Müller macht sich in der Nationalmannschaft unverzichtbar
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Glasgow. Beim 3:2-Sieg der Nationalelf gegen Schottland konnte Thomas Müller zwei Tore und einen Assist verbuchen. Auch bei den Bayern nimmt der Stürmer mittlerweile eine Sonderrolle ein.
Thomas Müller hat ein Problem. Wenn der Münchner spricht, erwartet man immer, dass er lustig ist. Dass er einen raushaut, seinen Worten genüsslich hinterherschaut, weil er weiß, dass Journalisten seine Witze lieben. Müller bedient gern die Idee, die man von ihm hat. Da ist er berechenbar.
Aber nach dem beschwerlicher als gedacht errungenen 3:2 der deutschen Nationalmannschaft gegen Schottland am Montagabend in der EM-Qualifikation, zeigte er mal wieder, dass die Formel, anhand derer man Thomas Müller berechnen könnte, erst noch gefunden werden muss. Müller hatte zwei eigene Treffer und eine Vorlage auf Ilkay Gündogan zum Sieg beigesteuert. Aber den müllerischen Witz präsentierte er ernst einmal nicht. Der 25-Jährige stellte sich da in die Tiefgarage des Glasgower Hampden Park mit ernstem Blick und analysierte: „Ich fand’s eigentlich ganz gut von uns. Aber dann stand es plötzlich 2:2“, sagte der Angreifer. Die Schotten hatten dank zweier seltener Slapstick-Einlagen des weltbesten Torhüters Manuel Neuer getroffen. Eigentlich ja wie bestellt für einen Quatschmacher wie Müller, der aber sprach nur von „blöden Situationen“. Entscheidend sei gewesen, „dass wir die Ruhe nicht verloren haben. Deshalb haben wir verdient gewonnen und ein sehr souveränes Spiel gemacht.“
DFB-Team ohne verpasste EM
Souveränes Spiel? Na ja, dachte man sich. Wenn es bis zum Ende gegen ziemlich unterklassige Schotten spannend bleibt, kann davon eigentlich keine Rede sein. Und das entspricht der gängigen, humorlosen Haltung gegenüber dem DFB-Team. Wie bei Müller erwartet die Öffentlichkeit von der Nationalmannschaft stets große Unterhaltung – besonders, seit sie Weltmeister ist. Wird diese aber nicht in opulenter Fülle geliefert, ist man enttäuscht und mosert. Meistens tragen das dann TV-Experten vor, die sich auch gern mal wieder profilieren möchten.
Dabei gibt es doch eigentlich nichts zu meckern. Die deutsche Nationalelf steht dank der beiden Siege gegen Polen und Schottland vor dem Erreichen der EM-Endrunde in Frankreich im kommenden Sommer – als Tabellenerster in Gruppe D mit vier Punkten Vorsprung auf Rang drei. Sie wird, bei noch zwei zu spielenden Partien gegen Irland und Georgien, sehr wahrscheinlich zum zwölften Mal bei einer EM dabei sein. Das wäre Rekord. Kein einziges Mal hätte Deutschland das Turnier verpasst. Und wer denkt, das sei selbstverständlich – zumal auch das Teilnehmerfeld auf 24 erhöht wurde –, der darf gern mal in den Niederlanden nachfragen.
Löw schwärmt von Müller
Löw jedenfalls war zufrieden: „Ich bin stolz darauf, dass wir einen weiteren Schritt Richtung Frankreich gemacht haben“, sagte der 55-Jährige. Müllers Fazit lautete schlicht: „Wir haben umgesetzt, was wir uns vorgenommen hatten.“
Will man erklären, warum Löws Team sich beim Erreichen der eigenen Ziele einfach keine Blöße gibt, selbst dann nicht, wenn nach dem WM-Triumph eine Zeit lang die Luft raus ist, dann landet man schnell bei Thomas Müller. Denn dieser Müller spielt ja nie richtig schlecht. Kann sein, dass ihm mal ein paar Sachen misslingen. Das war auch gegen Polen und Schottland so. Aber er schießt trotzdem seine Tore – und gern in einer Art, die man nicht berechnen kann. Auch bei ihm sieht das ja manchmal wie Slapstick aus. „Thomas hat einfach ein wahnsinniges Gefühl für Situationen, für Räume“, schwärmte Löw. „Er hat im Blut, wo der Ball hinkommt. Er riecht das. Und das ist für uns Gold wert.“ Tore in der Nase also. Auch von ganz oben gab es Lob: „Thomas ist einfach etwas Besonderes“, sagte DFB-Präsident Wolfgang Niersbach.
Beim FC Bayern Anführer und Identifikationsfigur
Müller hat in seinen 65 Länderspielen auch eine besondere Quote von 30 Toren. In der aktuellen EM-Qualifikation erzielte er bereits acht, davon sechs in den vergangenen vier Partien. Das sei doch stattlich, oder nicht, wurde Müller gefragt. „Joah“, antwortete er. „Das nehme ich so zu Kenntnis.“
Für das DFB-Team ist Müller in der Zeit des nicht ganz einfachen Übergangs vom WM-Titel zum EM-Turnier besonders wichtig, weil er verlässlich ist. Aber auch bei seinem Klub FC Bayern, wo er sich in der vergangenen Saison öfter über Auswechselungen durch Trainer Pep Guardiola ärgerte, hat sich diesbezüglich etwas getan. Manchester United soll im Sommer bis zu 100 Millionen Euro für den gebürtigen Bayer geboten haben. Er wäre damit der teuerste Spieler aller Zeiten gewesen. „Wenn ich Bankdirektor wäre, hätten wir das machen müssen“, sagte Münchens Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge kürzlich der Süddeutschen Zeitung, hatte Müller aber trotzdem für unverkäuflich erklärt. Denn: Müller ist für den FC Bayern ebenfalls nicht mehr zu ersetzen. Seine Rolle hat sich dort von einem herausragenden Spieler zu einem identitätsstiftenden Anführer weiterentwickelt. „Er übernimmt jetzt noch mehr Verantwortung“, sagte Bayerns Sportvorstand Matthias Sammer neulich. Seit Bastian Schweinsteiger den Klub verlassen hat, sorgt man sich beim FC Bayern ja um die bayrische Identität. Müller steht für sie. Und er trifft: In den ersten drei Partien der neuen Bundesligasaison schon fünf Mal.
DFB-Team besiegt Schottland 3:2
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Im DFB-Team hat Müller nun in beiden Partien vier Tore gegen die Schotten erzielt. Die liegen ihm wohl, wurde Müller zum Abschluss gefragt. Und diesmal enttäuschte er die Erwartungen nicht: „Ja“, sagte er und grinste. „Vielleicht sollten wir die Schotten mit zur EM nehmen.“
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