Dortmund. Henrikh Mkhitaryan ist Fußballer mit Leib und Seele. Borussia Dortmunds Mittelfeldspieler spricht im Interview über das Derby und die Krim-Krise, über Stuttgart und Real und den Druck, den er sich beim BVB nicht mehr macht. Er liebt seinen Beruf, aber: Er hat auch einen Plan B.
Es kann eine Menge Fußball hineinpassen in das Leben eines gerade 25-Jährigen. Henrikh Mkhitaryan hat in Armenien mit Pjunik Jerewan vier Meisterschaften gewonnen, mit Schachtar Donezk in der Ukraine drei. Schon sein früh verstorbener Vater war Fußballer, die Mutter arbeitet für den armenischen Fußballverband, die Schwester bei Europas Fußball-Union für Präsident Michel Platini. Deshalb wird der mit 27,5 Millionen Euro Ablösesumme teuerste Spieler in Borussia Dortmunds Geschichte in diesem Gespräch sagen, sein ganzes Leben sei der Fußball. Aber so ist es nicht.
Wie oft sind Sie noch in Armenien, Herr Mkhitaryan?
Henrikh Mkhitaryan: Vielleicht zwei Mal im Jahr in den Ferien. Und manchmal, wenn ich für das Nationalteam spiele.
Wenn Sie zurückkehren, fühlen Sie sich dann ein bisschen, wie sich Franz Beckenbauer in Deutschland fühlen muss? Jeder erkennt Sie, den viermaligen Fußballer des Jahres in Armenien, den Spieler, der schon 2007 in der Nationalmannschaft debütierte?
Mkhitaryan: Das kann ich nicht sagen. Aber wenn ich ausgehe, erkennen mich schon viele Leute.
Ist das ein schöner Teil des Fußballs, berühmt zu sein?
Mkhitaryan: Ich spiele nicht Fußball, um berühmt zu sein. Ich spiele Fußball, um mein Leben zu genießen.
Welche Bedeutung hat der Fußball für Ihr Leben?
Mkhitaryan: Er ist mein ganzes Leben. Ich kann mir mein Leben nicht ohne den Fußball vorstellen.
Hat Ihr Blick auf den Fußball sich denn über die Jahre hinweg, vom Kicken in der Kindheit hin zum Profi, der sein Geld mit Fußball verdient, verändert?
Mkhitaryan: Ja. Als ich jung war, dachte ich, Fußballer zu sein, das ist etwas sehr Leichtes: Du musst nur rennen und den Ball kicken. Aber als ich älter wurde, habe ich verstanden, dass Fußball viele Qualitäten benötigt. Du musst auf dem Platz denken können, du musst den Kopf dazu haben.
Sie haben gerade das Revierderby mit Dortmund gegen Schalke gespielt. Denken Sie nicht manchmal: Fußball ist zu groß, verdrängt zu viel? Es gibt die Krim-Krise, und jeder spricht über das Derby. . .
Mkhitaryan: Wenn ein gutes Spiel vorbei ist, sprechen die Menschen über den Fußball. Und das hilft ihnen zum Beispiel, eine Krise zu vergessen oder irgendetwas anderes, was sie belastet. Ich denke, der Fußball ist eine große Hilfe für Menschen.
Sie haben vier Jahre lang in der Ukraine gespielt. Haben Sie dort noch Freunde?
Mkhitaryan: Ich habe noch viele Freunde dort und Kontakt mit Spielern, Trainern. Darüber bin ich glücklich. Wir sprechen über Spiele, über ihre, meine…
Sie sprechen nur über Fußball?
Mkhitaryan: Ich spreche nicht über Politik. Das ist nicht mein Job. Aber ich möchte sagen: Ich hoffe wirklich, dass die Dinge gut werden in der Ukraine.
Mkhitaryan zwischen Studium und Fußball - Real vor der Brust
Aber Sie sind doch nicht nur ein außergewöhnlicher Fußballer, Sie haben auch eine außergewöhnliche persönliche Geschichte. Ist es zum Beispiel richtig, dass Sie neben dem Fußball Wirtschaftswissenschaften studieren?
Mkhitaryan: Ich kann während der Vorlesungen nicht anwesend sein. Aber wenn ich in Armenien bin, dann bereite ich mich vor, für die Examen.
Und ist es auch richtig, dass Sie Anwalt werden möchten?
Mkhitaryan: Sag niemals nie. Aber ich weiß noch nicht, was nach meiner Fußballerkarriere passieren wird. Wirtschaftswissenschaften? Anwalt? Vielleicht habe ich dann die Wahl.
Das klingt so, als würden Sie sich nie erlauben, einen Tag etwas gemütlicher anzugehen. Wir führen dieses Gespräch auf Englisch. Wir könnten es aber auch auf Russisch führen oder auf Französisch, auf Portugiesisch, natürlich auf Armenisch. Nur der Journalist stößt an seine Grenzen. . .
Auch interessant
Mkhitaryan: Wir könnten es aber schon versuchen… – Nein, im Ernst, bevor ich hierher nach Dortmund kam, war ich immer sehr konzentriert, sehr angespannt. Ich habe mich jetzt ein wenig geändert. Ich versuche, ein bisschen mehr zu relaxen, loszulassen, auch, nicht ständig über Fußball nachzudenken. In den ersten sechs Monaten bei der Borussia habe ich das getan. Und das hat mich sehr unter Druck gesetzt.
Sie sind also nicht angenervt, wenn man Sie nach Ihrem Leben außerhalb des Fußballs fragt und nicht so oft wie viele Ihrer Kollegen nach tollen Pässen, wunderbaren Toren? Oder einfach: Wie haben Sie das Spiel gesehen, Herr Mkhitaryan?
Mkhitaryan: Nein. Manchmal, wenn man zu viel über Fußball spricht, ist das ja auch langweilig. Und es kann interessant sein, in einem Gespräch zu erfahren: Wie schauen andere Menschen auf dein Leben?
Wir müssen aber jetzt wieder ein bisschen über Fußball reden. Sind Sie nun, nach der Eingewöhnungsphase beim BVB, auf dem Niveau, das Sie erreichen wollten?
Mkhitaryan: Mit diesem Team, mit dem Cheftrainer Jürgen Klopp, mit dem Trainerteam und all den Menschen, die für Borussia Dortmund arbeiten, ist es so: Ich kann besser und besser werden. Und ich möchte besser und besser werden, um dem BVB dabei zu helfen, besser und besser zu werden.
Die Meisterschaft haben aber die Münchner Bayern schon gewonnen. Mögen Sie deren Art des Fußballs? Ballbesitz. Immer.
Mkhitaryan: Ich möchte nur über den Stil meiner Mannschaft nachdenken. Für die Bayern ist es großartig. Aber ich mag es, wie wir spielen.
Der BVB tritt Samstag in der Bundesliga beim VfB Stuttgart an, in der kommenden Woche dann in der Champions League bei einem größeren Kaliber, bei Real Madrid. . .
Auch interessant
Mkhitaryan: Gegen Stuttgart wird es sicher hart für uns. Wir brauchen aus jedem Spiel in der Bundesliga drei Punkte. Gegen Real Madrid werden uns aber nicht nur unsere verletzten Spieler fehlen, sondern auch Robert Lewandowski (Gelbsperre). Aber das ist Fußball. Du musst dennoch auf dieses Spiel fokussiert sein, weil Real Madrid eine der besten Mannschaften der Welt hat in diesem Jahr. Sehr, sehr stark. Aber wir vergessen auch nicht, dass im Viertelfinale kein schlechtes Team steht und wir dazu gehören. Alle sind auf dem gleichen Level. Alle Teams haben die Chance, in das Halbfinale zu kommen.