Leverkusen. Sechs Punkte aus acht Spielen - die Stimmung bei Aufsteiger Schalke 04 ist nach dem 0:4 in Leverkusen auf dem Nullpunkt. Ein Kommentar.

Die Party wollte im Mai nicht enden, als Schalke 04 den Wiederaufstieg in die Bundesliga feierte. Zehntausende jubelten auf den Straßen und rund um die Arena, veranstalteten Triumphzüge durch einige Zweitliga-Städte Deutschlands. Sportdirektor Rouven Schröder wurde ehrfürchtig für viele Schalker zu "Don Rouven", weil viele seiner Entscheidungen aufgegangen waren. Das alles ist erst fünf Monate her. Nach dem neunten Bundesliga-Spieltag spricht aber niemand mehr über den Aufstieg. Sondern darüber, dass die Schalker aktuell in der Liga nicht konkurrenzfähig sind. Der Schock ist inzwischen größer als die Freude, für wenigstens ein Jahr in den größten Stadien der Republik zu spielen.

Schalke: Bisher nur ein Sieg - und der war glücklich

Sechs Punkte hat Schalke nach acht Spielen erst gesammelt, ein Sieg war dabei. Das 3:1 im Derby gegen Schlusslicht VfL Bochum war aber sehr glücklich, beim Stand von 1:1 war der Gegner der Führung viel näher. Erst ein Eigentor nach einem unberechtigten Freistoß brachte Schalke auf die Siegerstraße. Bei der Analyse der Saison-Anfangsphase wird dieser Spielverlauf gerne vergessen.

Doch wer sind die Schuldigen für diesen Desaster-Start? Die Suche beginnt bei Schröder, der nicht mehr so oft "Don" genannt wird. Schröder entschied sich im Sommer dafür, die Aufstiegsmannschaft auf vielen Positionen auszuwechseln - im Gegensatz zu Mit-Aufsteiger Bremen. Werder marschiert aktuell mit einer eingespielten Mannschaft, die stets nur auf ein oder zwei Neue in der Startelf setzt, von Sieg zu Sieg und ist schon Fünfter.

Schalke aber erlebte einen Radikal-Umbau. 14 Neue waren zu integrieren, und bis auf Tom Krauß, der aus Leipzig kam, ist Schröder diesmal kein Volltreffer gelungen. Eine Menge Geld nahm er in die Hand, um Sebastian Polter (Bochum), Tobias Mohr (Heidenheim) und Florent Mollet (Montpellier) zu holen. In den Himmel gehoben wurden Spieler wie Alex Kral (Moskau), Maya Yoshida (Genua) und Kenan Karaman (Besiktas Istanbul) - alle enttäuschen und lassen Bundesliga-Tauglichkeit vermissen. Auch Torwart Alexander Schwolow (Hertha) war bisher nur selten der gewünschte Rückhalt.

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Doch auf Schröders Konto allein geht der Fehlstart nicht. Die meisten Schalker denken sogar zuerst an Trainer Frank Kramer, der sich beim 0:4-Horror in Leverkusen "Kramer-raus"-Rufe anhören musste. Kramer ist seit der ersten Sekunde seiner Amtszeit umstritten, er lässt genau den destruktiven Fußball spielen, für den er auch bei seinen vorherigen Stationen stand. Eine Mannschaft, die eigentlich zu schwach besetzt ist, um ihre Ziele zu erreichen - so wie Schalke in dieser Saison - braucht einen cleveren, durchsetzungsstarken Trainer, der eine gute Idee mehr hat als seine Gegner und die Anhänger hinter sich bringt. Kramer ist nicht so einer. Schröder hatte ein Jahr lang bewiesen, dass er verstanden hat, welche Typen zu Schalke passen und welche nicht. Kramer mag ein sehr sympathischer, netter Mann sein - als Trainer passt er nicht zu diesem hochemotionalen Verein, der nur Schwarz oder Weiß kennt, keine Grautöne. Das hätte Schröder wissen können.

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Die Fans dieses besonderen Vereins sehnen sich danach, sich mit einem Trainer identifizieren zu können - und das sofort. So wie die Kölner es mit Steffen Baumgart tun - sie dachten schon vor dessen Amtsantritt: Das könnte passen. Oder die Dortmunder einst mit Jürgen Klopp und nun mit Edin Terzic, die Bremer mit Ole Werner, die Mainzer mit Bo Svensson, die Münchener mit Bayern-Fan Julian Nagelsmann.

Es gab in den vergangenen dreieinhalb Jahren viele Trainer, die wie Kramer skeptisch empfangen wurden - zum Beispiel Christian Gross, Manuel Baum und Dimitrios Grammozis. Alle drei blieben nicht einmal ein Jahr. Nur einer eroberte direkt die Herzen der Fans, und das war Eurofighter-Idol Mike Büskens, der in der Aufstiegssaison für die letzten neun Spiele übernahm. Seine Hilfe sei aber einmalig gewesen, sagte Büskens und kehrte wieder ins zweite Glied zurück. Deshalb ist auch Büskens diesmal nicht aus der Verantwortung zu nehmen. Die Hierarchien sind flach, Büskens hat mehr zu sagen als noch vor einem Jahr unter Grammozis.

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Und nun? Erst einmal geht es in der gewohnten Konstellation weiter, stellten Schalkes Bosse am späten Samstagabend klar. Rouven Schröder sitzt fest im Sattel, egal was passiert. Nach zwei Jahrzehnten unter Clemens Tönnies, in denen die Vereinsführung meist impulsiv und häufig vorschnell reagierte, bemühen sich Vorstand und auch Aufsichtsrat aber auch um Kontinuität und Ruhe in der Trainerfrage.

Doch das könnte ein Schrecken ohne Ende werden. An eine Wende mit Frank Kramer glauben nicht einmal mehr die größten Optimisten.