Bochum. Nach anfänglichem Frust stellte Trainer Reis die Weichen. Was für eine seltsame Saison. Was für eine starke Saison. Stationen eines Triumphzuges.

Als die Saison begann, gab es Hoffnung. Erstmals seit dem Ausbruch der Coronapandemie, erstmals seit März durften wieder Zuschauer ins Stadion, nach strengen Regeln. Zwei Heimspiele spürte man einen Ansatz von Atmosphäre im Stadion. Dann verschwand die Hoffnung wieder in der Coronakrise.

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Von Karoline Poll, Jürgen Stahl, Michael Weeke und Philipp Ziser

Dann hörte man bei den VfL-Spielen zuerst, zuletzt und auch zwischendrin vor allem Torwart Manuel Riemann. Dann nahm die Saison der Geisterspiele seinen Lauf – und der VfL Bochum immer mehr an Fahrt auf.

Was für eine seltsame Saison. Was für eine starke Saison, die an diesem Sonntag mit dem Aufstieg gekrönt wurde. Stationen eines Triumphzuges.

VfL Bochum gegen St. Pauli: Auftakt vor 3421 Zuschauern

Rund 3500 Fans sahen am ersten Spieltag einen starken Auftritt des VfL Bochum – aber zwei später Treffe verhagelten dem VfL den guten Start.
Rund 3500 Fans sahen am ersten Spieltag einen starken Auftritt des VfL Bochum – aber zwei später Treffe verhagelten dem VfL den guten Start. © WAZ FotoPool | Udo Kreikenbohm

21. September 2020. Die Fans sind zurückhaltend in der Pandemie, die rund 4300 erlaubten Karten werden nicht komplett verkauft. Bochum spielt furios gegen den FC St. Pauli zum Montagabend-Abschluss des ersten Spieltages. 80 Minuten lang. Dann schlägt Daniel Kofi-Kyereh zweimal zu.

Nur ein Punkt. Wie so oft in der jüngeren Vergangenheit. Wie auch beim zweiten und letzten Heimspiel vor Fans, gegen Osnabrück (0:0). Eine Pleite in Braunschweig schmerzt. Aufstiegsträume? Nicht wirklich. Man ist unzufrieden. Auch die VfL-Führung.

Bei Zulj macht’s klick: Die Wende in den Spielen gegen Fürth und HSV

7./22. November 2020. Frust herrscht nach dem 0:2 gegen Fürth am 7. Spieltag. Zum ersten und, was niemand ahnt, auch zum letzten Mal ist der VfL nicht nur im Ergebnis, sondern in allen Belangen unterlegen. Technisch, taktisch, körperlich. Und doch: Es ist die Wende zum Guten. Trainer Thomas Reis hatte aus disziplinarischen Gründen auf Robert Zulj, den Unterschiedspieler, verzichtet. Eine Maßnahme auch für den Teamgeist: Wer nicht alles gibt, spielt nicht. Egal, wer. Zulj nahm an. Er kehrte als vielleicht bester Spieler der 2. Liga 2020/21 zurück.

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Reis hatte die Pleite gegen Fürth ja auch auf seine Kappe genommen. Er änderte Team und Statik. Fortan rückte Simon Zoller als Stoßstürmer und Anführer des Pressings nach ganz vorne. Über die Außen zählte Tempo: von Gerrit Holtmann, dem schnellsten Mann der Liga und wertvollstem Neuzugang, von Danny Blum, später von Herbert Bockhorn. Zudem ersetzte Rohdiamant Armel Bella-Kotchap (19) in der Abwehrzentrale Vasileios Lampropoulos, mit Maxim Leitsch (22) bildete er nun das jüngste, nun unzertrennliche Innenverteidiger-Duo der Liga.

Ein spektakulärer Auftritt des VfL Bochum, ein artistischer Treffer von Raman Chibsah – der 3:1-Sieg beim HSV ist ein Wendepunkt.
Ein spektakulärer Auftritt des VfL Bochum, ein artistischer Treffer von Raman Chibsah – der 3:1-Sieg beim HSV ist ein Wendepunkt. © Sebastian El-Saqqa / firo Sportphoto | firo/Sebastian El-Saqqa

Bochum gewann mit seiner vielleicht stärksten Leistung beim Hamburger SV mit 3:1. Es war der Schlüsselsieg der Saison. Der Stamm stand. Er sammelte Selbstvertrauen. Er blieb konstant bis zum Jahresende, oft auch nach Rückständen, immer nach Rückschlägen: Nach den neun Niederlagen folgte stets ein Sieg. Diese Mentalität trug den VfL durch die gesamte Saison, die keine Winter- und kaum eine Atempause kannte.

Das Jahr 2021 beginnt gut: Bochum beweist mentale Stärke

2. Januar 2021. Nach dem Pokaltriumph vor Weihnachten in Mainz, dem emotionalen Höhepunkt des Jahres 2020, glückte dem VfL der Auftakt ins neue Jahr. Beim 2:1 gegen Darmstadt drehte Bochum die Partie am Ende binnen zwei Minuten. Wieder so ein Signal der mentalen Stärke. Schlag auf Schlag ging es weiter, trotzdem blieb Bochum vom Verletzungspech weitgehend verschont. Auch das: ein Erfolgsfaktor.

Da wussten sie schon: Das muss es doch gewesen sein. Robert Zulj, Simon Zoller und Silvere Ganvoula jubeln beim Heimsieg gegen Regensburg am drittletzten Spieltag. Der Weg dahin hatte für den VfL Bochum aber einige Wendungen.
Da wussten sie schon: Das muss es doch gewesen sein. Robert Zulj, Simon Zoller und Silvere Ganvoula jubeln beim Heimsieg gegen Regensburg am drittletzten Spieltag. Der Weg dahin hatte für den VfL Bochum aber einige Wendungen. © WAZ FotoPool | Udo Kreikenbohm

Eine Woche später, nach dem 2:0 in Regensburg, eroberte der VfL Rang zwei, und nach dem 3:0 gegen die Würzburger Kickers am 27. Februar, am 23. Spieltag, die Tabellenspitze. Er gab sie nicht mehr ab.

Wahnsinn gegen Hannover

Das ist doch unglaublich: Gegen Hannover 96 kassiert der VfL Bochum spät im Spiel noch den 3:3-Ausgleich – aber Routinier Robert Tesche trifft in der Nachspielzeit zum Sieg.
Das ist doch unglaublich: Gegen Hannover 96 kassiert der VfL Bochum spät im Spiel noch den 3:3-Ausgleich – aber Routinier Robert Tesche trifft in der Nachspielzeit zum Sieg. © Getty Images | Christof Koepsel

18. April 2021. Matchglück spielte auch eine Rolle, man muss es sich verdienen, so heißt es ja so schön. Der emotionalste Moment der Matchglück-Folgen: das 4:3 gegen Hannover 96 in allerletzter Sekunde dank Flic-Flac-Robert Tesche, dem Anführer der letzten Wochen.

Bochum feiert seine Aufsteiger

16. Mai 2021. Weiter ging es meist bergauf und mal bergab, vor allem: gesund. Coronafälle beim VfL gab seit der Vorbereitung im Sommer nicht. Konkurrent Holstein Kiel musste zweimal in Quarantäne und am Ende alle drei Tage spielen. Bochum legte vor. Behielt auch unter Druck und ohne den seit dem wichtigen Sieg in Heidenheim (20) fehlenden Manuel Riemann die Nerven, sicherte sich mit einem 5:1 gegen Regensburg Rang drei. Hunderte Fans feierten auf der Castroper Straße.

Nach dem 5:1 gegen Regensburg strömen Hunderte Fans zum Bochumer Stadion – dem VfL ist die Relegation nicht mehr zu nehmen. Und alle wissen: Der Aufstieg steht ganz kurz bevor.
Nach dem 5:1 gegen Regensburg strömen Hunderte Fans zum Bochumer Stadion – dem VfL ist die Relegation nicht mehr zu nehmen. Und alle wissen: Der Aufstieg steht ganz kurz bevor. © WAZ FotoPool | Udo Kreikenbohm

23. Mai 2021. Coronafälle beim VfL gab seit der Vorbereitung nicht. Holstein Kiel musste zweimal in Quarantäne. Bochum legte vor. Behielt auch unter Druck und ohne den seit dem wichtigen Sieg in Heidenheim (2:0) fehlenden Manuel Riemann die Nerven, sicherte sich am 9. Mai mit einem 5:1 gegen Regensburg bereits Rang drei. Hunderte Fans feierten auf der Castroper Straße – 5000 verabschiedeten die Spieler im Mannschaftsbus dann am 15. Mai nach Nürnberg. Das 1:1 reichte nicht ganz. Aber der Punkt half.
Am Pfingstsonntag, 23. Mai, ist der Aufstieg perfekt. Der VfL besiegt den SV Sandhausen mit 3:1, er feiert ein rauschendes Fest mit Fiege-Pils und Zweitliga-Meisterschale. Der VfL Bochum ist nach elf Jahren zurück in der Bundesliga. Endlich!

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