Zu Besuch bei Assauer - Fußball ist und bleibt ihm wichtig
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Herten. Die Schalke-Legende mag an Alzheimer leiden. Doch eines hat Rudi Assauer nicht verlassen: sein Fußball-Sachverstand. Seine Kenntnis blitzt immer noch auf, wenn er Spiele seines Vereins sieht. Am 30. April wird der ehemalige Fußball-Manager 70.
Rudi Assauer will nicht streiten. Er will vielleicht nur ein wenig mit seinem Äußeren kokettieren. Ganz schön eitel sei er immer noch, sagt seine Tochter Bettina, doch diese Einschätzung mag Rudi Assauer partout nicht teilen, „wirklich nicht”. Die 48-Jährige jedoch lässt nicht locker und legt liebevoll nach: „Dicker, natürlich bist du eitel.”
Auf jeden Fall sieht Rudi Assauer adrett aus, als wir ihn an diesem Tag zu Hause in Herten besuchen – da, wo er gemeinsam mit seiner Tochter Bettina Michel lebt. Die Jeans sitzt perfekt, das moderne Hemd ebenso. Und auch mit 69 Jahren sieht man immer noch kaum ein graues Haar an seinem markanten Kopf. Nur das Sprechen fällt ihm schwer, die Wörter wollen einfach nicht mehr so aus dem Mund purzeln, wie es früher immer ging. „Aber er erkennt die Leute noch”, versichert Bettina, „visuell hat er jeden auf dem Schirm.”
Und an seinem Verhalten würde man gleich merken, wen er mag – und wen er lieber nicht mehr sehen möchte. Rudi Assauer nickt und nuckelt an seiner dicken, geliebten Zigarre. Die ist ihm geblieben. Trotz seiner schlimmen Erkrankung, die den Kopf des früheren Schalke-Managers so fürchterlich lähmt.
Alzheimer.
Die Pokalsiege, der gefallene Pott – Rudi Assauer starrt die Bilder an
Es ist noch nicht lange her, da war Gerald Asamoah hier in Herten. Der frühere Fußball-Nationalspieler von Schalke 04 zählt zu denen, die er gerne mag; als Asamoah 1999 zu Schalke wechselte, hat „Assi” ihn „Blondie” getauft. Ganz einfach „Blondie”. Der Kosename ist ihm damals so in den Sinn gekommen. 15 Jahre ist das jetzt her, und man könnte ein Buch darüber schreiben, was sie alles gemeinsam erlebt haben. Fotograf Jakob Studnar hat Bilder mitgebracht, die beide gemeinsam zeigen. Bilder vom Tag der verpassten Deutschen Meisterschaft am 19. Mai 2001. Bilder von den Schalker Pokalsiegen; auch ein Jahr später, als Assauer im Überschwang den Pott fallen ließ. Heute nimmt Rudi Assauer die Bilder in die Hand und starrt sie an. Es sieht aus, als würde er träumen.
Assauer besucht Benefizkick auf Schalke
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Die Besuche, die Rudi Assauer hier in Herten bekommt, sind seltener geworden. Als Huub Stevens noch Trainer auf Schalke war, hat er öfter vorbeigeschaut, manchmal mit Torwart-Trainer Holger Gehrke. Dann sind sie zusammen rausgegangen und haben einen Herrenabend verbracht – anschließend hat Stevens seinen alten Weggefährten wieder nach Hause gefahren. Auch mit Asamoah ist Assauer zum Essen vor die Tür gegangen, und wenn Reiner Calmund vorbeikommt, ist die Freude besonders groß: „Calli”, wie Assauer einst ein Schwergewicht unter den Bundesliga-Managern, bringt nämlich immer ein Tablett Kuchen mit, und bei Sahnetorte kann „Assi” einfach nicht Nein sagen. „Früher”, erzählt Bettina, „hat er mehr auf die Figur geachtet.”
Zu Besuch bei Rudi Assauer
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„Rausfahren, gut Essen gehen – das sind Dinge, an denen Rudi Assauer auch heute noch seine Freude hat. Neulich seien sie mit dem Auto unterwegs gewesen, als der Papa plötzlich gesagt habe: Lass uns dahin gehen, „wo es so lecker schmeckt”. Und dann seien sie zu ihrem Lieblings-Italiener nach Buer gefahren und hätten einen wunderschönen Abend verbracht. An solchen Erlebnissen merkt Bettina Michel, eine energische Frau mit Ruhrgebietscharme, wie sehr Rudi Assauer noch am Leben teilnimmt.
Die Krankheit hat ihm den Kennerblick gelassen
Bis zum Frühjahr 2006 bestand dieses Leben 24 Stunden am Tag aus Schalke 04 – kein Job, sondern eine Erfüllung. Der Rauswurf damals hat weh getan, aber das soll heute nicht das Thema sein. Rudi Assauer sieht immer noch fast jedes Heimspiel von Schalke. Manchmal denkt Bettina, dass der Papa auf der Tribüne mehr den schönen Frauen hinterherguckt, doch dann kommen plötzlich Äußerungen, die den alten Fußball-Verstand lebendig werden lassen. „Rücklage – das wird nichts”, grummelt Rudi Assauer, wenn der Schuss hoch übers Tor geht. Bettina schließt daraus, dass die schlimme Krankheit ihm den Kennerblick gelassen hat: „Da ist noch ganz viel.”
Natürlich sprechen ihn die Menschen in der Arena an; die meisten sind höflich vorsichtig, viele rufen „Rudi, Rudi”, wenn Assauer das Stadiontor passiert. Bettina findet das „schön, dass die Leute ihn nicht vergessen haben” – sie würde es eher als befremdlich ansehen, wenn sich keiner mehr für den einstigen „Mr. Schalke” interessieren würde.
Wie beliebt, wie hoch geschätzt Assauer auch heute noch ist, zeigt sich am Mittwoch: Dann, am 30. April, wird Rudi Assauer 70 Jahre alt, und sogar Wolfgang Niersbach, der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes, hat sich für die Party in einem Hertener Lokal angekündigt. 200 Gäste wollen mit Assauer dann anstoßen: Frühere Spieler wie Marc Wilmots oder Ebbe Sand, langjährige Manager-Kollegen wie Heribert Bruchhagen und Reiner Calmund.
Clemens Tönnies sagt Geburtstagsfeier ab
Nur von der aktuellen Schalker Vereinsführung wird wohl niemand dabei sein. „Schalke möchte sich nicht an der Feier beteiligen“, berichtet Bettina Michel: „Wir haben Clemens Tönnies persönlich eingeladen, aber er hat abgesagt.” Besser: absagen lassen.
Was sie davon hält, will sie lieber für sich behalten – das müsse jeder selbst entscheiden. „Nur sollen sie sich nicht hinstellen und sagen: Wir tun alles für Rudi Assauer.” Dass der Jubilar vier Tage später bei der Schalker Jahreshauptversammlung zum Ehrenmitglied ernannt werden soll, erwähnt sie beiläufig – sie hat es aus der Zeitung erfahren. Beim Erzrivalen Borussia Dortmund, wo Assauer früher gespielt hat, ist er schon seit Jahrzehnten Ehrenmitglied.
Viele wissen nicht, wie sie mit Assauers Krankheit umgehen sollen
Auf dem schwarz-gelben Mitgliedsausweis sind seine früheren Mitspieler beim BVB abgebildet – Rudi Assauer sagt, dass er alle noch erkennen würde. Manche Menschen, glaubt Bettina Michel, wüssten nicht so recht, wie sie mit der Krankheit ihres Vaters umgehen sollten. Sie hätten Angst, ihn zu besuchen – dabei sei es heute noch nicht zu spät. Eines Tages werde es schlimmer werden.
Früher hat Rudi Assauer oft gesagt, dass er Angst habe vor der Zeit, „wenn die Birne nicht mehr mitspielt”. Seine Mutter hatte schon Alzheimer und auch der zehn Jahre ältere Bruder Lothar. Bei Rudi Assauer gab es die erste Diagnose im Jahr 2006 – im Januar 2012 hatte man sich entschieden, die Erkrankung öffentlich zu machen, um das Verstecken zu beenden. Damals sei es ihm schlechter gegangen als heute. Jetzt habe man die Medikamente reduziert, es bekomme ihm gut. Auch seine langjährige Sekretärin Sabine Söldner (54), die zweite Bezugsperson, die ihm zur Seite steht, meint: „Er ist total lieb, überhaupt nicht böse.” So ganz anders, sagt sie lachend, als sie ihn früher erlebt habe. Dabei weiß sie, dass Assauer, so schroff er auch sein konnte, immer einen sensiblen Kern hatte.
Noch heute ist Rudi Assauer für Sabine Söldner der „Chef” – dieses Stück Vergangenheit hat sie sich behalten. Auch als sie an diesem Tag das Wohnzimmer in Herten betritt, sagt sie: „Hi Chef – alles klar?”
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