Bochum. Der Zweitligist ist zufrieden mit dem ersten Heimspiel. Das Verhalten des Anhangs fällt positiv auf. Die Ticket-Vergabe soll verbessert werden.
Die Feuerwehr hatte endlich wieder zu tun. Der kleine Junge parkte sein rotes, elektrisches Auto direkt an dem Bauzaun, der den Blick auf das Fußball-Stadion des VfL Bochum verbarg. Von hier konnte er das Treiben gut beobachten: Die Menschen mit den blau-weißen Schals, die sich in kleinen Gruppen schlendernd fortbewegten. „Endlich ist mal wieder ein bisschen Leben hier“, sagte der Onkel des Jungen, der seit zwanzig Jahren am Stadion wohnt. Und fügt hinzu: "Wenn sich alle an die Regeln halten."
Das bisschen Leben ließ sich in einer Zahl ausdrücken. 3421 Menschen scheuten die Gefahr einer Ansteckung mit dem Coronavirus nicht und besuchten das erste Heimspiel des Zweitligisten gegen den FC. St. Pauli (2:2). Vielleicht mag auch dem kleinen Feuerwehrmann nicht entgangen sein, dass dies viel weniger Menschen als sonst waren. Ganz sicher aber verstand er nicht, warum sie alle Masken trugen.
Strenge Auflagen für das erste Heimspiel des VfL
Die Auflagen für die Zuschauer-Rückkehr waren streng und es hatte nicht viel gefehlt, dann hätte sie es gar nicht gegeben. In den Tagen vor dem Spiel stiegen die Infektionszahlen in Bochum. Die Sieben-Tage-Inzidenz erreichte in der Woche einen Wert über zwanzig, sodass sich die Stadt und der Verein zu einem Krisengespräch gezwungen sahen. Der Vorverkauf wurde verschoben, aber nicht aufgehoben. 5000 Tickets hätte der Verein vergeben können, wurde aber nicht alle los.
Der VfL zog dennoch ein "überwiegend positives" Fazit. Einige Dinge wolle der Verein verbessern. Das Verhalten des Anhangs bedarf aber keiner Änderung: „Ein großes Lob an unsere Fans und Zuschauer, die sich jederzeit verständnisvoll gezeigt und die vorgegebenen Spielregeln größtenteils beachtet haben“, sagte Knut Keymer, Direktor Organisation beim VfL Bochum 1848. „Besonders hervorgehoben wurde sowohl vom Ordnungsamt als auch von der Polizei das äußerst besonnene Verhalten während der Auslassphase, die völlig reibungslos verlief.“
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VfL will Ticket-Vergabe verbessern
Die zulässige Kapazität beim ersten Heimspiel mit Zuschauern nach sechs Monaten blieb ungenutzt. Waren es die Bilder aus Rostock, die die Fans abgeschreckt haben? Im DFB-Pokalspiel mit 7500 Fans wurden die Regelverstöße heftig kritisiert. Oder waren es die strikten Vorgaben für die Teilzulassung? Lediglich vier Personen durften nebeneinander sitzen, pro Person maximal zwei Tickets erworben werden. Wünsche konnten bei der Ticketverteilung nicht berücksichtigt werden. Das will der VfL künftig anders gestalten. Das Ticket-Kontingent pro Person soll auf vier erweitert werden, außerdem werde überlegt, Bereiche zu schaffen, in denen sowohl Einzel- als auch Doppelsitze buchbar seien. Fans müssten dann nicht mehr neben Unbekannten Platz nehmen. Allerdings wird laut VfL dadurch die Gesamtkapazität vermindert.
Auch eine Herausforderung: Wer dabei sein wollte, musste schon früh anreisen, um im vorgesehenen Zeitfenster in den Block zu gelangen. Teilweise bildeten sich lange Schlangen. Auch darum will sich der VfL kümmern.
Ultras lehnen Stadionbesuch ab
Die Ultras und andere Fangruppen hatten schon vorher entschieden, sich nicht anzustellen. Sie unterstützten den Verein auf andere Weise: Mit Ballons und Wimpeln, die die Castroper Straße schmückten. Angst vor einer Ansteckung hatten sie nicht, nur hatte der Stadion-Besuch in Corona-Zeiten aus ihrer Sicht wenig mit Fußball zu tun.
Dabei war an diesem Montagabend doch so einiges wie "früher", also vor einem halben Jahr. Die bebende Grönemeyer-Hymne und das VfL-Lied unter Flutlicht, die gellenden Pfeifkonzerte gegen die Entscheidungen von Schiedsrichter Robert Schröder, das „VfL, VfL, VfL“, das von der Südtribüne donnerte und der aufmunternde Applaus nach der gefühlten Niederlage gegen St. Pauli. Ein Fußball-Abend in blau und weiß, auf den die Bochumer monatelang gewartet haben.
Bei der Grönemeyer.Hymne rücken die Fans enger zusammen
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Aber vieles war anders, und manches bedenklich. Fast genauso wichtig wie die taktische Aufstellung von Trainer Thomas Reis waren die Hinweise auf der Eintrittskarte zu Abstandsregeln und zur Mundschutzpflicht. Was monatelang zwangsläufig geübt wurde, war bei der ersten Massen-Veranstaltung in Bochum seit dem Lockdown nicht mehr ganz klar.„Müssen wir den die ganze Zeit tragen?“, fragte einer. „Wenn das bei jedem Spiel so ist, ist das schon krass.“ Stimmung kam am Einlass nicht auf. Die Szene erinnerte an eine Bushaltestelle, mit dem Unterschied, dass die Menschen gut gelaunt waren. „Ich hab ja einen vernünftigen Mundschutz“, sagte eine Frau. „Im Supermarkt steht man doch dichter zusammen, als im Stadion.“ Und außerdem: Wenn das die neue Normalität sei, müsse man sich damit arrangieren: „Was sollen wir sonst machen? Für immer zuhause sitzen bleiben?“
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Wollten 3421 Fans nicht. Das Bad im Flutlicht, die Gesänge von den Rängen. Es hatte sich viel Sehnsucht angestaut in diesem trüben Sommer, die sich auch irgendwann entlud. Als das VfL-Lied erklang, standen die Fans auf, hoben ihre Schals und schrien ihren Stolz in den Himmel. Die Abstände in den Sitzreihen schmolzen gefährlich und wurden erst wieder größer, als der Anpfiff ertönte. Die Ordner beobachteten die Szenerie, griffen aber nicht ein.