut hat, werden in der Bundesliga noch viel heller strahlen. Dazu noch unser Stadion als Sehnsuchtsort – wenn man sieht, wie sich der Fußball global entwickelt, ist der VfL Bochum gut positioniert.

Daumen hoch: Geschäftsführer Ilja Kaenzig (rechts) freut sich über den Bochumer Aufstieg, neben ihm von links die VfL-Legenden und Aufsichtsratsmitglieder Jupp Tenhagen und Martin Kree, hinter Kaenzig Co-Trainer Heiko Butscher.
Daumen hoch: Geschäftsführer Ilja Kaenzig (rechts) freut sich über den Bochumer Aufstieg, neben ihm von links die VfL-Legenden und Aufsichtsratsmitglieder Jupp Tenhagen und Martin Kree, hinter Kaenzig Co-Trainer Heiko Butscher. © Ralf Ibing /firo Sportphoto

Bochum hatte jahrelang das Gefühl, eingequetscht zu werden zwischen Dortmund und Schalke. Nun ist Schalke abgestiegen – was bedeutet das für den VfL?

Kaenzig: Es wird kein Schalke-Fan nach Bochum überlaufen. Auf wirtschaftlicher Ebene bleibt Schalke auch in der Zweiten Liga größer als wir in der Bundesliga. Aber wir haben eine große Chance, jetzt an Aufmerksamkeit zu gewinnen.

Es gab Zeiten, in denen der VfL keine Furcht vor den großen Nachbarn hatte. 2004 stand er zum Saisonschluss noch direkt vor den beiden.

Kaenzig: Wir müssen als Klub wieder Selbstbewusstsein tanken, das ist ja auch verloren gegangen in den schwierigen elf Jahren als Zweitligist. Der VfL Bochum ist aber immer noch 13. der ewigen Bundesliga-Rangliste und gehört zu jenen zehn Klubs, die seit über 50 Jahren dauerhaft in den beiden obersten deutschen Spielklassen angesiedelt sind.

Mit welchem Etat planen Sie für die Bundesliga? Können Ablösesummen gezahlt werden?

Finanz-Experte und Frühstarter im Management

Der Schweizer Ilja Kaenzig, 47, kam im Februar 2018 zum VfL Bochum, für den er als Finanz-Chef arbeitet. Seit der Ausgliederung der Profi-Abteilung im August 2018 ist er Sprecher der Geschäftsführung.

In Lausanne studierte Ilja Kaenzig Betriebswirtschaft. Ins Fußballgeschäft stieg er bei Grashoppers Zürich ein. 1998 wechselte er zu Bayer Leverkusen. Dort war er erst Chef der Nachwuchsabteilung, später Manager. Von 2004 bis 2006 war er Manager bei Hannover 96. Weitere Stationen: Sportchef der Blick-Gruppe, Delegierter des Verwaltungsrats der „Sport & Event Holding“, Vorstandsvorsitzender des französischen Zweitligisten FC Sochaux.

Kaenzig: Als Etatgröße für die Mannschaft dürften 22 bis 23 Millionen Euro realistisch sein. Ablösesummen waren in den letzten Jahren aus wirtschaftlichen Gründen nie ein Thema beim VfL. Die Summen, die in der Bundesliga für gute Spieler aufgerufen werden, sind ja selbst für Klubs, die sich nach dem Aufstieg etabliert haben wie Union Berlin, nicht zu stemmen. Also muss man schlau agieren, so wie mein Kollege Sebastian Schindzielorz dies bisher getan hat. Unser Etat in der Zweiten Liga lag wie der von Fürth im Mittelfeld, am Schluss aber sind diese beiden Vereine aufgestiegen.

Wie viele Veränderungen wird es im Aufgebot geben?

Kaenzig: Der Großteil der Spieler ist unter Vertrag. Ich nenne gerne das Beispiel Bielefeld. Da wurde der Aufstiegskader auch zusammengehalten und nur punktuell ergänzt – und wer hat Arminia am Schluss in der Liga gehalten? Die Routiniers.

Wo steht denn der VfL Bochum in fünf Jahren?

Kaenzig: Ich glaube, dass der VfL mit seinem Mythos der Bundesliga einiges geben kann. Unser Verein gilt als sympathisch, weil er weniger polarisiert als andere. Es wird ein langer Prozess werden, um sich zu etablieren. Aber Augsburg hat es geschafft, Mainz hat es geschafft – wieso sollte es Bochum nicht schaffen können?

Für VfL-Legende Hermann Gerland ist "immer eine Tür offen"

Zum Schluss eine Frage für Bochumer Fußballromantiker: Haben Sie eigentlich schon Hermann Gerland nach dessen Abschied beim FC Bayern angerufen und ihm einen Job beim VfL angeboten?

Kaenzig: Das wäre respektlos und vermessen, wenn wir jetzt auf ihn zugehen und ihn in der Euphorie des Aufstiegs bedrängen würden. Wenn er sich vorstellen kann, noch etwas zu tun und er dabei an den VfL denkt, dann werden wir das mitbekommen. Klar ist: Wenn er will, ist beim VfL für ihn immer eine Tür offen.