Essen. Mit den Livestreams während der Geisterspiele war Rot-Weiss Essen zufrieden, aber mit Luft nach oben. Die Vorbereitung auf die neue Saison läuft.

Es war ein emotionaler Moment am Rande des Heimspiels von Rot-Weiss Essen gegen Lotte. Rund 700 Fans waren erstmals wieder im Stadion, aber ausgerechnet die bekamen ihn nicht mit – sondern nur die RWE-Fans zu Hause. „Es war uns eine Herzensangelegenheit, die letzten 21 Heimspiele hier den Livestream zu machen“, sagte Christian Ruthenbeck ins Mikrofon von „HafenstraßenTV“. Es war das letzte live übertragene Heimspiel von RWE am Ende der Regionalliga-Saison, das vorläufige Ende eines Projekts, das mit einigen Rückschlägen begann – und doch ein Erfolg wurde. Und jetzt läuft die Planung für die neue Saison.

Die Corona-Pandemie und die durch die Kontaktbeschränkungen folgenden Zuschauerbeschränkungen und schließlich -ausschlüsse machten es notwendig: Die Fans von RWE konnten in der Saison 20/21 nicht in ihr „Wohnzimmer“ bei RWE – also kam RWE ins Wohnzimmer. Rot-Weiss Essen organisierte gemeinsam mit der Plattform Soccerwatch eine Live-Übertragung aller Essener Heimspiele, so dass trotz Corona jeder RWE-Fan seiner Mannschaft zuschauen konnte.

Rot-Weiss Essen konnte 5000 Dauerkarten verkaufen

Und die Fans schauten zu. 5000 Dauerkarten-Inhaberinnen und Inhaber hatten freien Zugang. Für 9,99 Euro konnten alle, die wollten, ein Tagesticket für ein Spiel buchen. Die meisten Buchungen zählte RWE beim Spitzenspiel gegen die BVB-U23 im März, als etwa 3000 Interessierte zusätzlich zu den Dauerkarten einschalteten. Wobei am Ende wohl deutlich mehr als zuschauten als es Buchungen gab. Ob vor jedem Laptop, Tablet oder Fernseher ein, zwei, drei oder noch mehr Fans saßen, lässt sich nicht prüfen.

Inzwischen ist klar, dass die „Herzensangelegenheit“ Livestream in die Verlängerung geht. Solange die Zuschauerzahl im Stadion massiv beschränkt ist, will Rot-Weiss vorerst weiter einen Livestream anbieten, das kündigte der Vereinsvorsitzende Marcus Uhlig bereits auf der RWE-Mitgliederversammlung an. Vorerst plane man, zum Saisonstart grundsätzlich weiter Spiele zu übertragen, bestätigt auch RWE-Sprecher Niclas Pieper. Wie lange, das ist offen. (Ab einer gewissen Auslastung der Stadion-Kapazität liegen die Rechte an den Bildern auch nicht mehr beim Verein, sondern wieder beim Verband.)

Bewusst nicht-neutrales Kommentatoren-Duo: Christian Ruthenbeck (li.) und Andreas Crom beim RWE-Livestream gegen Lotte.
Bewusst nicht-neutrales Kommentatoren-Duo: Christian Ruthenbeck (li.) und Andreas Crom beim RWE-Livestream gegen Lotte. © RWE / Funke | Screenshot

Bei RWE wird das Projekt als Erfolg verbucht, und wer mal zugeschaut hat, der kann verstehen, dass die Essener damit zufrieden sind. Dieses gute Ende war aber lange nicht abzusehen. Relativ kurzfristig wurde das Livestream-Angebot vor Saisonbeginn an den Start gebracht, in einer aufgrund der unsicheren Corona-Situation „aus der Not“ entstandenen „Hauruck-Aktion“, wie Pieper sagt. Alle Heimspiele live ins Internet zu übertragen – für Viertligisten bis dahin kaum vorstellbar.

Hoher Aufwand, um das Projekt an den Start zu bringen

Der Organisations-Aufwand war anfangs hoch, berichtet Pieper. Neben der Abstimmung mit der Firma Stakemaier, die Bild und Regie verantwortete und der Kooperation mit Soccerwatch mussten zum Beispiel auch alle Dauerkarten-Inhaber mit Zugangscodes ausgestattet werden.

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Keine Überraschung, dass nicht alles klappte und es vor allem bei der Premiere Startschwierigkeiten gab. Der Stream lief nicht, das Bild fiel aus. Grund war die mangelnde Übertragungsgeschwindigkeit im Stadion. RWE besserte nach. Ab dann lief es immer besser, die Spieltagsabläufe wurden von Vereinsseite routinierter, wobei der Aufwand für die direkt Beteiligten natürlich blieb – es steckte weiter viel Herzblut in den Streams. So nutzte Marcus Uhlig regelmäßig den Stream auch für ein kurzes Interview.

Am Ende holten sich andere Vereine Tipps und Ratschläge ab, berichtet Pieper – Komplimente gab es auch für das Kommentatoren-Duo Crom/Ruthenbeck, das bewusst nicht unparteiisch war. So schallte auch mal ein lautes „Schalke null-vier“ aus dem Laptop-Lautsprecher, als RWE an Ostern die Schalker U23 aus dem Stadion schoss.

In der neuen Saison wollen die Rot-Weissen noch einige Punkte verbessern

Auch wirtschaftlich war die Unternehmung für den Verein ein Erfolg. Schon die Möglichkeit, 5000 Dauerkarten zu verkaufen hätte ohne den Livestream nicht bestanden. Dazu kamen die Einzelbuchungen, wobei die Roh-Erlöse natürlich nicht allein bei RWE landeten, sondern auch bei der Produktion und der Plattform oder zum Beispiel auch Zahlungsdienstleister. Zur genauen Aufteilung hält der Verein sich bedeckt.

Für die neue Saison wollen die Verantwortlichen noch einige Details verbessern, die Zeitlupen etwa, um eine noch bessere Übertragung zu bieten.

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„Es hat uns unheimlich viel Spaß gemacht“, sagte Ruthenbeck am Ende des letzten Heimspiel-Livestreams gegen Lotte, Andreas Crom fügte an: „Uns wäre lieber, wir würden uns nicht auf diesem Wege wiedersehen. Vielen Dank fürs Einschalten, danke für eure Treue.“ Das wird es wohl doch geben. Auch wenn die Zeichen der Politik aktuell auf etwas vollere Stadien hindeuten – zumindest in den ersten Wochen und Monaten der Saison wird RWE bei einigen weiter direkt ins Wohnzimmer kommen.