Gelsenkirchen. Schalke 04 hat den ersten Punkt in der neuen Bundesligasaison eingefahren, und dieser Punkt wurde stark bejubelt: Denn dieses 1:1 gelang gegen den Top-Favoriten Bayern München, und die diesmal kampfstarken Schalker verdienten sich das Unentschieden redlich.
Weltmeisterlicher Bonus? Respekt vor der Leistung, die während des WM-Sommers im Trikot mit dem Adler geboten wurde? Tja, da hatten sich die Fans in Schalkes Nordkurve klar entschieden. Sie feierten vor der Partie ihre beiden Weltmeister Benedikt Höwedes und Julian Draxler, die vom kompletten Schalker Vorstand, vom Aufsichtsrats-Chef Clemens Tönnies und vom 1990er-Weltmeister Olaf Thon geehrt wurden. Manuel Neuer aber wurde empfangen wie immer, seit er 2011 nach München gewechselt war: mit Pfiffen und Schmährufen in bemerkenswerter Lautstärke - er kannte das ja schon, er hat es nun schon zum vierten Mal erlebt.
“Wir brauchen eine sehr gute Performance”, hatte Neuers Trainer Pep Guardiola vor dieser Partie gesagt, denn: “Schalke ist immer stark.” Dieses Kompliment für den Gegner konnte er allerdings nicht mit Resultaten belegen: In den vergangenen drei Jahren hatten die Bayern jeweils locker ohne Gegentreffer auf Schalke gesiegt.
Stürmer Huntelaar fiel kurzfristig aus
Um daran endlich mal etwas zu ändern und um auf die vielen Fehler in den beiden verlorenen Spielen in Dresden und Hannover zu reagieren, präsentierte Schalkes Trainer Jens Keller eine ganz neue Aufstellung. Nur vier Profis spielten auf derselben Position wie zum vermasselten Liga-Start in Hannover: Ralf Fährmann im Tor, Kaan Ayhan rechts hinten, Joel Matip in der Innenverteidigung und Sidney Sam rechts vorne. Alle anderen kamen entweder neu ins Team oder spielten auf anderen Positionen - wie Benedikt Höwedes, der auf seiner Weltmeister-Position hinten links aushalf.
Zum Teil war Kellers Personal-Puzzle auch dem auf Schalke schon gewöhnlichen Pech geschuldet: Nach Kevin-Prince Boateng (Entzündung am Sprunggelenk) fiel kurzfristig auch noch Torjäger Klaas-Jan Huntelaar aus, der wegen eines grippalen Infekts zu geschwächt war.
Bemerkenswert: Auf den Schlüsselpositionen zentral vor der Abwehr brachte Keller gleich zwei Neue: Statt Kevin-Prince Boateng und Roman Neustädter durften sich nun Jan Kirchhoff und Marco Höger versuchen.
Auch die Bayern hatten einige namhafte Ausfälle zu verkraften, allerdings gibt ihr qualitativ gigantisches Aufgebot so viele Alternativen her, dass sich auch Arjen Robbens kurzfristiger Ausfall besser verschmerzen lässt als auf der anderen Seite das Fehlen von Klaas-Jan Huntelaar. Und als zentralen Defensiv-Strategen im Mittelfeld boten die Münchener einen namhaften Neuzugang auf: Xabi Alonso, der in dieser Woche von Real Madrid geholte spanische Welt- und Europameister, fügte sich auf Anhieb gut ein. Er glänzte mit der Übersicht eines weltgewandten Routiniers, hatte eine gute Passquote und schloss viele Räume, so dass Schalkes quirliger Jungspund Max Meyer als Zehner kaum zur Entfaltung kam.
Es waren noch keine fünf Minuten gespielt, da hatte Ralf Fährmann schon zweimal kräftig zupacken müssen. Und in der zehnten Minute war es dann bereits so weit, da war Schalkes Keeper machtlos: Die Bayern ließen das Bällchen schnell und sicher durch den Strafraum laufen, am Ende musste Robert Lewandowski die perfekte Vorlage von Sebastian Rode nur noch verwerten. 1:0 für die Münchener, ein früher Schlag für Schalkes Pläne.
Kaan Ayhan vor dem leeren Bayern-Tor
Nach 16 Minuten waren bereits beide Sechser der Schalker mit Gelb belastet - keine gute Voraussetzung für den Rest des Spiels. Aber was sollten Kirchhoff und Höger auch machen? Es rollte Angriff auf Angriff in Richtung Schalker Tor, da konnte auch mal eine Grätsche zu spät kommen. Immerhin: Die Schalker ließen sich nicht hängen, sie kämpften. Und sie hatten auch ein wenig Pech, weil Schiedsrichter Marco Fritz mehrmals gegen sie entschied. Kleinere Schalker Fouls wurden abgepfiffen, ruppiges Einsteigen der Bayern wurde nicht mit Gelb geahndet, ein Handspiel wurde übersehen - so etwas nervt dann noch zusätzlich.
Die Schalker Fans erkannten, dass die Mannschaft unbedingt eine Blamage vermeiden wollte. Die Leute auf den Rängen gaben alles, damit sich die auf dem Rasen angespornt fühlten. Es wurde laut in der Arena, und Schalke spielte gegen Ende der ersten Halbzeit tatsächlich deutlich mehr nach vorne. Die Bayern spürten zunehmend, dass da tatsächlich ein Gegner auf dem Platz war, der sich nicht einfach überrollen ließ. Und dann kam die Szene, die Schalke tatsächlich einen Schub hätte geben können: Nach einem langen Pass musste Manuel Neuer herauseilen, um wie bei der WM gegen Algerien zu klären, doch nach seiner Rettungsaktion landete der Ball bei Kaan Ayhan, der es angesichts eines leeren Bayern-Tores mit einem Weitschuss von der Mittellinie versuchte, doch der Ball trudelte am Tor vorbei.
Auch interessant
Schalke hatte inzwischen wechseln müssen. Jan Kirchhoff, der wegen einer Bänderdehnung im rechten Knie die ersten beiden Pflichtspiele der Saison verpasst hatte, verletzte sich diesmal am linken Knie und wurde durch Roman Neustädter ersetzt.
Zu Beginn der zweiten Halbzeit setzten die Schalker ihre Bemühungen fort, sie knüpften an die lobenswerte Schlussphase der ersten Hälfte an. In der 53. Minute flankte Kaan Ayhan weit über die Bayern-Abwehr hinweg auf den starken Julian Draxler, dessen Kopfball allerdings Manuel Neuer entschärfte. Und nur eine Minute später hätte Schalke dringend den Ausgleich erzielen müssen: Eric Maxim Choupo-Moting erhielt die seltene Gelegenheit, allein aufs Tor zustreben zu können, doch er wurde dabei immer langsamer, und als er sich schließlich nicht zu einem Abschluss entschließen konnte, nahm ihm der hinterhergeeilte Jerome Boateng locker den Ball ab. In dieser Szene hätte der ehemalige Mainzer beweisen können, dass er eine starke neue Alternative in Schalkes Angriff ist. Aber, sagen wir es mal so: Ein solches Ding hätte sich ein Huntelaar niemals entgehen lassen.
Aogo feierte seine Saisonpremiere
In der 62. Minute aber wurde Schalke dann doch noch für seine erheblich erhöhten Anstrengungen belohnt. Nach einer Freistoßflanke von Sidney Sam brachte der aufgerückte Benedikt Höwedes den Ball über die Linie. Es war das erste Gegentor, das Manuel Neuer auf Schalke kassierte, allerdings protestierte er anschließend heftig. Nicht nur er wollte ein Handspiel von Höwedes gesehen haben. Xabi Alonso hatte Höwedes angeschossen, von dessen Arm prallte der Ball dann ins Tor. Schiedsrichter Fritz erkannte den Treffer an.
Es war klar, was nun folgen würde: Die Bayern, die zuvor wohl gedacht hatten, sie könnten ihre Führung durch Spielkontrolle über die Runden bringen oder sogar ausbauen, mussten nun wieder mehr für die Offensive tun. Pep Guardiola hatte bereits dreimal gewechselt, auch den enttäuschenden WM-Finaltorschützen Mario Götze hatte der Bayern-Trainer aus dem Spiel genommen. Der vergleichsweise fleißigere Xherdan Shaqiri blieb auf dem Rasen und hatte in Minute 72 eine gute Chance, doch seinen Schuss parierte Ralf Fährmann prächtig.
Und dann wurde Schalke mal wieder vom Verletzungspech verfolgt. Kaan Ayhan musste runter, der Rechtsverteidiger. Benedikt Höwedes wechselte die Abwehrseite, auf links verteidigte nun Dennis Aogo - für den ehemaligen Hamburger war es die Saisonpremiere. Kurz danach signalisierte auch Innenverteidiger Felipe Santana: Nichts geht mehr. Für die Abwehr stand jetzt nur noch Linksverteidiger Christian Fuchs zur Verfügung, dessen Hereinnahme weitere Umbaumaßnahmen erforderte: Marco Höger ging nun nach rechts, Aogo übernahm dessen Posten als Sechser, Höwedes rückte nach innen - es war sein dritter Job in diesem Spiel für den überragenden Schalker Kapitän.
Noch zehn Minuten, Schalke hatte sich schwer verausgabt. Würden die letzten Kräfte reichen? Die Blau-Weißen kämpften weiter, hauten alles raus, wehrten sich gegen jeden einzelnen Bayern-Angriff. Vier Minuten Nachspielzeit. Und dann: Abpfiff, Jubel, königsblaue Glückseligkeit wegen eines hochverdienten Unentschiedens.