Essen. RWE-Kolumnist geriet wie das ganze Stadion in der 95. Minute in Ekstase, bemängelt aber die fehlende Unterstützung von den Rängen und die Pfiffe.

Hand aufs Herz: Wer hatte im Stadion oder an den heimischen Empfangsgeräten nicht auch in den letzten zehn bis15 Minuten das mulmige Gefühl, dass unser RWE noch RWE-Dinge machen könnte, wie er sie in vergangenen Jahren immer wieder mal gemacht hat? Unserer kleinen Schar auf der immer heimischer werdenden Gottschalk-Tribünen-Hälfte ging es jedenfalls so.

Schließlich konnten wir von dort aus sehr genau beobachten, wie die Spieler der Alemannia in dieser Zeit mehr als einmal gefährlich vor unser Tor kamen und der Gegentreffer nur durch gemeinsame Anstrengung und eine gehörige Portion Glück verhindert werden konnte. Da rutschte uns des öfteren das Herz ganz gewaltig in die Hose.

Wir hätten uns die Nerven aber eigentlich auch sparen können: Schließlich sind wir aktuell nicht mehr das Rot-Weiss Essen der späten und zu unseren Ungunsten entscheidenden Gegentore, sondern wir haben eine Mannschaft, die bis zum Abpfiff ihrerseits niemals aufsteckt und ohne Unterlass versucht, auf das gegnerische Tor zu gehen. Spielanteile mit dem eher ungeliebten „hintenherum“ inklusive. Sogenannte Mentalitätsmonster also für unsere Farben auf dem Rasen unterwegs.

Das beschaulich ruhige Stadion eskalierte komplett

Wer nun der Mannschaft immer noch fehlende Emotionalität oder gar mangelnden Zusammenhalt bescheinigt, der wurde spätestens in der fünften Minute der Nachspielzeit eines besseren belehrt: In dem Moment, als Grillmeister Felix mit seinem Tor die Herzen der Alemannia-Spieler brach (Herzenbruch, daher also..), eskalierte das vorher beschaulich ruhige Stadion komplett. Die meisten vor Freude, die Gästeanhänger eher weniger deswegen.

Dieser Schrei aus tausenden Kehlen, die heranstürmenden Mitspieler von draußen, ein Simon Engelmann, der es zunächst vor der Westtribüne herausbrüllte, bevor er auf den Haufen der Kollegen hüpfte. Ein Trainer, der irgendjemand in den Arm nehmen wollte, aber keinen fand, da alle so schnell unterwegs waren. Und dann ganz besonders Oguzhan Kefkir, der auf Krücken irgendwie hinterher gehumpelt kam.

Daniel Heber auf Krücken wurde gefeiert

Oder später, als Daniel Heber, auch auf Krücken, im Kreise seiner Mannschaft vor der West stand und gefeiert wurde. Und dann war da noch das wohl schönste Sportfoto der letzten Jahre (von Marcel Rotzoll für jawattdenn) geschossen: Ein glücklicher Felix Herzenbruch sitzt auf dem Zaun, strahlt über alle Backen, ein frisch gezapftes Stauder in der Hand. Mit der allerletzten Spielaktion hat es die Mannschaft geschafft, die logischerweise (wir sind in Essen) drohende Unruhe im Umfeld abzuwenden und weiter alleiniger Tabellenführer dieser so spannenden Liga zu bleiben.

Ich glaube, in unserer Mannschaft stecken mehr Emotionen, als wir von außen erkennen können. Was mich aktuell mehr beschäftigt, ist die Frage, warum wir von außen nicht mehr die Emotionen in das Spiel bringen, um unserer Mannschaft durchgehend zu helfen. Je länger wir Tabellenführer sind, und je mehr Zuschauer wieder zugelassen sind, umso leiser und kritischer werden wir gefühlt. Exemplarisch dafür die erste Spielhälfte des vergangenen Samstag. Unermüdlich wurde im kleineren Kreis auf der Westtribüne durchgesungen, nur wurde es kaum noch von den anderen Tribünen aufgenommen.

Das sind Momente, aus denen Aufsteiger gemacht werden

Ich könnte verstehen, wenn man dort irgendwann mal sagt: „Keinen Bock mehr“. Spätestens die Pfiffe zur Halbzeit haben mich dann richtig geärgert. Natürlich haben wir um das Gegentor gebettelt, so wie wir es immer regelmäßig tun. Aber wir lagen nicht zurück, haben den Gegner doch dominiert und eine Halbzeit war noch zu spielen: Da sind Pfiffe für mich keine Option.

Sind wir bei „We only sing when we`re winning“ angekommen, oder nimmt uns aktuell die tabellarische Spannung die Leichtigkeit des Seins auf den Tribünen, um auch unseren Teil zu versuchen beizutragen? Was Hafenstraße wirklich kann und drauf hat, das haben wir dann ja in den schon erwähnten letzten Minuten und danach gesehen.

Das war Rot-Weiss Essen vereint in Ekstase und Leidenschaft auf und neben dem Feld. Das sind Momente, aus denen Aufsteiger gemacht werden!

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