Dortmund. Die Super-League-Pläne stürzen Borussia Dortmund in ein Dilemma. Denn der börsennotierte BVB muss sich zumindest ein Hintertürchen offen halten.
Ganz oben, in der fünften Etage der Geschäftsstelle von Borussia Dortmund, konnte Hans-Joachim Watzke am Dienstag beobachten, wie die Sonne das nahe gelegene Stadion in gleißendes Licht tauchte. Unten ratterten die Autos über die benachbarte B1. Für Ruhrgebietsverhältnisse ein Idyll. Wäre da nicht das Protestbanner, das die Ultras schon in der Nacht auf dem Mittelstreifen des Westfalendamms gespannt hatten. Und das daran erinnerte, dass im europäischen Spitzenfußball ein schmutziger Machtkampf ausgefochten wird, der auch die Borussia spalten kann.
Denn der Plan von zwölf Spitzenklubs aus England, Spanien und Italien, durch eine eigene Super League die Champions League platt zu walzen, hat den börsennotierten BVB in ein Dilemma gestürzt. Auf der einen Seite locken zahlreiche Millionen, die auf das durch die Corona-Krise geschwächte Konto fließen könnten. Gleichzeitig droht der Liebesentzug vieler Anhänger.
BVB hofft auf ein Scheitern der Super League
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„Klare Worte statt leere Zeilen: ESL-Absage jetzt und für immer“, hat die organisierte Fanszene daher auf das Plakat gepinselt. Sie fordert die Verantwortlichen ihres Klubs auf, sich deutlicher gegen die Super League zu positionieren als bislang. Am Montag hatte Watzke die Pläne zwar kritisiert und sich auf die Seite der Europäischen Fußball-Union (Uefa) gestellt, doch eine klare Absage posaunte der Geschäftsführer nicht in die Öffentlichkeit.
Man müsse sich halt als börsennotierter Verein ein Hintertürchen offenhalten, ist aus dem Klub zu hören. Sollte die Königsklasse tatsächlich zusammenbrechen, könne man nicht nur zuschauen, wenn die Besten in einem neu geschaffenen Wettbewerb riesige Geldsummen scheffeln. Verhindern wolle man dies jedoch unbedingt. Deswegen werkelt Watzke im Hintergrund mit daran, zumindest einen Teil der Abweichler einzufangen, um das elitäre Projekt zum Scheitern zu bringen. Entscheidend wird sein, dass kein anderer Spitzenklub wie der FC Bayern der Uefa den Rücken zukehrt. Was bis dato ja der Fall ist.
Real Madrids Präsident glaubt: Super League sei "zum Wohle des Fußballs"
Bislang sind an den Super-League-Plänen zwölf Mannschaften beteiligt. Juventus Turin oder Real Madrid zum Beispiel, allein sechs aus England wie der FC Liverpool. Drei Klubs sollen noch fest hinzustoßen (BVB, FC Bayern und Paris St.-Germain), fünf weitere können sich jährlich qualifizieren. 3,5 Milliarden Euro stellt die US-Investmentbank JP Morgan den Gründungsmitgliedern als Teilnahmeprämie in Aussicht. Zudem schielen die Veranstalter auf riesige Vermarktungsmöglichkeit im asiatischen und amerikanischen Markt. Real-Präsident Florentino Perez verteidigte sich deswegen. „Alles, was ich tue, ist zum Wohl des Fußballs“, sagte der Unternehmer. Seine Botschaft: Ohne die Milliarden steht der hochverschuldete europäische Fußball vor dem Kollaps.
Damit diese Rechnung aber aufgeht, würde es wohl nicht genügen, wenn nur hochdekorierte Mannschaften aus den drei genannten Ländern aufeinandertreffen. Ohne Bayern und Dortmund fehlen den Schaffern weitere Vermarktungsargumente. Die Uefa glaubt daher, den Machtkampf gewinnen zu können. Im Hintergrund schmieden die Juristen Pläne, wie man die Abweichler sanktionieren kann. Rechtlich dürfte dies zwar kompliziert werden, trotzdem plant der Verband einen Versuch, die Vereine sofort aus der Königsklasse zu werfen und die Profis von der Europameisterschaft auszuschließen.
FC Bayern sagt der Super League ab
Beruhigt haben werden die BVB-Geschäftsführung vor allem die Worte von Karl-Heinz Rummenigge. „Ich darf im Namen des Vorstandes ausdrücklich feststellen, dass der FC Bayern nicht an der Super League teilnimmt“, ließ sich Münchens Vorstands-Chef am Dienstag zitieren. Der deutsche Rekordmeister vergesse nicht die Verantwortung gegenüber seinen Fans, so Rummenigge, der den abtrünnigen Juventus-Präsident Andrea Agnelli künftig als Vertreter der europäischen Klubvereinigung ECA im Uefa-Exekutivkomitee ersetzt. Nach diesen Aussagen scheint sich die Uefa auf die Münchener in Zukunft verlassen zu können.
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Dadurch wird es auch für den BVB leichter, auf die Champions League zu setzen, für die er sich in dieser Spielzeit als Tabellenfünfter der Bundesliga ja erst mal qualifizieren muss. Daran tüftelt Trainer Edin Terzic. Am Dienstag schaffte es der 38-Jährige zudem, Worte zu formulieren, die sich die meisten Anhänger wohl von den Chefs gewünscht hätten. Die Liebe zum Sport müsse erhalten bleiben, sagte Terzic. „Es darf uns nicht passieren, dass wir Fans durch Zuschauer ersetzen.“