Bochum. Fünf Mal ist der VfL Bochum bereits in die 1. Liga aufgestiegen. Den emotionalsten und laut Dariusz Wosz „geilsten“ Aufstieg feierte er 2002.

An ein Happy End für den VfL Bochum glauben mochte zur Jahreswende 2001/2002 niemand mehr. Bernard Dietz, dem die Arbeit mit den jugendlichen Talenten offensichtlich besser von der Hand ging als die Führung der Profis, hatte nach etlichen Querelen und Scharmützeln bereits im Dezember das Handtuch geworfen und nach einem ziemlich schwachen Saisonstart den Posten des Cheftrainers wieder freigemacht. Seinem Nachfolger Peter Neururer schien die erhoffte Wende jedoch nicht zu gelingen. Im Gegenteil: Nach einer deprimierenden 1:6-Niederlage in Oberhausen und einer für die VfL-Fans äußerst unlustigen Bootsfahrt war von der sofortigen Rückkehr in die Bundesliga, wie sie zuvor bereits dreimal gelungen war, keine Rede mehr.

Acht Punkte trennten die Bochumer nach dieser Schlappe von Rang drei, der Frust war riesig und verwandelte sich erst allmählich wieder in Hoffnung. Am Ende dieser unvergleichlichen Spielzeit wurde schließlich aus dieser leisen und verhaltenen Hoffnung eruptiver Jubel – der VfL Bochum hatte zum vierten Mal alle Hürden gemeistert und den direkten Wiederaufstieg geschafft. Ein kleines Wunder.

Dariusz Wosz schwärmt bis heute vom „geilsten Aufstieg“ mit dem VfL Bochum

Dariusz Wosz, der in seiner Karriere gleich dreimal die Rückkehr mit dem VfL in die Bundesliga schaffte und damals das Bochumer Kraftzentrum bildete, sagte im Rückblick auf das nervenraubende Saisonfinale und den entscheidenden 3:1-Sieg: „Peter Neururer hat zu mir gehalten, als ich nachträglich gesperrt wurde aufgrund der Fernsehbilder (Wosz hatte den Frankfurter Rasiejewski gefoult). Beim entscheidenden Spiel in Aachen war ich dann wieder dabei. Das war der geilste Aufstieg mit dem VfL, den ich erlebt habe.“ Das dürften alle, die das Glück hatten, bei diesem an Spannung nicht zu überbietenden Finale dabei gewesen zu sein, ähnlich sehen – bis heute.

Direkt von der Castroper Straße – aktuelle WAZ-Artikel zum VfL Bochum:

Was nach dem überaus harten Nackenschlag von Oberhausen kam, macht deutlich, wieso dieser Sport die Menschen überall auf der Welt in seinen Bann schlägt. Sieg folgte plötzlich auf Sieg, in den folgenden zwölf Spielen erlaubte sich die Neururer-Elf nur noch eine Niederlage und ein Unentschieden. Opfer dieses Parforcerittes, der dem Motto Sekt oder Selters folgte, wurden unter anderem Eintracht Frankfurt und der MSV Duisburg, die jeweils mit 3:0 bezwungen wurden.

Offensivspiel des VfL Bochum verzichtet auf Absicherung

Vergessen war bald das peinliche 1:6, als der dabei mit seinen Nerven ringende Christian Vander im Tor der Bochumer sein Zweitliga-Debüt gegeben hatte. Spiel um Spiel kam der VfL dem 1. FSV Mainz, der schon wie der sichere Aufsteiger ausgesehen hatte, näher, dank der am Ende 17 Treffer des dänischen Angreifers Thomas Christiansen, der ein Jahr später gemeinsam mit Giovane Elber Bundesliga-Torschützenkönig wurde, aber auch dank eines Offensivspiels, das weitgehend auf Absicherung verzichtete und von den Gegnern nicht mehr zu kontrollieren war.

Peter Neururer nach dem 3:1-Sieg in Aachen und dem Aufstieg mit dem VfL im Mai 2002.
Peter Neururer nach dem 3:1-Sieg in Aachen und dem Aufstieg mit dem VfL im Mai 2002. © Bongarts/Getty Images | Christof Koepsel

Vahid Hashemian traf in dieser Spielzeit achtmal, Wosz steuerte 17 Scorerpunkte zum Erfolg bei, Slawo Freier 14 und Delron Buckley 12. Der Erfolg verteilte sich auf viele Schultern.

Abwehrspieler haben maßgeblichen Anteil am Erfolg

Maßgeblich beteiligt waren allerdings auch die Abwehrspieler, die im weiteren Verlauf ihrer Spielerkarrieren nicht mehr dermaßen im Fokus stehen sollten wie in dieser Spielzeit. Martin Meichelbeck, Rouven Schröder, Hilko Ristau und Frank Fahrenhorst, den es später immerhin noch nach Bremen und Hannover ziehen sollte, sorgten in der Summe gemeinsam für elf weitere Tore und erledigten die Defensivarbeit vor dem „fliegenden Holländer“ Rein van Duijnhoven, der sieben Mal ohne Gegentor blieb, derart gut, dass es schließlich zum Aufstieg reichte.

Comeback-Meister

Auch wenn der letzte Aufstieg schon lange zurück liegt, darf sich der VfL Bochum doch getrost immer noch als Comeback-Meister des deutschen Fußballs bezeichnen. Gleich fünfmal kehrte der VfL nach dem Abstieg in die 2. Liga postwendend zurück in die höchste Spielklasse. Die WAZ wirft in den kommenden Wochen, in denen die Hoffnung auf eine Rückkehr in die Eliteliga nach elf Jahren Zweitklassigkeit groß ist, einen Blick zurück auf diese fünf Spielzeiten, an deren Ende für die Mannschaft auch schon einmal ein Besuch auf dem Rathausbalkon stand.

Zum Auftakt blicken wir auf die Saison 2001/2002. Damals durfte auch der Drittplatzierte der 2. Liga direkt aufsteigen. Als Meister durchs Ziel ging Hannover 96 mit 75 Punkten und einem deutlichen Vorsprung vor Arminia Bielefeld und dem VfL Bochum, die es beide auf 65 Punkte brachten. Der FSV Mainz 05 verpasste mit 64 Punkten und dem besseren Torverhältnis als die Bochumer Rang drei äußerst knapp.

Obwohl Stürmer Peter Graulund, der für 1,45 Millionen Euro aus Bröndby gekommen war, nicht so einschlug wie erhofft, lief der VfL-Motor im letzten Saisondrittel richtig rund. Dank des 3,25-Millionen-Transfers von Yildiray Bastürk nach Leverkusen hatten sich die Bochumer Graulund und Dariusz Wosz (1,1 Millionen) im Sommer 2001 leisten können. Wosz war aus Berlin zurückgekehrt, während Hashemian ablösefrei vom Hamburger SV zu haben war.

9000 Bochumer Fans fiebern auf dem Aachener Tivoli mit

Nach dem 1:6 in Oberhausen auf Rang acht zurückgefallen, kletterte der VfL anschließend langsam aber stetig nach oben. Und als am 33. Spieltag Union Berlin bezwungen werden konnte, stand es fest: Die Bochumer hatten doch noch ihr „Endspiel“ um Rang drei bekommen – auf dem Aachener Tivoli, der traditionellen Spielstätte der Gelb-Schwarzen, deren hölzerne Haupttribüne damals bereits ein Unikum war.

+++Er ist der beste Torjäger des VfL Bochum, der Bizeps-Jubel sein Markenzeichen. Simon Zoller ist am Freitag zu Gast bei „WAZ Live anne Castroper“+++

9000 Bochumer machten sich heißen Herzens auf nach Aachen, um ihre Mannschaft zum Sieg zu brüllen, darauf hoffend, dass zur gleichen Zeit die „Eisernen“ aus Berlin dem Konkurrenten aus Mainz im letzten Moment die Suppe versalzen würden. Im vordigitalen Zeitalter spielten deshalb auf den Rängen die Transistorradios eine große Rolle. Mit den Augen unten auf dem Rasen und dem Ohr am Lautsprecher, die Fingernägel zwischen den Zähnen, stöhnend, fluchend, jauchzend und immer wieder gepresst atmend – so erlebten wohl alle Bochumer Fans dieses „Finale“.

Das Finale beginnt mit einem Platzverweis für Sebastian Schindzielorz nicht gut

Das mit dem Platzverweis von Sebastian Schindzielorz, der in diesen Tagen als Sport-Geschäftsführer des VfL erneut vor dem Aufstieg steht, miserabel begann. Aber die Bochumer, mit dem heutigen Trainer Thomas Reis in der Startelf, ließen auch in Unterzahl nicht locker. Thomas Christiansen und Slawo Freier schossen eine 2:0-Führung heraus, auch der Aachener Bediako flog vom Platz, und die beiden Trainer Peter Neururer und Jörg Berger mussten auf der Tribüne Platz nehmen.

Es war eine einzige Tortur. Bis Freier den dritten Bochumer Treffer erzielte und aus Berlin die frohe Kunde von Unions später Führung auf den Tivoli drang. Der Rest war grenzenloser, fast ungläubiger Jubel. „Es war brutal und grauenhaft“, bekannte anschließend der sichtlich mitgenommene und am Ende oben rum entblößte Bochumer Trainer inmitten der feiernden Fans.

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Und VfL-Präsident Werner Altegoer schaute nach diesem seelischen und physischen Kraftakt, garniert mit elf Gelben Karten, einem Roten und einem Gelb-Roten Karton, einmal mehr kritisch zurück auf weniger glückliche Tage: „Ein Aufstieg ist kein Grund zu feiern, schließlich ist jedem Aufstieg ein Abstieg vorausgegangen.“