Kiew. Deutschland steht nicht ganz allein da. Denn auch für Spanien war die “Squadra Azzurra“ so etwas wie ein Angstgegner. Bei der EM 2008 gelang dann die Wende - auch wenn diese damals im Viertelfinale gegen Italien erst ein Elfmeterschießen einleitete.

Es ist alles angerichtet in Kiew. Nach 30 Spielen mit 72 Toren folgt die Entscheidung, der Titelverteidiger und Weltmeister Spanien trifft im Endspiel der 14. Fußball-Europameisterschaft auf den viermaligen Weltmeister Italien. Iker Casillas, der Torwart und Kapitän der Spanier, blickte vor der dritten Finalteilnahme seiner Mannschaft innerhalb von vier Jahren noch einmal zurück auf die EM 2008. „Die Erinnerung an 2008 wird eines Tages noch größer sein als der Gewinn der WM 2010“, sagte der 31-Jährige.

In Wien ging für die Spanier gegen Deutschland (1:0) eine 44 Jahre lange titellose Zeit zu Ende. In Kiew kann die Mannschaft nun eine Marke setzen: Drei große Titel in Folge, den Titel-Hattrick, hat noch kein Team errungen. „Wir können erreichen, was noch nie eine Mannschaft geschafft hat. Das wäre großartig für den spanischen Fußball und unser Land“, sagte Spaniens Erfolgstrainer Vicente del Bosque.

Die Italiener haben eine andere Geschichte, sie waren zu allen Zeiten gut und erfolgreich. Dass sie erstmals seit 2000, als sie durch ein Golden Goal gegen Frankreich in Rotterdam verloren, wieder das EM-Endspiel erreicht haben, ist eine große Genugtuung für die „Squadra Azzurra“. Der italienische Fußball, erschüttert von einem Wett- und Manipulationsskandal, hat sich wie 2006 beim WM-Triumph wieder durch sportliche Topleistungen aus dem Sumpf gezogen. Den Spielern geht es auch darum, die Ehre der Nation zu retten, was schon allein daran zu erkennen ist, mit welcher Inbrunst sie ihre Nationalhymne schmettern. Wenn zwei Jahre nach der Blamage bei der WM in Südafrika mit dem sieglosen Scheitern nach der Vorrunde die Herrschaft der Spanier gebrochen werden kann, wäre dies ein Erfolg wie der WM-Gewinn 2006.

„Halbfinale war nur der Anfang eines Traums"

Doch auch nach dem 2:1 im Halbfinale gegen Deutschland stellen sich die Italiener hinten an. Nationaltrainer Cesare Prandelli sagte, der Titelverteidiger wäre der Favorit. Aber er schürt auch die Hoffnung. „Das Halbfinale war nur der Anfang eines Traumes. Wir werden die Herausforderung annehmen und Spanien einen großen Kampf bieten.“ Schon beim 1:1 im ersten Gruppenspiel in Danzig vor genau drei Wochen hinterließen die „Azzurri“ einen ausgezeichneten Eindruck und deuteten an, dass sie bei dem Turnier noch länger mitreden wollten. Dies war zuvor keineswegs eine eindeutige Erwartung, selbst nicht in „Bella Italia“, nicht nur wegen des Wettskandals, der in das Team direkt hineinwirkte, sondern weil die Mannschaft von Prandelli wegen eines personellen Umbruchs als noch nicht gefestigt betrachtet wurde.

So hätte Spanien daran mitwirken können, Italien bereits in der Vorrunde zu eliminieren. Ein 2:2 (statt des mühsamen 1:0) zwischen Spanien und Kroatien hätte ausgereicht, um den großen Rivalen auf die Heimreise zu schicken. Doch ein „biscotto“, wie eine derartige Verschwörung in Italien genannt wird, ist del Bosque und seinen Spielern nicht in den Sinn gekommen. So lautet nun das Motto für das Finale einer Europameisterschaft, der der ganz große Glanz bisher fehlte: historisches spanisches Triple oder doch die Wiederholung des italienischen Sommermärchens von 2006?

Wenn nur Elfmeter helfen

Für die Spanier ist die Geschichte der Spiele gegen Italien ähnlich unangenehm wie für die Deutschen. Auch für sie sind die Italiener ein Angstgegner, auch ihre Bilanz ist sehr schlecht. Wenn man es genau nimmt, haben auch die Spanier seit 1920 noch keines der zehn Turnierspiele gewonnen. Allerdings gab es bei der EM 2008 im Viertelfinale einen Sieg im Elfmeterschießen (4:2, Casillas hielt zwei, Buffon einen) nach einem 0:0, was aber von den Verbänden in den Statistiken als ein Remis gewertet wird. Fünf Niederlagen, fünf Unentschieden hat Spanien also bei Wettbewerbsspielen gegen Italien in der Bilanz stehen.

Doch dieses gewonnene Elfmeterschießen bedeutete für Spaniens Fußballgeschichte den Wendepunkt, denn vorher hatten die Spanier drei Elfmeterschießen in Folge verloren: Gegen Belgien bei der WM 1986, gegen England bei der EM 1996 und gegen Südkorea bei der WM 2002. Mit dem Erfolg wurde ein Knoten gelöst, danach begannen die Spanier mit Siegen gegen Russland und Deutschland ihren Ruhm der Vereinsmannschaften auf das Nationalteam zu übertragen. Aber es bleibt auch dabei, dass die Spanier die Italiener noch nicht bei wichtigen Spielen über 90 oder 120 Minuten besiegt haben. (dapd)