Essen. Pünktlich zum Trainingsstart hat Rot-Weiss Essen noch seinen neuen „Aggressive Leader“ klar gemacht. Der Thüringer schwärmt von der Hafenstraße.

„Servus“ war nicht unbedingt die Begrüßung, die man von jemandem erwartet, der die meiste Zeit seiner 33 Jahre im Freistaat Thüringen verlebt hat, aber man lernt ja nie aus. Die eher bayerische Mundart käme von seinem doch „südländischen Aussehen“, meint Sören Eismann - und kann sich das Grinsen dabei kaum verkneifen. Aber er ist ja auch nicht zum Austausch von Nettigkeiten an die Hafenstraße gewechselt.

„Aggressive Leader“, frei übersetzt mit „Drecksack auf dem Platz“, ist das Paket, was Rot-Weiss Essen glaubt, mit seiner Verpflichtung eingekauft zu haben. Wer in zuletzt 35 Spielen für den Südwest-Regionalligisten TSV Steinbach insgesamt 13 Mal Gelb sieht, ist sicherlich kein Kind von Traurigkeit. Allerdings sah er nicht einmal Gelb-Rot - der defensive Mittelfeldspieler weiß offenbar, wie weit er im Spiel gehen kann, auch ein Zeichen von Professionalismus.

Das „Profitum“ im nominellen Amateurbereich war es letztlich auch, das Eismann, der seine bisherige Fußballerzeit vornehmlich beim FC Carl Zeiss Jena und beim Hallescher FC verbrachte, nun nach Essen verschlagen hat. „Wenn du hier in die Hafenstraße reinfährst, gibt es nichts Vergleichbares in der Regionalliga. Die Bedingungen hier sprechen für sich selbst und sind absolut top, das hat mit Regionalliga wenig zu tun“, meint der Mittelfeldmann. Außerdem sei es für „einen 33-Jährigen, der noch relativ fit ist, noch einmal eine schöne Aufgabe, hier spielen zu dürfen.“

Und dass er dies unbedingt wolle, hat er den Verantwortlichen bei Rot-Weiss wohl auch unmissverständlich klar gemacht. Trainer Christian Neidhart war von seinem Auftreten jedenfalls ziemlich beeindruckt: „Wir hatten noch andere Möglichkeiten, aber er hat uns klar gemacht, dass er unbedingt zu uns will. Solche Typen brauchen wir hier, Sören ist ein absoluter Mentalitätsspieler.“

Freuen sich auf eine erfolgreiche Zeit: RWE-Vorsitzender Marcus Uhlig und Sören Eismann.
Freuen sich auf eine erfolgreiche Zeit: RWE-Vorsitzender Marcus Uhlig und Sören Eismann. © Rot-Weiss Essen

Schon beim ersten Training sah man bei seinen Mannschaftskollegen, dass sie ihm mit Respekt in den Zweikämpfen begegnen, wohl wissend: wo der 82-malige Drittligaakteur auftritt, kann es weh tun. Mit der Einschätzung fühlt er sich ganz treffend wieder gegeben, aber ergänzend fügt er hinzu: „Mit den Jahren ist auch noch ein wenig Spielerfahrung hinzu gekommen, ich habe ein relativ gutes Passspiel. Und in den letzten eineinhalb Jahren habe ich auch noch meinen rechten Schussfuß entdeckt“, kokettiert er ein wenig mit den „sechs Buden“, die er letzte Saison in Steinbach erzielt hat. Für einen Sechser eine ziemlich beachtliche Quote.

Bichler hat ihm von der Hafenstraße vorgeschwärmt

Er sei ein Typ, der ansonsten über die Aggressivität und Mentalität kommt, der versucht, seine Mitspieler auf diesem Wege mitzunehmen. Eigentlich so einer wie der ehemalige Kapitän Marco Kehl-Gomez. Wer letztlich auch ein wenig Überzeugungsarbeit bei Eismann geleistet hatte, war in Steinbach der Ex-Rot-Weisse Florian Bichler, der ihm in höchsten Tönen von der Hafenstraße vorgeschwärmt hatte. Und es bestehe eine fast „eheähnliche Verbindung“ zu Torhüter Rafal Koczor, mit dem er nun acht Jahre lang zusammen spielt. „Darum haben wir auch beide genommen“, rief Trainer Neidhart aus dem Off, der dem Gespräch gelauscht hatte.

Auch den RWE-Coach kenne er nun schon eine Weile. Das kann Neidhart nur bestätigen, aus leidvoller Erfahrung allerdings: Beim Spiel Meppen - Jena 2017 in Liga Drei gab es eine kuriose Szene: Ein Jenaer bleibt im Mittelfeld verletzt liegen, ein Meppener Abwehrspieler hält den Ball am Fuß und zeigt auf den Verletzten, da stibitzt ihm das Schlitzohr die Kugel und netzt unter großem Protest der Meppener humorlos ein zum 1:2-Anschluss. Eiskalt - Eismann, eben. Ein echtes Highlight auf youtube.

Trainer Neidhart hat ihm längst verziehen

Aber Neidhart hat ihm längst verziehen: „Jeder muss an seine Mannschaft denken, und mit diesem letztlich 2:2 am Ende hat Jena danach eine Serie gestartet. Dass das auf unserer Seite natürlich nicht gut aufgestoßen ist, war auch klar, aber dafür hat er ja seine Schelte gekriegt, die Sache ist abgehakt.“

Eine Serie will er nun natürlich auch in Essen starten, das Saisonziel ist ihm wohl bekannt. Aber erst ist der Familienvater mal auf Wohnungssuche, zur Zeit lautet seine Adresse „im Auto 4“. Täglich pendeln will er jedenfalls nicht. „Ich fahre zwar gerne schnell Auto, aber die Distanz nach Thüringen ist dann für mich dann doch zu weit.“ Da war er wieder, der Humor vom Anfang.

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