Düsseldorf. . Nach dem EM-Aus gegen Italien gerät Bundestrainer Joachim Löw immer weiter ins Feuer der Kritik. Bundesliga-Trainer Felix Magath und Ex-Nationalspieler Michael Ballack werfen dem Bundestrainer mangelnde Zielstrebigkeit und taktische Fehler vor. Eins habe er völlig vergessen: den Kampfgeist.

Joachim Löw wusste, was nach dem enttäuschenden Halbfinal-Aus Deutschlands bei der Fußball-EM auf ihn zukommen würde: Bohrende Fragen und deutliche Kritik, auch, dass es nach der 1:2-Pleite gegen Italien schmerzhaft werden kann. "Ich bin doch sowieso angreifbar. Egal, was ich mache. Aber das ist eben so, damit muss ich leben: Trainer machen nun mal auch Fehler", sagte er zu Wochenbeginn, als er zu seiner Risikofreude mit den Personalwechseln beim 4:2 gegen Griechenland befragt wurde.

Angegriffen wurde der 52-Jährige nun von Felix Magath und Michael Ballack. Der Wolfsburger Bundesliga-Coach und der einstige Kapitän der Nationalelf warfen dem Bundestrainer in ihrer Analyse des Turniers vor, zu sehr auf ein gutes Betriebs- und zu wenig auf ein Reizklima gesetzt, taktische Fehler gemacht und über die spielerischen Elemente den Kampfgeist vergessen zu haben.

Bundesliga-Trainer Felix Magath vermisste bei EM den nötigen Kampfgeist

"Löw hat in den vergangenen Jahren auf einen intakten Mannschaftsgeist gesetzt. Andererseits hat er vernachlässigt, den Kampfgeist zu schulen", schreibt Magath in einer Kolumne für das "Hamburger Abendblatt" (Samstagausgabe). Die Italiener hätten es vorgemacht, wie man in einem EM-Halbfinale aufzutreten habe: "Zielstrebig, gierig und körperbetont - und nicht nahezu körperlos wie unsere Elf."

Die Ursache der zum Teil "blutleeren Vorstellung" liegt für Magath auch am Viertelfinale gegen Griechenland: "Dieser 4:2-Sieg ist überbewertet worden." Eigentlich wäre das Halbfinale zwischen Deutschland und Italien schon vor dem Anpfiff entschieden gewesen. "Wer sah, wie inbrünstig die Italiener ihre Hymne sangen, ja schrien, der konnte den Willen ahnen, mit denen sie die folgenden 95 Minuten angehen würden", sagte Magath. Diesen habe er beim deutschen Team vermisst.

Für Ex-Nationalspieler Michael Ballack ist diese EM nicht schönzureden

Ballack, dessen Verhältnis zu Löw nach dem unwürdigen Abgang auf Raten abgekühlt ist, bemängelte in der "Hamburger Morgenpost" (Samstagausgabe) das Fehlen der "Typen" und verwies darauf, dass die Spieler nicht die volle Überzeugung besessen hätten, das Ziel zu erreichen. Er widerspricht Löw, dieses Turnier als positiv zu betrachten. "Man darf sich die EM jetzt nicht schönreden. Die Spieler haben vom Titel geredet. Und sie hatten die Qualität dafür. Aber sie haben nicht genug daran geglaubt", schreibt der 98-malige Nationalspieler.

Kritik einstecken muss Löw also wegen seiner Rotation der Spieler und der mangelnden Leidenschaft. Der Bundestrainer habe in Lukas Podolski, Mario Gomez und Toni Kroos gegen Italien gleich drei Spieler in die Startelf eingewechselt, die nicht gerade robustes Zweikampfverhalten auszeichnet, behauptet Magath.

Trotz aller Kritik ist zukünftig kein Wandel bei Bundestrainer Joachim Löw zu erwarten

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Auch Oliver Kahn vermisst die früher typisch deutschen Tugenden. "Was ich in den letzten Jahren beobachtet habe, ist so ein bisschen das Verleugnen ganz wichtiger, ganz zentraler Tugenden und Werte, die den deutschen Fußball früher ausgemacht haben - Grundeinstellungen wie Zweikampfhärte, Wille, Leidenschaft, Einsatz", sagte der frühere Nationaltorhüter im ZDF. Seit 2006 würde im deutschen Fußball so getan, als könne alles immer leicht und spielerisch gelöst werden. Nach Ansicht von Kahn hat keiner im Team die Zügel in die Hand genommen. "Es ist oft von den flachen Hierarchien im deutschen Fußball die Rede. Der Nachteil dabei ist, dass die Spieler nicht zur Verantwortung erzogen werden. Und genau das hat in diesem Spiel letztlich gefehlt."

Dass Löw, der nach seinen schwerwiegenden taktischen Fehlern die Verantwortung für das Aus übernommen hat, seinen Kurs umstellt, ist unvorstellbar. Sein Konzept sei das richtige, betonte er am Freitag. Die Mannschaft habe seit 2006 international aufgeholt. "Bei Spielen von zwei nahezu gleichwertigen Mannschaften gewinnt eben immer jene, die mehr Einsatz zeigt, die aggressiver in die Zweikämpfe geht, nicht die, die den schöneren Fußball zelebriert", schrieb Magath. Die Siegermentalität, die Körpersprache eines Mario Balotelli, der nur den Torerfolg im Sinn hat, habe gefehlt.

Magath hält den Weltmeistertitel 2014 für durchaus realisierbar

Ballack kritisierte das Angebot des angeschlagenen Führungsspielers Bastian Schweinsteiger, sich auch auf die Bank zu setzen, als falsches, weil zögerliches Signal. Der Italiener Andrea Pirlo habe andererseits vor dem Spiel gesagt, "die Deutschen haben Angst vor uns". Damit habe er nur provozieren wollen, erklärte Ballack.

Magath empfiehlt dem Bundestrainer, zukünftig den "Kampfgeist" zu schulen. "Ziehen wir jetzt die richtigen Schlüsse, können wir 2014 Weltmeister werden", schrieb der Wolfsburger Coach und schloss seine Kolumne mit einem kleinen Seitenhieb: "Wenn wir nicht auf die Italiener treffen." (dapd)