Gelsenkirchen. Vier Neue sind gekommen, drei Spieler gegangen - doch wie sind die Transfers des FC Schalke 04 einzuschätzen? Eine Bewertung.
Vier Zugänge, drei Abgänge, viele turbulente Tage, etliche Spiele zwischendurch: Der FC Schalke 04 hat einen wilden Januar hinter sich. In der Winter-Transferperiode haben die Königsblauen vieles versucht, um einen Kader zusammenstellen, der das Fußball-Wunder Klassenerhalt noch schaffen kann - trotz eines aussichtslos wirkenden Rückstands. „Im Großen und Ganzen haben wir das getan, was wir konnten und wollten. Es war wichtig, dem Kader frische Energie beizufügen. Spieler, die nicht den Rucksack des Jahres 2020 mit sich herumtragen“, resümierte Sportvorstand Jochen Schneider, dem nur begrenzte finanzielle Mittel zur Verstärkung standen. Doch stimmt das? Hier ist unser Transfer-Check.
Zugänge bei Schalke
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Sead Kolasinac: Nie war der Kontakt des Linksverteidigers zu den Königsblauen abgerissen, in nahezu jeder Transferperiode bastelte Schalke an einer möglichen Rückkehr. Im Winter nun klappte es, weil der FC Arsenal Schalke beim Leih-Geschäft finanziell entgegen kam. Kolasinac ging in der Kabine voran, wurde von Trainer Christian Gross zum Kapitän ernannt, überzeugt sportlich mehr als Vorgänger Bastian Oczipka. Die linke Seite ist nicht mehr Schalkes Achillesferse. Bewertung: Top-Verstärkung (fünf von fünf Sternen)
Shkodran Mustafi: Die Argumentation von Trainer Christian Gross ist schlüssig. Für Ozan Kabak, zweifelsohne ein begabter Verteidiger, der zuletzt aber arg wackelte, kommt ein ganz erfahrener Mann, der international seine Klasse jahrelang unter Beweis stellen konnte und sich bis zum Saisonende für neue Vereine empfehlen möchte. Mustafi hat auf Top-Niveau trainiert, allerdings zuletzt kaum Spielpraxis sammeln können. Zuvor spielte zuvor auch nicht immer fehlerfrei beim FC Arsenal. Bewertung trotzdem: Wesentliche Verstärkung (vier von fünf Sternen)
William: Erste Wahl für die Rechtsverteidiger-Position war er nicht, die Schalker wollten unbedingt Mitchell Weiser von Bayer Leverkusen ausleihen - doch der verletzte sich kurzfristig. Andere Kandidaten waren zum Beispiel Kevin Rüegg von Hellas Verona. William fiel fast im kompletten Jahr 2020 aus, ist erst seit Oktober wieder fit. Seitdem bestritt er lediglich zwei Spiele für den VfL Wolfsburg. Erreicht er seine Bestform, ist er eine wesentliche Verstärkung. Wahrscheinlicher aber ist, dass er Schalkes Abwehr zwar stabilisiert und besser spielt als die sechs Spieler, die zuvor rechts hinten verteidigten - für mehr dürfte ihm einfach die Spielpraxis fehlen. Bewertung: Guter Griff (drei von fünf Sternen)
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Klaas-Jan Huntelaar: Einen Top-Stürmer mit Torgarantie wollten die Schalker im Winter holen. Auf der Liste: Mario Mandzukic, Daniel Ginczek, selbst über ein Blitz-Comeback von Vedad Ibisevic dachte Schneider nach. Zu bekommen war aber lediglich der 37 Jahre alte Routinier Klaas-Jan Huntelaar. Eine Verpflichtung fürs Herz der Fans ist Huntelaar definitiv. Der „Hunter“ gab die Chance, Meister mit Ajax Amsterdam zu werden, für den Abstiegskampf mit Schalke auf. Doch er kam nicht fit nach Gelsenkirchen, verpasste wegen einer Wadenblessur die ersten beiden Spiele und die meisten Trainingseinheiten. Noch ist fraglich, ob er wirklich die erhoffte Verstärkung sein kann. Bewertung: Risiko (zweieinhalb von fünf Sternen)
Abgänge bei Schalke
Ozan Kabak: In der Vorrunde war der 20-jährige Innenverteidiger nicht die gewünschte Stütze in Schalkes Abwehr, sondern ein dauerhafter Wackelkandidat. Kabaks Marktwert erlebte einen freien Fall. Hofften die Schalker im Sommer 2020 noch, Ozan Kabak ein Jahr später für 45 Millionen Euro verkaufen zu können (so hoch war die Ausstiegsklausel), war diese Summe nur wenige Monate später gar kein Thema mehr. Als das Last-Minute-Angebot des FC Liverpool kam und sich eine Verpflichtung Mustafis abzeichnete, stimmte Schalke zu. „Es war Ozans Wunsch, diese Chance wahrzunehmen. Wir haben gesagt, dass wir dem nachkommen, wenn wir Ersatz finden“, sagte Schneider. Etwa drei Millionen Euro Leihgebühr sind okay. Eine Top-Bewertung gibt es aber nicht, da es Schalke nicht gelungen ist, eine an Klauseln gebundene Quasi-Kaufpflicht auszuhandeln. Es gibt lediglich eine Kaufoption - die aber bis zu 30 Millionen Euro einbringen könnte. Bewertung: Guter Deal (vier von fünf Sternen)
Rabbi Matondo: Der Waliser war zweifelsohne der schnellste Spieler im Kader. Doch die hohen Erwartungen, die mit der zehn Millionen Euro teuren Verpflichtung verbunden waren, erfüllten sich nie. In zwei Jahren erzielte er lediglich zwei Tore. „Die Luftveränderung ist für beide Seiten aktuell das Beste“, sagte Schneider über Matondos Leih-Wechsel zum englischen Zweitligisten Stoke City. Stoke könnte Matondo für etwa 6,5 Millionen Euro übernehmen - das wäre okay. Doch selbst wenn Matondo zurückkehrt: Im Abstiegsfall könnte er in der 2. Bundesliga wertvoll werden. Bewertung: Sehr sinnvoller Deal (vier von fünf Sternen)
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Ahmed Kutucu: Das ist ein Deal der Marke „schade“. Kutucu spielt auf Leihbasis bis zum Saisonende für Heracles Almelo in den Niederlanden. Bei keinem Schalke-Trainer schaffte er in den vergangenen zwei Jahren den Durchbruch, dabei hatte er bei den Fans als gebürtiger Gelsenkirchener stets einen Stein im Brett. Klar ist: Kutucu war häufig ein sehr guter Joker - das entfällt nun. Bewertung: Deal ist in Ordnung (drei von Sternen)
Sonstiges
Drei Dinge gelangen Schalke nicht. Wie Schneider selbst zugab, hätte er gern noch einen Offensivspieler, der seine Stärken auf den Außenpositionen hat, verpflichtet. Doch Gespräche mit João Victor (VfL Wolfsburg) und Erik Thommy (VfB Stuttgart) zerschlugen sich. Trainer Gross sieht nun William als mögliche Alternative für diese Position - dabei soll der Ex-Wolfsburger eigentlich nur rechts in der Abwehrkette aushelfen.
Außerdem haben die Königsblauen alles versucht, um den suspendierten Mittelfeldspieler Nabil Bentaleb loszuwerden. Auch Gross hat schon angekündigt, Bentaleb keine Rückkehr ins Teamtraining zu ermöglichen. Bis zum Saisonende muss Schalke Bentaleb noch etwa zwei Millionen Euro Gehalt überwiesen. Ärgerlich.
Und drittens: Besonders wichtig waren für Schalke die Spiele gegen den 1. FC Köln (1:2) und bei Werder Bremen (1:1) - Schlüsselspiele für den Beginn einer möglichen Aufholjagd. Doch von den vier Neuen war in diesen beiden Partien nur Kolasinac bereit für die Startelf. Da ging wertvolle Zeit verloren. Bewertung: Abzug von drei Sternen
Das Ergebnis der Bewertung: 22,5 von 35 Sternen
„Wir gehen die Herausforderung an, auch wenn wir wissen, dass uns viele schon abgeschrieben haben“, sagte Schneider. Optimal ist die Januar-Transferperiode für Schalke nicht gelaufen, nicht alle Deals sind risikolos. Doch der umstrittene Sportchef, das lässt sich festhalten, hat gut gearbeitet.