Essen. Cebio Soukou hat in der vergangenen Saison kein Punktspiel für den Fußball-Regionalligisten Rot-Weiss Essen bestreiten können: Im Testspiel gegen Werder Bremen hatte er sich einen Kreuzbandriss zugezogen – und kämpfte seitdem für seine Rückkehr. Nun ist er wieder da.

Ein Bagger kippt goldgelben Sand auf den Rasen vor eine leere Coktailbar. Während der Aufbauarbeiten für die nächste Sommerparty im Stadion Essen hockt Cebio Soukou lässig oben im Schalensitz auf der Haupttribüne und plaudert. Cooler Typ. Schwarzer Kinnbart, zwei glitzernde weiße Steinchen in jedem Ohrläppchen. Er würde gut hineinpassen in das karibische Ambiente, das unten konstruiert wird. Aber er sitzt auf der Tribüne. Für einen Profi-Fußballer die Höchststrafe. Und die musste Cebio Soukou in der vergangenen Saison absitzen.

Der RWE-Fußballer ist aber wieder „auf freiem Fuß“, er kann wieder spielen, nachdem er fast ein Jahr lang zum Zuschauern verurteilt war. Kreuzbandriss. Für manche Athleten bedeutet diese Verletzung das Karriereende. Aber Cebio Soukou hat bereits zum zweiten Mal dem Schicksal getrotzt. Nach der monatelangen Spielpause ist er wieder am Ball und sagt zufrieden: „Kein Problem, alles läuft gut. Das Knie hält, ich werde immer fitter. Es ist schön, wieder Fußball zu spielen.“

„Ich habe es knacken gehört“

Die Saison 2013/14 hat für Soukou nicht stattgefunden. Er ist zwar einer von etwa einem Dutzend Spielern, die aus dem vorherigen Kader übriggeblieben sind, aber im Prinzip ist er ein Neuzugang. In der abgelaufenen Serie hat er nicht ein Punktspiel für die Rot-Weißen bestritten, weil er sich zum Ende der Vorbereitung in einem Testspiel gegen Werder Bremen das Knie verdrehte. „Ich habe es knacken gehört und wusste gleich, dass etwas kaputt ist“, erinnert sich Soukou. Fast teilnahmslos schaut er auf den Fotos aus, als er damals vom Platz getragen wurde. Irgendwie abwesend. War es der Schock? „Es war absolute Leere in meinen Kopf“, sagt Soukou.

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Doch Soukou schaute nach vorn, lamentieren ist nicht sein Ding. Er sagt von sich, dass er die Welt optimistisch sieht. Bloß nicht aufgeben. „Ich war niedergeschlagen, aber es nutzt doch nichts, den Kopf in den Sand zu stecken.“ Am nächsten Tag habe er alle Hebel in Bewegung gesetzt, die Ärzte konsultiert, die ihn schon beim ersten Kreuzbandriss geholfen hatten. Zwei Tage später reiste er mit seiner Freundin nach Straubing und wurde operiert. „Ich war überzeugt, dass es möglich ist, danach wieder gut Fußball zu spielen.“

Rückschläge prägen

Die Rückschläge haben Soukou geprägt, ja auch gestärkt, die bitteren Erfahrungen haben ihn reifen lassen. Er sei nicht mehr so blauäugig wie vielleicht manch anderer in seinem Alter. „Ich habe mit meinen 21 Jahren schon einiges erlebt, auch niederschmetternde Dinge und habe danach immer wieder meine Leistung gebracht.“ Die Eltern (der Vater stammt aus dem westafrikanischen Benin), seine drei älteren Schwestern und die Freunde in Bochum haben ihm geholfen. „Die Familie steht über allem. Wenn man viel Zeit hat, das Bein ständig weh tut, da spürt man, auf wen man sich verlassen kann.“

Elf Monate dauerte die Pause, von sechs Monaten wie beim ersten Mal war er ausgegangen. Doch das Knie schwoll bei Belastung an, bei einer weiteren OP im Dezember wurde Narbengewebe entfernt. Dann ging es aufwärts. Für sein Comeback hat Cebio Soukou in der Reha geschuftet. Dort, wo es niemand sieht, keiner jubelt, niemand applaudiert. Immerhin, Krafttraining ist sein Hobby. Er wohnte früher über einem Studio und ist als kleiner Junge in die Muckibude gegangen. Doch es gab auch schlechte Phasen. „Manchmal war ich in einem Loch, da konnte ich alles nicht mehr sehen. Aber ich habe mein Programm trotzdem heruntergespult.“ Immer das Ziel vor Augen: Fußball zu spielen. „Es gibt nichts Größeres.“

Torschützenkönig in Bochum

Der ehemahlige RWE-Trainer Waldemar Wrobel hatte den Fußballer vor zwei Jahren an die Hafenstraße geholt. Ein Talent, das in der U19-Bundesliga beim VfL Bochum Torschützenkönig geworden war, ein U18-Nationalspieler, dem der Durchbruch aber bisher versagt geblieben ist. Natürlich haben die Verletzungen ihn gebremst. Aber nicht nur. „Normalerweise geht in Bochum der Weg zu den Profis über die U23. Aber ich kam mit Trainer Metaxas nicht klar, sodass ich um eine Vertragsauflösung gebeten habe.“ Wrobel nahm ihn auf. Schnell sei Soukou, technisch stark, mit Spielverständnis und durchsetzungsfähig, so hieß es. Von alledem war anfangs nichts zu sehen. Soukou stakste eher über den Rasen als dynamisch die Offensive anzutreiben. „Ich war geduldig.“ Soukou lächelt. Er entwickelte sich, wurde zum Leistungsträger. Schnell, spritzig, torgefährlich. Bis zum Bremen-Spiel. Jetzt fängt er von vorn an.

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Sportvorstand Uwe Harttgen und Trainer Marc Fascher, die neuen Verantwortlichen bei RWE, hatten Cebio Soukou nie spielen sehen. „Wir haben uns gleich am Anfang unterhalten und sie haben klar gesagt: Wir haben von dir nur Gutes gehört. Wir sind gespannt.“

Und Cebio Soukou bekommt seine Einsatzzeiten und kämpft. Natürlich haben die Rot-Weißen zu dieser Saison vor allem auch die Offensive enorm verstärkt. Soukou stört es nicht. „Die Stimmung in der Mannschaft ist super. Es sind zwar viele Neue, aber das ist ja nichts Besonderes. Und der Konkurrenzkampf ist allemal besser, als wenn man weiß, dass man gesetzt ist.“ Er nimmt es jedenfalls gelassen: „Natürlich wird’s schwer für mich, aber ich will mich mit den anderen messen.“ Auf dem rechten Unterarm über seinen kunstvoll verschlungenen Initialen und denen seiner Schwestern hat Cebio Soukou eine Lebensweisheit tätowiert: „Wer glaubt, jemand zu sein, vergisst, jemand zu werden.“