Berlin. Jubel auf der einen Seite, Trauer auf der anderen Seite: Hört er auf oder geht er? Mit dem Ende der Fußball-Europameisterschaft beginnen die Diskussionen um die Nationaltrainer. Einige Fragen sind geklärt, andere werden heiß diskutiert. Wie auch in Deutschland.
Das Lob von Wolfgang Niersbach für Bundestrainer Joachim Löw nach dem EM-Aus ließ nicht lange auf sich warten. "Jogi, du hast einen Klassejob gemacht. Wir sind unheimlich froh, dich als Bundestrainer zu haben", sagte der DFB-Präsident. Er lobt mit gutem Grund, muss der 61-Jährige doch nach einem Turnier, das wiederum ohne Titel beendet wurde, zahlreiche Kritiker, die sich nun aus der Deckung wagen, fürchten.
Löw war nach der Niederlage im Halbfinale gegen Italien für seine Änderungen in der Mannschaftsaufstellung teils heftig kritisiert worden. "Dieses Spiel hat Löw mit verloren", sagte Thomas Berthold, Weltmeister von 1990. "Jogi hat sich gnadenlos verzockt", schrieb die "Bild"-Zeitung. Trotz eines begeisternden Offensivfußballs in den vergangenen Jahren wachsen die Zweifel an Löw. Die Zuversicht schwindet, mit dem "Liebling der Massen" wieder einen Titel nach Deutschland zu holen.
Für Löw haben lediglich "Kleinigkeiten gefehlt". Die nächste Zeit will er ein "bisschen Abstand" gewinnen und "sehen, was für neue Reize und was für Möglichkeiten da sind". Sein Vertrag läuft noch bis zur WM 2014 in Brasilien. Der Verband steht hinter Löw, kaum denkbar, dass er trotz des enttäuschenden Abschneidens bei der EM vorher hinschmeißt und sein bisher so anschauliches Werk ohne Titel beendet.
Franzose Blanc tritt zurück, Italiens Prandelli zweifelt an gemeinsamer Zukunft
In Frankreich blieb nach einer desolaten WM 2010 in Südafrika die erhoffte Wende unter Trainer Laurent Blanc aus. Nach einem emotionslosen und spielerisch bescheidenen Auftritt bekam das ohnehin schon arg ramponierte Image des Teams durch den skandalösen Pöbel-Auftritt von Samir Nasri nach dem Viertelfinal-Aus gegen Spanien weitere Kratzer. Am Samstag verkündete der französische Verband, dass Blanc seinen Vertrag nicht verlängern wird. Während Didier Deschamps, derzeit noch Coach von Olympique Marseille, nun als erster Anwärter für den Posten in der Nationalmannschaft gilt, wird Blanc mit zahlreichen Klubs in Europa in Verbindung gebracht, heißester Kandidat ist dabei Tottenham Hotspur.
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Und Italien? Alles müsste doch "bella" sein rund um das Team von Trainer Cesare Prandelli. Das Finale erreicht und das mit überzeugenden Vorstellungen und gänzlich ohne Catenaccio. Doch Prandelli zweifelt. "Die vergangenen zwei Monate waren hart, und mir hat die Lebensqualität gefehlt. Ich bin längst nicht so souverän, wie es oft den Anschein hat", sagte der 54-Jährige, der noch bis Sommer 2014 mit einem Vertrag ausgestattet ist. Prandelli kritisiert vor allem die Zusammenarbeit zwischen der Liga und der Nationalelf.
In Polen und Holland haben die Diskussionen um die Nachfolge längst begonnen
Sorgen dieser Art sind für andere Nationen längst passé. In Polen hat Trainer Franciszek Smuda bereits nach dem Vorrunden-Aus das Handtuch geworfen, gleiches gilt für Bert van Marwijk bei den Niederländern. Hier geht es längst um die Spekulationen über einen Nachfolger. In Russland und Kroatien war der Abschied von Dick Advocaat und Slaven Bilic bereits vor dem Turnier beschlossene Sache.
Und die anderen? Sitzen ohne Diskussion fest im Sattel wie Paulo Bento bei Portugal oder auch Griechenlands Portugiese Fernando Santos trotz des Ausscheidens im Viertelfinale gegen Deutschland. Andere Länder, andere Ansprüche. Und einer ist ohnehin über jeden Zweifel erhaben: Spaniens Vicente del Bosque. Zumindest bis zu den nächsten Diskussionen zur WM in Brasilien. (dapd)