Bochum/Gelsenkirchen. In Schalke-Trainer Thomas Reis brodelt es vor dem Revierderby bei seinem langjährigen Klub VfL Bochum. Er ist gespannt auf den Empfang.

Wenn Thomas Reis vor die Haustür tritt, dann sieht er Bochum. Wenn er seine Frau beim Sport besucht, dann bleibt er in Bochum, sie spielt Frauenfußball. Wenn er an seine aktive Karriere zurückblickt, denkt er an Bochum. Und wenn er Herbert Grönemeyer hört, könnte er bei der Zeile „Bochum ich häng’ an Dir“ mitsingen. Wahrscheinlich macht er es sogar. Doch wenn Reis an diesem Samstag (15.30 Uhr/Sky) den Rasen des Ruhrstadions betritt, dann ist er Gegner. Er ist der Trainer des FC Schalke 04 und versucht, den Kellerkrimi tief im Westen beim VfL Bochum zu gewinnen. Reis zu Gast beim VfL, das klingt so unwirklich, immer noch.

Schalke-Trainer Reis vor Monaten: "Wenn ich kein Bochumer bin..."

„Wenn ich kein Bochumer bin, wer dann?“, lautete noch im Herbst 2022 Reis’ rhetorische Frage – und beim VfL nahm niemand Anstoß daran. Als Reis im Sommer 1995 zum VfL gekommen war, hatte er noch nicht viel mit dem Ruhrgebiet zu tun. Doch er verliebte sich direkt in die Region, die er stets als „ehrlich“ bezeichnet, zu der er in der Tat gut passt. Er zog mit seiner ersten Frau nach Bochum-Weitmar, seine drei Kinder wuchsen dort auf. Reis gehörte als linker Verteidiger zu der Mannschaft, die 1997 in den Uefa-Pokal einzog. 199-mal trug er das Trikot des VfL. Und seine Geschichte ging noch weiter.

Schalke-Trainer Thomas Reis feierte mit dem VfL Bochum große Erfolge.
Schalke-Trainer Thomas Reis feierte mit dem VfL Bochum große Erfolge. © firo

Nach der aktiven Karriere kehrte er 2009 zurück – war Scout, U19-, U23- und Frauentrainer und nach einem kurzen Umweg über Wolfsburg ab September 2019 Cheftrainer der Profis. „Die Liebe zum Verein bleibt für immer“, sagte er. Große Partys feierte er mit dem Aufstieg (2021) und dem Klassenerhalt in der Bundesliga (2022). Eine Ära schien möglich – Rehhagel/Schaaf und Bremen, Finke/Streich und Freiburg, Schmidt und Heidenheim – Reis und Bochum?

So kam es nicht. Im September 2022 kam für ihn nach sechs Niederlagen zum Bundesliga-Start das Aus. „Die Trennung war sehr unschön“, sagte Reis nun kurz vor dem Derby. Und so sehr er sich während der Woche beim Training oder auch während der Pressekonferenz bemühte, sachlich zu bleiben, ruhig das Spiel zu analysieren – so sehr merkte jeder: Es brodelt im 49 Jahre alten Trainer. Das liegt zunächst am Wiedersehen mit seinen ehemaligen Spielern, den Funktionären, Mitarbeitern der Geschäftsstelle. Zu einzelnen Profis hält er noch Kontakt. „Wenn man drei Jahre zusammengearbeitet hat, dann sage ich: Warum sollte der Kontakt nicht bestehen bleiben? Das zeigt doch, dass das Verhältnis gut war“, sagte Reis und ergänzte: „Natürlich war der Kontakt in den vergangenen ein, zwei Wochen etwas weniger.“

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Die Hand geben will er, wenn es sich ergibt, auch den Funktionären. Auch wenn ihm nicht bei allen danach ist. „Es gibt handelnde Personen, mit denen ich nichts mehr zu tun haben will“, sagte er einmal in einem Interview und meinte damit vor allem Aufsichtsrats-Chef Hans-Peter Villis, der sich nicht an Absprachen gehalten habe. Provozieren wollte er sie im Vorfeld des Spiels aber nicht. „Mir ist bewusst, dass vielleicht darauf gewartet wird, dass pikante Aussagen kommen. Aber das Spiel steht im Vordergrund. Es heißt nicht VfL Bochum gegen Thomas Reis, sondern VfL Bochum gegen Schalke 04.“

Doch ist das wirklich so einfach?

Die Bochumer Fans hätten Reis bei jedem Verein, fast sogar weltweit, nur das Beste gewünscht. Aber Schalke? Ausgerechnet Schalke? Nachdem er kurz vor seinem Rauswurf Kontakte zu Schalke im Sommer 2022 geleugnet und damit gelogen hatte? „Bist ne ehrliche Haut“, wie im Bochum-Lied, passte in diesem Moment nicht zu Reis.

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Auch deshalb ist er gespannt darauf, wie er empfangen wird von den Fans, die ihn auf Händen trugen. Nun sagt er: „Ich denke nicht, dass uns viel Liebe entgegenschlagen wird.“ Pfiffe statt Applaus, für ihn ein völlig neues Gefühl. Grönemeyers Zeile „Machst mit nem Doppelpass jeden Gegner nass“ muss er diesmal singen wie die Fans der Königsblauen und „jeden Gegner“ durch „nie die Schalker“ ersetzen.

Schalke-Trainer Reis: "Muss kühlen Kopf vorleben"

Dass er sich selbst während des lange ausverkauften Spiels zwischen dem Vorletzten Bochum und Schlusslicht Schalke zügeln muss, gab er zu. „Wenn ich die Erwartungshaltung von den Spielern habe, dass sie kühlen Kopf bewahren, dann muss ich sie auch an mich selbst haben. Ich muss das vorleben“, sagte er. „Hier wo das Herz noch zählt“ heißt es bei Grönemeyer – Reis' hängt jetzt an zwei Vereinen im Ruhrgebiet.