Essen. Dem FC Bayern gelingt ein Transfercoup, Dortmund greift im Regal darunter zu. Das zeigt die Machtverhältnisse in der Liga.
Ein Foto aus der Berliner Charité machte am Dienstag die Runde: Isco, fünfmaliger Champions-League-Sieger mit Real Madrid, betrat das traditionsreiche Krankenhaus. Der 30 Jahre alte Spanier absolvierte dort einen Medizincheck und sollte danach einen Vertrag beim Fußball-Bundesligisten Union Berlin unterschreiben. Isco, dieser Name klingt nach großem Fußball, nach Glamour, nach Blitzlichtgewitter. Jetzt stand er vor dem Engagement bei einem Klub, der bis 2019 noch in der 2. Bundesliga spielte. Es war so, als ob Brad Pitt nach Essen-Bergeborbeck ziehen würde.
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Doch der Transfer platzte. „Wir hätten Isco gerne bei uns gesehen, aber wir haben unsere Grenzen. Diese wurden heute entgegen der vorherigen Vereinbarung überschritten, deshalb kommt der Transfer nicht zustande“, sagte Union-Geschäftsführer Oliver Ruhnert. Allein dass er mit dem vereinslosen Isco am Verhandlungstisch saß, verdeutlicht aber noch einmal, wie sehr die Kräfteverhältnisse in Deutschlands höchster Spielklasse auf den Kopf gestellt worden sind. Vor nicht allzu langer Zeit hätte einer wie Isco nicht mit Union Berlin verhandelt, sondern vielleicht mit Werder Bremen. Oder mit Schalke 04.
Stars zum S04? Undenkbar
Jetzt aber hat das angeschlagene Schalke Probleme, überhaupt genügend qualifiziertes Personal zu finden. Sechs Spieler hat der Verein in diesem Winter ausgeliehen. Am Dienstag kam noch Éder Balanta. Der 29-jährige Kolumbianer spielte zuletzt beim FC Brügge und soll nun das defensive Mittelfeld der Schalker verstärken. Die Zeit ausufernder Gehälter ist in Gelsenkirchen vorbei, und nur aufgrund der Bedeutung des Vereins zieht sich niemand das königsblaue Trikot über. 2010 wechselte Raúl von Real Madrid nach Gelsenkirchen.
Derzeit undenkbar.
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Schalke versucht viel mehr, sich irgendwie gegen den drohenden Abstieg zu stemmen. Union Berlin jagt hingegen, ja wirklich, den FC Bayern. Die Mannschaft von Trainer Urs Fischer überrascht als Zweiter, nur ein Punkt beträgt der Rückstand auf den Tabellenführer aus München. Die Liga fühlt sich spannend an wie lange nicht. RB Leipzig hat als Dritter mit 35 Punkten nur zwei weniger als der FC Bayern, Borussia Dortmund und der SC Freiburg haben 34 Zähler.
Bevor aber vorschnell eine Revolution an der Spitze erwartet wird, sollte ein weiterer Transfer in diesem Winter betrachtet werden. Die Bayern haben mitten in ihrer Schwächephase João Cancelo von Manchester City ausgeliehen. Der 28-Jährige gilt als herausragender Außenverteidiger, die Bayern sollen mit Manchester eine Kaufoption in Höhe von rund 70 Millionen Euro vereinbart haben. Der Rekordmeister bleibt die einzige Adresse in Deutschland, zu der es europäische Topspieler zieht. Im vergangenen Sommer kamen Sadio Mané vom FC Liverpool und Matthijs de Ligt von Juventus Turin.
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Die Stars schauen dabei erstens auf ihr Gehalt, nur in München können sie um die 20 Millionen Euro im Jahr verdienen. Zweitens haben sie dort die Chance, die Champions League zu gewinnen; kein anderer deutscher Verein bietet realistischerweise diese Möglichkeit.
Auch nicht Borussia Dortmund, die zweite Macht in Deutschland, die sich derzeit eher gegen die aufkommenden Leipziger behaupten muss, als Bayern zu gefährden. 2013 verloren die Schwarz-Gelben das Finale der Königsklasse in Wembley gegen München mit 1:2. Damals schien es so, als könnte die Borussia am Status der deutschen Übermacht kratzen.
Derzeit, genau, undenkbar.
Der Vizemeister hat in diesem Winter Außenverteidiger Julian Ryerson für fünf Millionen Euro von Union Berlin geholt, was zeigt, dass Dortmund natürlich weiterhin mehr Anziehungskraft ausübt als die Berliner. Und gleichzeitig verdeutlicht, dass der BVB für die Außenbahn in Ryerson keinen Spieler holen kann, der über Klasse eines Außenverteidigers wie Cancelo verfügt. Zusätzlich ist Borussia Dortmund eine weitere Wette auf die Zukunft eingegangen. Julien Duranville, 16 Jahre jung, wurde für acht Millionen Euro vom RSC Anderlecht gekauft.
BVB muss auf die Karte Talente setzen
Anders könne man hochveranlagte Fußballer gar nicht ins Ruhrgebiet locken, hört man aus dem Klub. In einem Alter von 19 oder 20 Jahren seien diese bereits zu teuer. Deswegen müsse man Spieler früher unter Vertrag nehmen und hoffen, dass sie sich ähnlich entwickeln wie etwa Jude Bellingham, für den der BVB im Jahr 2020 in einem Alter von 17 Jahren bereits 20 Millionen Euro gezahlt hatte.
Bislang funktioniert dieses Dortmunder Geschäftsmodell mit Ausschlägen nach oben und nach unten. Den FC Bayern dauerhaft zu bedrohen, ist in dieser Art und Weise jedoch fast unmöglich.
Schalke hätte die BVB-Probleme gerne
Schalke aber hätte die Probleme von Borussia Dortmund überhaupt erst einmal gerne. Genauso Hertha BSC, der vermeintliche Big-City-Club, der durch die Millionen des Investors Lars Windhorst hoch hinauswollte und jetzt im Abstiegskampf ebenfalls kaum Spieler findet. Andere Vereine haben sich zu den gehobeneren Adressen in Deutschland entwickelt. Eintracht Frankfurt, am Dienstag verpflichtete der Europa-League-Sieger Philipp Max von der PSV Eindhoven.
Union Berlin könnte sich erstmals für die Champions League qualifizieren, Schritt für Schritt haben sich die Köpenicker nach oben gearbeitet, mittlerweile können sie höhere Gehälter zahlen als viele Konkurrenten. Ein Champions-League-Salär wollten sie Isco aber nun nicht zahlen.