Gelsenkirchen. Der Ansturm auf Tickets ist auf Schalke riesig. 14.000 Anhänger wollten S04 nach Bochum begleiten - nur rund 3000 Tickets standen zur Verfügung.
Torwart Ralf Fährmann stand vor der Nordkurve, vergoss Tränen der Rührung. Trainer Thomas Reis hüpfte auf und ab, umarmte jeden, der ihm über den Weg lief, und die Fans des FC Schalke 04 riefen im Überschwang der Gefühle zehntausendfach: „Die Nummer eins im Pott sind wir.“ Am Samstag zeigte sich in der Arena, was zwei Tore und ein Sieg nach langer Durststrecke für ein Feuerwerk auslösen können. Mit 2:1 (2:0) hatte das Bundesliga-Schlusslicht den VfB Stuttgart niedergerungen und sich im Abstiegskampf zurückgemeldet. Schalke ist zurück im Rennen um den Klassenerhalt – ja, wirklich. Platz 15 ist nur drei Punkte entfernt.
Es war den Schalkern gelungen, eine K.o.-Spiel-Atmosphäre zu schaffen – und ob vor, während oder nach dem Spiel, es kribbelte vor 62.271 Zuschauern unterm Arena-Dach wie in gefühlt ewig zurückliegenden Europapokal-Zeiten. „Gänsehaut pur“, resümierte Fährmann. „Danach hat Schalke gelechzt“, sagte Reis. „Das ist ein extrem schönes Gefühl“, ergänzte Mittelfeldspieler Tom Krauß.
Schalke trifft erstmals nach 404 Minuten
Für zwei Emotions-Explosionen sorgten die Treffer von Dominick Drexler (10.) und Marius Bülter (40.). Drexlers Kopfballtreffer war der erste nach 404 Minuten quälend langer Torlosigkeit, Bülter traf mit der Hacke, als sei es das Selbstverständlichste der Fußball-Welt. „Das ist eine Sache von Millisekunden, da passiert alles instinktiv“, sagte Bülter, der zuvor 17 Spiele lang nicht getroffen hatte. In der zweiten Hälfte bestimmten die individuell deutlich begabteren Gäste das Spiel, doch mehr als einen Treffer von Borna Sosa (63.), der von einem Torwartfehler Fährmanns profitierte, brachten sie nicht zustande. An diesem Abend schlug Ehrgeiz Talent.
Die Stuttgarter verzweifelten an Schalkes Abwehr, der eigenen Harmlosigkeit – und an den Fans. „Das ist eine Sache des Kopfes, wenn man nicht ganz darauf vorbereitet ist, mit welcher Wucht wir hier rechnen müssen“, sagte Stuttgarts Sportdirektor Fabian Wohlgemuth.
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Im Gegensatz zum Abstiegsjahr vor zwei Jahren ist das der größte Unterschied: Stieg Schalke während der Corona-Pandemie ohne Fans im Stadion ab, bilden die Fans nun das Korrektiv – in wenig anderen Vereinen ist dieses sensible Zusammenspiel so wichtig. Wenn es auf Schalke still ist, geht das nicht gut. Schalke braucht Lautstärke, Aufregung, Adrenalin. „Die Nummer eins im Pott sind wir“ – sportlich gilt das nicht, die Unterstützung in dieser schweren Krise ist nicht selbstverständlich. Wie sich das äußert: Nach der 1:6-Niederlage gegen Leipzig vor rund vier Wochen hatten die Profis von den Ultras Gelsenkirchen per Megafon eine deutliche Ansage bekommen – am Samstagabend gab es nicht nur Ovationen, sondern wieder klare Worte durchs Megafon, diesmal positive. „Die Fans haben uns gesagt, dass wir so weitermachen sollen. Es sind entscheidende Wochen mit zwei Derbys“, erzählte Krauß.
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Es stehen nun für Schalke zwei ganz besondere Spiele bevor. Am Samstag (15.30 Uhr/Sky) treten die Königsblauen beim Vorletzten VfL Bochum an – der nächste Krimi im Tabellenkeller. Eine Woche später kommt Titelkandidat Borussia Dortmund nach Schalke (Samstag, 11. März, 18.30 Uhr/Sky).
Für Thomas Reis ist das Bochum-Spiel etwas ganz Besonderes. Als Profi spielte er acht Jahre für den VfL (1995 bis 2003), später war er zehn Jahre in verschiedenen Trainerfunktionen für die Bochumer tätig, 2021 hatte er die Profis zurück in die Bundesliga geführt. Nur wenige VfL-Fans haben Reis den Wechsel zum Rivalen verziehen. Reis bemühte sich Samstag darum, sich nur kurz zu äußern. „Heute genieße ich, dass die Mannschaft ein tolles Spiel abgeliefert hat. Wir haben nächste Woche die Chance, punktgleich zu werden mit Bochum – vor Wochen hätte das keiner erwartet.“ Mehr war Reis nicht zu entlocken – dass es in ihm vor dem Wiedersehen brodelt, war ihm aber anzusehen.
Schalke: Derby gegen den BVB seit Wochen ausverkauft
Schalkes Fans, aktuell so euphorisch, als würden sie schon eine Titelfeier planen, können aktuell kaum genug bekommen. Für das Bochum-Spiel gingen 14.000 Ticket-Anfragen aus Gelsenkirchen ein – lediglich rund 3000 bekam Schalke zur Verfügung gestellt. Das Schalker Derby gegen den BVB ist schon seit Wochen ausverkauft.
Gelingen zwei weitere Siege, wäre „Die Nummer eins im Pott sind wir“ sogar der korrekte Gesang. Auch wenn es dann nur um eine Derby-Tabelle gehen würde.