Gelsenkirchen. . Montpelliers Trainer Girard triumphiert nach dem späten 2:2 obszön. Ein Teil der blau-weißen Anhängerschaft pfeift das eigene Team aus – und verunsichert es dadurch noch mehr. Denn Schalkes Mannschaft ist bei weitem noch nicht gefestigt.
Abpfiff auf Schalke, die Zuschauer pfeifen, der Frust sitzt tief. Soeben hat ihr Team den Sieg im Champions-League-Spiel gegen Montpellier HSC in letzter Minute verschenkt: einen Angriff in Überzahl verbaselt, einen Konter eingefangen, schon hieß es 2:2 statt 3:1. Und dann noch das: René Girard, der Trainer des französischen Meisters, triumphiert gehässig, streckt der Schalker Bank den langen Arm entgegen, ballt die Faust, fährt den Mittelfinger hoch.
Während des gesamten Spiels lieferte sich Girard eine Fehde mit Schalkes Trainer Huub Stevens, dem der Franzose nun fehlenden Respekt und abfälliges Winken vorwirft. Stevens erklärt, warum er auf der Palme war: Weil der gegnerische Trainer („Wie heißt der Mann?“) ständig Gelbe Karten für die Schalker gefordert habe. „Das ist der Champions League nicht würdig“, meint Stevens, der die obszöne Geste erst im Fernsehen sah. „Auf so ein Niveau begebe ich mich nicht“, sagt Stevens, „darüber diskutiere ich nicht einmal.“ Girard, der sich nun einem Uefa-Disziplinarverfahren stellen muss, verabschiedet sich mit einer Drohung: „Es gibt ja noch ein Rückspiel, und dann werden wir sehen.“
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Das fragwürdige Benehmen des Berufskollegen ärgert Huub Stevens aber deutlich weniger als die naive Spielweise seiner Mannschaft in den Schlussminuten – gegen einen nach dem Platzverweis für Garry Bocaly dezimierten Gegner. Zuerst schloss Klaas-Jan Huntelaar einen Klasse-Angriff zu unkonzentriert ab, dann blieb Ibrahim Afellay bei einem Konter in Überzahl mit einem überflüssigen Dribbling hängen, und prompt blamierten auf der anderen Seite drei Franzosen sechs Schalker – 2:2.
Schlussminuten verärgern Stevens
„Wir sind drei gegen zwei, da musst du doch kein Risiko mehr nehmen“, analysiert Stevens aufgeregt. „Und wenn wir den Ball einfach wegschießen! Aber wir leiten den Konter ein, das ist ärgerlich.“ Manager Horst Heldt formuliert es noch drastischer, er findet ein solches Verhalten „dämlich“.
Die Spieler erzählen, sie hätten gar nicht vorgehabt, ein so großes Wagnis einzugehen. Sie machen einen Teil des Publikums mitverantwortlich für die Unordnung. Wie schon beim 3:0-Sieg gegen Mainz schimpften und pfiffen einige ungeduldige Zuschauer, als die zuvor kämpferisch überzeugenden Schalker nach dem 2:1 den Ball gegen die defensiv gut geordneten Franzosen auch mal in den eigenen Reihen hielten. „Ich denke, dass wir durch die Pfiffe versucht haben, hektisch und blind nach vorne zu spielen, was gar nicht nötig war“, meint Lars Unnerstall.
Unnerstall verteidigt sich
Der Torwart ist zum Mobbing-Opfer dieser Zuschauer geworden, weil er aus deren Sicht zu oft das Spiel verlangsamt. Unnerstall verteidigt sich: „Wenn ich zum Beispiel einen Freistoß abfange und nur Lewis Holtby im Zentrum sehe, werfe ich ihn nicht an. Denn sonst wird er unter Druck gesetzt, und wir kriegen einen Konter.“
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Klaas-Jan Huntelaar unterstützt den Torwart: „Wenn es nur eine Lösung gibt, dann kann man besser auf Ballbesitz spielen.“ Auch Huntelaar beklagt sich über zu anspruchsvolle Anhänger: „Die Fans haben uns beeinflusst. Das 2:1 war nicht in Gefahr, doch dann haben sie angefangen zu pfeifen, weil sie wollten, dass wir mehr nach vorne spielen.“ Dabei sei dann die Kontrolle verloren gegangen.
Schalke hat nun ein atmosphärisches Problem – und ein sportliches. Huub Stevens muss dringend für Balance sorgen. Dass Angriffe derzeit nicht sauber abgeschlossen werden, ist ja nur ein Thema. Das andere bleibt ebenfalls aktuell: Bei dieser vor allem außen unsicheren Abwehr ist ständig zu befürchten, dass dem Gegner zwei Angriffe für zwei Tore reichen. Das Team ist bei weitem nicht gefestigt. Felix Magath, der am Samstag mit Wolfsburg in die Arena kommt (15.30 Uhr, live im DerWesten-Ticker), wird sich freuen, wenn einige Schalker Fans wieder früh nervös werden – und die Spieler dann auch.