Stuttgart. Mit dem VfB Stuttgart trifft Gonzalo Castro heute auf seinen Ex-Klub BVB. Im Interview spricht er über seinen Abschied, Druck und die Zukunft.

Kurz nach dem Training meldet sich Gonzalo Castro am Telefon, um über sein besonderes Spiel zu sprechen. Heute (18.30 Uhr/Sky) trifft der 33-Jährige mit dem VfB Stuttgart auf seinen Ex-Klub Borussia Dortmund. Die Karriere des gebürtigen Wuppertalers neigt sich dem Ende zu, doch beim starken Aufsteiger erlebt er ein Leistungshoch, das ihm viele nicht mehr zugetraut hätten.

Herr Castro, Sie spielen seit 16 Jahren in der Bundesliga. Wie hat sich der Fußball in der Zeit entwickelt?

Gonzalo Castro: Das Spiel ist schnell und jünger geworden. Als ich mit 17 begonnen habe, war ich eine Ausnahme. Früher hieß es: Umso älter, umso besser. Heute eher: Umso jünger, umso schneller. Die Jungs müssen heute schnell mit Druck, mit Erwachsensein zurechtkommen. Die Konkurrenz ist enorm. Es wird viel erwartet. Ich hatte mehr Zeit zu wachsen.

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Versuchen Sie, da zu helfen?

Castro: Ich versuche den jungen Spielern im Training und im Spiel zu vermitteln, was erforderlich ist. Der Fokus muss auf dem Fußball liegen. Es gibt so viele Leute, die etwas von einem wollen, die einen schnell ablenken können. Das ist ein schmaler Grat.

Welche Rolle nehmen Sie beim VfB Stuttgart ein?

Castro: Ich schreie nicht rum, ich werfe nicht mit Gegenständen. Wenn ich etwas sage, dann mache ich das für die Mannschaft. Ich denke, dass ich mit meiner Ruhe in diesem Jahr auch geholfen habe.

Hätten Sie vor der Saison für möglich gehalten, gegen den BVB um die Europa League zu kämpfen?

Castro: Ich hätte nicht gedacht, dass Dortmund sogar mehr Druck hat als wir.

Wie blicken Sie auf die Saison der Borussia?

Hier noch im Trikot des BVB: Gonzalo Castro.
Hier noch im Trikot des BVB: Gonzalo Castro. © firo

Castro: Es sind tolle Leistungen dabei, dann kamen wieder Partien, in denen sie unnötig Punkte haben liegen lassen. Der Trainer wurde gewechselt. Es ist eine turbulente Saison.

Was sind Unterschiede im Dortmunder und Stuttgarter Umfeld?

Castro: Der Druck ist in Dortmund ein anderer. Wir sind in Stuttgart ab- und aufgestiegen, da ist die Erwartungshaltung erst mal nicht so hoch. Beim BVB muss man aber jedes Spiel gewinnen. Man muss jedes Jahr in die Champions League kommen, um den Titel mitspielen. Allerdings macht das auch mehr Spaß, als um das Überleben zu kämpfen.

Als Sie in Dortmund waren, wirbelte der Abgang von Ousmane Dembélé die Öffentlichkeit auf. Was macht das mit einer Mannschaft?

Castro: Man nimmt das wahr. Wenn man Spieler mit dieser Qualität holt, dann ist es kein Geheimnis, dass irgendwann andere Klubs anklopfen. Wie jetzt bei Jadon Sancho und Erling Haaland. Das gehört zum Geschäft. Damit muss der Verein klarkommen.

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Hat bei Ihnen auch ein absoluter Spitzenklub angeklopft?

Castro: Nein. Ich war glücklich in Dortmund.

Wieso sind Sie 2018 nach Stuttgart gewechselt?

Castro: Der BVB wollte damals den Kader umstrukturieren, deswegen habe ich einen neuen Verein gesucht. Die erste Zeit war nicht einfach in Stuttgart, wir sind abgestiegen. Aber anschließend habe ich mich immer besser zurechtgefunden. Ich fühle mich wohl. Es ist schön, wenn man so eine Saison als Aufsteiger spielt.

Wollen Sie Ihren Vertrag verlängern?

Castro: Der Verein kennt meinen Standpunkt. Eine Entscheidung ist noch nicht gefallen. Aber wir werden eine gute Lösung finden.

Gonzalo Castro vom VfB Stuttgart.
Gonzalo Castro vom VfB Stuttgart. © firo

Sind Sie der beste Spieler Ihrer Generation, der in der Nationalelf kaum eine Rolle gespielt hat?

Castro: Das kann ich nicht beurteilen. Ich hätte gerne mehr Länderspiele gesammelt, gerade während der Dortmunder Zeit hätte ich es verdient gehabt. Aber es war nicht so – für mich war es am Ende kein Beinbruch.

Was planen Sie nach der Karriere?

Castro: Wir werden nach Leverkusen ziehen. Die Familie meiner Frau lebt dort. Da können wir unsere kleine Tochter dann auch mal bei den Großeltern abgeben. Wir werden Urlaub machen, die Zeit genießen. Denn es ist schon ein intensives Leben als Profi, die Wochenenden fehlen. Was später kommt, weiß ich noch nicht. Vielleicht werde ich Trainer, falls mir in ein paar Jahren langweilig wird. Aber zunächst benötige ich Abstand.

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Glauben Sie, vor dem Ende Ihrer Karriere noch mal ein ausverkauftes Stadion erleben zu können?

Castro: Ich hoffe es. Hoffentlich klappt es mit den Impfungen, und wir können zum normalen Leben zurückkehren. Die Fans fehlen mir. Aber es ist sicher noch schwieriger für die Anhänger, die seit 25 Jahren ins Stadion gehen und sich normalerweise darauf freuen, mit ihren Kumpels die Mannschaft anzufeuern.