Gelsenkirchen. Schalke 04 befindet sich in einer schweren Krise. Das Kontrollgremium muss einen Sportvorstand finden, steht aber selbst vor Veränderungen.
Wenn sich der Aufsichtsrat des Bundesliga-Letzten Schalke 04 in diesen Tagen mit den Kandidaten trifft, die als Nachfolger des bald ausscheidenden Sportvorstands Jochen Schneider infrage kommen, dann geht es nicht nur um die elementaren Punkte für den Neuanfang: Wie hoch ist das Budget in der Zweiten Liga, was kann sich Schalke nach einem Abstieg überhaupt noch leisten? Eine der Fragen, die dann auch gestellt wird, betrifft den Aufsichtsrat selbst: Wer neuer Sportvorstand wird, der will wissen, mit wem er es auf Schalke künftig zu tun bekommt. Beantwortet werden kann dann wenigstens die Frage nach dem Chef: Jens Buchta, seit acht Monaten der Vorsitzende des Schalker Aufsichtsrates, bleibt auch in der kommenden Saison im Amt – sein Mandat gilt bis 2022.
Schalke: Buchta hält die Fäden zusammen
Der Jurist aus Düsseldorf ist der Mann, der auf Schalke im Moment die Fäden zusammenhält, wobei er es eher mit einem verknoteten Knäuel zu tun hat: Als Chef des Aufsichtsrates ist er der Ansprechpartner für den Vorstand, der um Schalkes sportliche und wirtschaftliche Zukunft ringt. Zugleich muss Buchta in seinem eigenen Gremium die Reihen geschlossen halten: Die elf Mitglieder müssen sich auf einen neuen Sportvorstand einigen. Und das Ganze vor dem Hintergrund, dass bei der Mitgliederversammlung am 13. Juni ein kompletter Umbruch im Aufsichtsrat möglich ist.
Schalke: Drei Mitglieder bleiben sicher im Amt
Nur drei der elf Schalker Aufsichtsräte wissen derzeit schon genau, dass sie über den Sommer hinaus noch im Amt sein werden: Neben Buchta noch der von den Mitgliedern bis 2022 gewählte Peter Lange sowie der von den Fan-Klubs bis 2023 entsandte Heiner Tümmers. Dagegen laufen die Mandate von Stefan Gesenhues, Moritz Dörnemann, Huub Stevens, Ingolf Müller und Matthias Rüter zur Mitgliederversammlung aus. Und auch die Amtszeiten der kooptierten Ulrich Köllmann, Matthias Warning und Dirk Metz sind nur bis 2021 ausgewiesen: Diese drei wurden nicht von den Schalker Mitgliedern gewählt, sondern vom Aufsichtsrat zusätzlich berufen – Warning zum Beispiel als Vertreter von Hauptsponsor Gazprom. Da dessen Vertrag mit Schalke nur für die Bundesliga gilt, ist der Verbleib des Hauptsponsors und damit auch der von Warning im Aufsichtsrat ungeklärt.
Mehr News und Hintergründe zu Schalke 04:
- Höwedes: Schalke in der 2. Liga möchte ich mir nicht ausmalen
- Revierderby: Schalke ist kein Gegner mehr für den BVB
- Schalke: "Gelsenszene" im Teamhotel - so reagiert Schneider
- Schalke: Polizei erteilt bei Ultra-Protest 25 Platzverweise
- Schalke: Zerrung oder Faserriss - Fährmann-Verletzung unklar
Am spannendsten aber ist, was mit den fünf Plätzen geschieht, die von der Schalker Mitgliederversammlung am 13. Juni neu vergeben werden. Nur Huub Stevens hat angekündigt, nicht wieder zur Wahl anzutreten: Der Schalker Jahrhunderttrainer scheidet nach drei Jahren freiwillig aus. Bei den vier anderen Amtsinhabern sind Rückzugsgedanken nicht bekannt. Ob sie allerdings auch zur Wiederwahl zugelassen werden, muss der Schalker Wahlausschuss entscheiden: Der trifft im Vorfeld der Mitgliederversammlung eine Vorauswahl unter allen Bewerbern.
Dabei geht es darum, die Kandidaten auf ihre Eignung zu prüfen und die besten auszuwählen. Kriterien sind unter anderem sportliche, wirtschaftliche und juristische Kompetenz sowie auch ihre Schalker Vergangenheit. Der Wahlausschuss wird sich in diesem Jahr mit seiner Entscheidung Zeit lassen: Vorgesehen ist das Treffen erst für Ende April, spätestens Anfang Mai. Nominiert werden dann zehn Kandidaten: Doppelt so viele, wie am Ende von den Mitgliedern in den neuen Aufsichtsrat gewählt werden.
Peter Peters bewirbt sich auf Schalke
Nach Informationen dieser Redaktion stehen aktuell noch etwa 25 Bewerber auf der Liste – ursprünglich waren es rund 35, aber nicht alle erfüllten die formellen Voraussetzungen. Die prominentesten Namen sind der langjährige Schalker Finanzvorstand Peter Peters und der frühere Schalker Profi Hans Sarpei, der bereits vor einem Jahr kandidieren wollte, als Schalke die Mitgliederversammlung aufgrund der Corona-Pandemie nicht durchführen konnte. Damals galt Sarpei als schärfster Kritiker von Clemens Tönnies, der dann im Juni 2020 als Schalke-Chef zurücktrat.
Auch interessant
In den Aufsichtsrat möchte auch Stefan Barta, der damals die Proteste gegen Tönnies organisiert hatte und als Vertreter der Fans gilt, die meinungsstark auftreten. Ebenfalls als Tönnies-Kritiker gilt Axel Hefer, der bis 2017 schon einmal im Schalker Aufsichtsrat saß. Er plant ebenso seine Rückkehr wie Uwe Kemmer, der erst im Dezember sein Mandat niedergelegt hatte – seinen Rückzug hatte er damals während des Spiels in Augsburg über Facebook bekanntgegeben. Das zeigt: Auf der Liste stehen viele Bewerber mit einer Schalker Vergangenheit. Wer aber für einen kompletten Neubeginn stehen könnte, muss man abwarten. Ein großer Überraschungskandidat mit Strahlkraft soll derzeit nicht dabei sein. Und mit Ausnahme von Sarpei auch keiner, der aus dem Fußball-Lager kommt. Spekuliert worden war vor Wochen zum Beispiel mit einer Bewerbung von Jens Lehmann. Diese Spekulationen hatte Schalkes Eurofighter-Torwart aber selbst zurückgewiesen.
Huub Stevens reißt eine Lücke auf
Durch den Rückzug von Huub Stevens wird das Problem des Schalker Aufsichtsrates damit eher größer: Dem Gremium fehlt es an Fußballkompetenz. Im Moment gilt Stevens noch als engster Berater des Vorsitzenden Jens Buchta, der vor allem einen wirtschaftlichen und juristischen Hintergrund hat. In sportlichen Dingen hält sich Buchta öffentlich meist bedeckt. Auch das unterscheidet den 57-Jährigen in seiner Amtsführung von Vorgänger Tönnies. Im Vorfeld der Mitgliederversammlung wird es wichtig sein, hier ein Signal zu senden, dass Schalke auch ohne Stevens im Aufsichtsrat weiter auch sportlich aufgestellt ist.
Auch interessant
Bislang sorgt ohne Zweifel die Bewerbung von Peter Peters für das größte Aufsehen: Der 58-Jährige war im vergangenen Sommer als Finanzvorstand auf Schalke zurückgetreten – nach 27 Jahren in der Verantwortung. Dass Peters jetzt wieder seinen Hut in den Ring wirft, hatte Schalke-Vorstand Alexander Jobst in der vergangenen Woche erstmals öffentlich bestätigt. Bewerten wollte Jobst die Kandidatur seines ehemaligen Vorstandskollegen nicht, er sagte: „Die Mitglieder alleine werden ihre Entscheidung treffen, für was und für welche Positionen Schalke stehen wird. Für große Teile der Vergangenheit oder für ein zielgerichtetes und zukunftstragfähiges Schalke 04.“
Welche Rolle stellt sich Peters auf Schalke vor?
Peters war auf Schalke zurückgetreten, weil sich zum Ende seiner Amtszeit die Differenzen mit Clemens Tönnies gehäuft hatten, der damals noch im Amt war. Seither konzentriert er sich auf seine Ämter bei der Deutschen Fußball Liga und beim Deutschen Fußball-Bund, wo er jeweils Vize-Präsident ist. Seine künftige Rolle auf Schalke müsste Peter Peters den Mitgliedern erklären. Dass Jens Buchta die Kandidatur von „PP“ als Bedrohung empfindet, ist nicht zu erwarten: Beide haben auf Schalke stets eng kooperiert.
Für Jens Buchta gibt es ohnehin im Moment eine andere Zielmarke: Der von ihm geführte Aufsichtsrat muss einen neuen Sportvorstand finden. Auch daran wird er gemessen werden.