Bochum. Der VfL Bochum kehrt nach einem anstrengenden Jahrzehnt in die Bundesliga zurück. Dieser Erfolg hat viele gute Gründe. Ein Kommentar.

Als es geschafft war, lief Thomas Reis hoch auf die Tribüne zu Ata Lameck. Welch eine Symbolik: Die Gegenwart umarmt die Vergangenheit, der Aufstiegstrainer des VfL vergisst auch in einem solchen Moment nicht, den Rekordspieler, das Vereins-Idol, an den Feierlichkeiten zu beteiligen.

Fünfzig Jahre sind vergangen, seit der VfL Bochum zum ersten Mal in die Bundesliga aufstieg. Mit Unvergessenen wie Hans Walitza, Eia Krämer, Dieter Versen, Werner Balte. Trainiert wurde die Mannschaft von Hermann Eppenhoff, dem ehemaligen Schalker Meisterspieler und Dortmunder Meistertrainer. Nicht viele haben damals geglaubt, dass sich der als „Graue Maus“ abgestempelte Außenseiter in der höheren Spielklasse etablieren würde. Aber genau das gelang. Obwohl der VfL gute Spieler verkaufen musste. Obwohl er sich wiederholt auch im Abstiegskampf abstrampeln musste. Die Bochumer wussten sich zu wehren.

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Noch zu Beginn des Jahres 2020 wähnte sich der VfL Bochum im Abstiegskampf

In den Siebzigern und Achtzigern hatten sie Fußballer, auf die sie sich verlassen konnten. Typen, die zu Legenden wurden. Vereinstreue Ruhrgebietsjungs wie Ata Lameck und Hermann Gerland, fußballerische Strategen wie Jupp Tenhagen und Dieter Bast, Torjäger wie Jupp Kaczor und Stefan Kuntz. Sie wurden: die Unabsteigbaren. So einen Ehrentitel muss man sich erst mal verdienen im Dreieck mit Borussia Dortmund und Schalke 04. Die beiden Großen verschwanden zwischendurch in der Zweiten Liga, der VfL aber blieb oben. Mehr als zwei Jahrzehnte lang.

Zwei Bochumer Legenden unter sich: Ata Lameck (l.) und Hermann Gerland.
Zwei Bochumer Legenden unter sich: Ata Lameck (l.) und Hermann Gerland. © firo

Nach dem ersten Abstieg 1993 ging es noch mehrmals rauf und runter, seit 2010 aber fuhr der Fahrstuhl nach oben ohne die Bochumer ab. Oft nahmen sie vergeblich Anlauf, oft mussten sie sich schon früh in der Saison von ihrem großen Ziel verabschieden. Noch im Januar 2020 wähnte sich der VfL im Abstiegskampf, doch ausgerechnet nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie und der damit verbundenen Zwangspause stabilisierte sich das Team. Und es nahm den Schwung mit in die nächste Saison, die eine perfekte wurde.

Teamgeist, Struktur, Besonnenheit: Der Aufstieg des VfL ist hochverdient

Der VfL ist wieder da, hochverdient. Bei diesem Verein passt zurzeit einfach alles. Die Mannschaft wird getragen vom Teamgeist, verfügt aber auch über starke Fußballer. Trainer Thomas Reis gab ihr eine Struktur, formte sie zu einer Einheit, so fand sie stets die Balance zwischen Spiel- und Kampfstärke. Nach jeder ihrer neun Niederlagen gewann sie das nächste Spiel: Das ist Mentalität. Und im Hintergrund arbeitet eine besonnene Klubführung, die dafür sorgt, dass der VfL nicht über seine Verhältnisse lebt: Hans-Peter Villis als Vorstandsvorsitzender, Ilja Kaenzig als Sprecher der Geschäftsführung und Sebastian Schindzielorz als Sport-Geschäftsführer führen den VfL geschlossen, ohne Eitelkeiten. Meinungsverschiedenheiten blieben intern.

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Schade, dass es auf den Straßen nicht ohne Randale abging. Dass sich Egomanen unter den Fans wie auch an anderen Schauplätzen danebenbenahmen, dass Polizisten verletzt wurden. Beschämend – aber nicht bezeichnend für die gesamte Anhängerschaft dieses eher bescheiden auftretenden Vereins.

Der VfL wird wissen, dass er nun wieder um den Klassenerhalt kämpft

Verrückte Welt: Dass der VfL Bochum irgendwann mal wieder aufsteigen würde, war ja zumindest denkbar, doch dass dies in einer Saison gelingen würde, in der sich Schalke 04 aus der Bundesliga verabschiedet, hätte noch vor einem Jahr niemand zu prophezeiten gewagt. Natürlich sollten und werden die Bochumer damit rechnen, in der kommenden Saison vom ersten Tag an um den Klassenerhalt kämpfen zu müssen. Sie zu unterschätzen, wäre allerdings ein großer alter Fehler.