Kiew. . Nach dem 1:3-Rückschlag im Hinspiel gegen Dynamo Kiew braucht Gladbach ein Wunder, um sich für die Gruppenphase der Champions League zu qualifizieren. Offenbar hat Trainer Favre einen Geheimplan - er wollte fast ausschließlich heimlich trainieren.

Sind das die Vorboten des herannahenden Herbstes? Jedenfalls hatten verdächtig viele Kiewer bereits die Kragen ihrer Jacken hochgeschlagen, die sich am Dienstagabend an der Metrostation Respublikansky Stadion Richtung Untergrund bewegten. Während im Olympiastadion wegen des Abschlusstrainings von Borussia Mönchengladbach das Flutlicht strahlte, war der Himmel über der ukrainischen Hauptstadt dicht bewölkt, die Temperatur abgesackt und weit weg von jenen sommerlichen Tagen, als hier vor zwei Monaten der alte und neue Europameister gekürt wurde.

Wer Taxifahrer oder Kneipengäste befragte, spürte rasch, dass der fußballbegeisterte Teil der ukrainischen Hauptstadt dem Playoff-Rückspiel zur Champions League zwischen dem landesweit verehrten Traditionsverein Dynamo Kiew und dem an Europapokalgeschichten ebenso reichen Bundesligisten (20.45 Uhr/ZDF/Im Live-Ticker bei DerWesten) mehr entgegen fiebert als dem EM-Finale zwischen Spanien und Italien.

Gladbach wollte im Abschlusstraining nur eine Viertelstunde beobachtet werden

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Auch Gladbachs Verteidiger Martin Stranzl, fast vier Jahre bei Spartak Moskau am Ball, kann von der aus Sowjetzeiten stammenden, breiten Sympathie für diesen Klub erzählen. „Wir wissen, dass es gegen diese erfahrene Mannschaft wirklich schwer wird“, beschied der Österreicher. Es war weniger der Inhalt seiner Aussage, der für ein Raunen im Presseraum sorgte, sondern die Tatsache, dass der Österreicher einmal auch in Russisch antwortete. So etwas verschafft Respekt in der Fremde.

Der deutsche Gast will ja heute nicht in Ehrfurcht erstarren. Und interessant allemal, dass die Gladbacher während ihrer finalen Einheit nur eine Viertelstunde beobachtet werden wollten; Trainer Lucien Favre hat offensichtlich doch einen geheimen Plan ausgeheckt, die Überraschung zu vollbringen. „Wir müssen hier morgen drei Tore schießen, das ist klar“, beschied der 54-jährige Schweizer. „Aber alles nach vorne zu werfen, wäre auch nicht schlau. Wir müssen normal spielen und die Balance beibehalten.“

Für Gladbachtrainer Favre wäre die Qualifikation für die Gruppenphase "wie ein Wunder"

Mögen Sportdirektor Max Eberl („Wir versuchen, den Traum noch wahr zu machen“), Präsidiumsmitglied Rainer Bonhof („Im Fußball ist alles möglich“) und Mittelstürmer Mike Hanke („Wir werden volle Pulle nach vorne spielen“) zumindest verbal auf Angriff geschaltet haben, würde sich das konterstarke Dynamo-Ensemble bei dieser Ausrichtung die Hände reiben. Der Taktiktüftler Favre ahnt das: „Klar ist: Wenn man daheim verliert, dann ist es sehr schwer, aber im Fußball und im Leben kann schnell einiges passieren. Wenn wir es schaffen würden, uns für die Gruppenphase zu qualifizieren, wäre das wie ein Wunder.“

Der 1:3-Rückschlag im Borussia-Park von vor acht Tagen nagt noch immer schwer am pedantischen Fußballlehrer, der nichts mehr hasst als strategische Unzulänglichkeiten. Ein Bundesligist, der in der Vorsaison mit seiner flotten Überrumpelungstaktik die nationale Konkurrenz reihenweise aufs Kreuz legte, erhielt im Hinspiel gegen ausgebuffte EM-Stars wie Miguel Veloso (Portugal), Niko Kranjcar (Kroatien) oder Andrej Jarmolenko (Ukraine) eine Lehrstunde in Sachen Effizienz auf internationaler Bühne.

Einnahme-Möglichkeiten für Gladbach in der Champions League deutlich größer

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Und das ist sportlich wie wirtschaftlich schmerzvoll. Denn der Verbleib in der Europa League taugt nur als Trostpflaster. Gerade in der Gruppenphase sind die Unterschiede zur Champions League gewaltig und schrumpfen die Verdienstmöglichkeiten auf rund ein Fünftel. Die Geldvermehrungsmaschinerie Königsklasse lockt mit einem Startgeld von 8,6 Millionen Euro (Europa League: 1,3 Millionen), einer Siegprämie von einer Million (Europa League: 200 000) pro Spiel, und respektive dem Zufluss aus dem Marketingpool beschert der eine Wettbewerb selbst bei einem frühen Ausscheiden eine Garantieeinnahme von rund 15 Millionen, während im Ableger schon das Viertelfinale erreicht werden muss, um nur die Hälfte einzusacken.

Sportchef Eberl hat deshalb zuletzt beteuert, dass das Erreichen der Champions-League-Gruppenphase kein Muss sei. „Kiew kann problemlos 30 Millionen Euro im Jahr für Transfers ausgeben, wir haben das jetzt einmal getan.“ Genauso rar wie Gladbacher Großinvestitionen sind auch Fußball-Wunder.