Essen/Köln. Die Sporthochschule Köln und die Funke Mediengruppe befragten über 1000 Dortmunder und Schalker Fans zu ihrer Rivalität. Das Ergebnis überrascht.

So hingebungsvoll leben Fans von Borussia Dortmund und Schalke 04 ihre Rivalität, dass sie nicht einmal den Namen der „verbotenen Stadt“ aussprechen wollen. Und so wird Dortmund bei den Königsblauen zu Lüdenscheid-Nord und Gelsenkirchen-Schalke bei den Schwarz-Gelben zu Herne-West.

Doch bei aller Feindschaft im Ruhrpott-Fußball: Die Anhänger der Revierklubs scheinen froh zu sein, dass es den Erzrivalen gibt. Schalker und Dortmunder würden sogar Geld sammeln, um den angeblich so verhassten Konkurrenten zu retten. Das ergab eine Studie der Deutschen Sporthochschule Köln in Kooperation mit dieser Redaktion.

Seit 1963 gibt es das Revierderby in der Bundesliga, von kurzen Unterbrechungen abgesehen. Mit ihren Duellen schrieben Schalke und Dortmund Fußball-Geschichte, kein Sieg war schöner, keine Niederlage schmerzhafter, wenn es gegen den Erzrivalen ging. Das aber wird es wohl erst einmal nicht mehr geben.

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Schon in wenigen Wochen könnte Schalkes Absturz in die Zweite Liga feststehen. Ist es wirklich das, was die Dortmunder den verhassten Schalkern wünschen – den Abstieg? Oder würden sie im Notfall sogar helfen?

Die ganz besondere Beziehung zwischen Fußball-Rivalen wollen Dr. Johannes Berendt und Prof. Dr. Sebastian Uhrich von der Deutschen Sporthochschule Köln in einem Forschungsprojekt ergründen. In Kooperation mit dieser Redaktion befragten die Forscher 1167 Dortmund- und Schalke-Fans, auf welchen Platz sie den Erzrivalen in einer fiktiven Wunschtabelle nach 34 Spieltagen setzen würden. Das Ergebnis ist eindeutig.

Die Mehrheit wünscht sich, dass der Rivale in der Liga bleibt

Nur 27 Prozent setzten den Erzrivalen auf einen direkten Abstiegsplatz. 14 Prozent platzierten ihn auf Relegationsplatz 16 und gaben ihm somit zumindest die Chance, selbst noch die Klasse zu erhalten. Die Mehrheit von 59 Prozent der Befragten aber wünschte sich nicht, dass der Rivale absteigt, selbst wenn er Dortmund oder Schalke hieße. Jeder dritte dieser „Nichtabstiegswünscher“ platzierte den Erzrivalen dabei auf den 15. Platz: Man wünscht ihm das maximale sportliche Leid, stellt zugleich aber sicher, auch in der nächsten Saison gegen den Erzrivalen zu spielen.

Absteigen, das also sollte Schalke aus Sicht der BVB-Fans dann doch nicht. Für die Wissenschaftler der Kölner Sporthochschule ist das Studienergebnis die Bestätigung ihrer These: „Die Rivalität ist ein zentraler Teil der Identität“, stellt Berendt fest, „Fans definieren sich darüber, wer sie sind, und auch darüber, wer sie nicht sind.“ Berendt ist sich sicher: Ohne den Erzrivalen in der gleichen Liga würde den meisten Fans etwas fehlen.

Hitzige Duelle im Derby wie hier Schalkes Benjamin Stambouli (links) gegen Axel Witsel vom BVB wird es in der kommenden Bundesligasaison wohl nicht geben.
Hitzige Duelle im Derby wie hier Schalkes Benjamin Stambouli (links) gegen Axel Witsel vom BVB wird es in der kommenden Bundesligasaison wohl nicht geben. © getty images

Darauf deuten auch die weiteren Ergebnisse der Studie hin. So wollten die Wissenschaftler herausfinden: Würden Dortmunder und Schalker Fans eher dem Erzrivalen als einem „normalen“ Konkurrenten helfen und Geld spenden? Vorstellen sollten sich die Teilnehmer dazu folgendes Szenario: Ein Klub steht aufgrund von akuten Finanzproblemen vor dem Lizenzverlust und dem Zwangsabstieg in die vierte Liga. Mehrere Fanklubs des eigenen Vereins haben eine Online-Spendenaktion gestartet, um Geld zu sammeln, damit der Zwangsabstieg des Mitkonkurrenten noch abgewendet werden kann

.Das Ergebnis: Die Spendenaufrufe für den Erzrivalen und dem „normalen“ Konkurrenten wurden gleich gut bewertet, beim Hilfeverhalten aber gab es große Unterschiede. Von der Online-Spendenaktion für den Erzrivalen würden Fans anderen Fans eher erzählen, häufiger den Internet-Link dazu weiterleiten.

Anhänger der Revierklubs würden für Erzrivalen spenden

Dortmunder und Schalker Fans wären sogar eher bereit, den vermeintlich verhassten Konkurrenten finanziell zu unterstützen. Die Spendenaktion für den Erzrivalen wurde im Schnitt mit 29,21 Euro unterstützt, der für den „normalen“ Mitkonkurrenten nur mit 21,17 Euro.

„Der Gedanke, den Erzrivalen zu verlieren, löst bei den meisten Fans Unbehagen aus“, folgert Berendt aus den Ergebnissen. Ohne die Derbys, die Frotzeleien und die Abgrenzung würde ein kleiner, aber wichtiger Teil der Klub-Identität verloren gehen. „Die Derbys sind der Höhepunkt der Saison, darauf wollen die meisten Fans nicht verzichten.“

Beide stehen für das Ruhrgebiet, Tradition und Fankultur

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Doch warum wünschen dann einige Fans dem Erzrivalen den Abstieg und andere nicht? Nach Ansicht der Forscher schätzen die „Abstiegswünscher“ die Konkurrenz mit dem Erzrivalen feindschaftlicher, ernster und wichtiger ein als „Nicht-Abstiegwünscher“. Diese hingegen erkennen zwischen den Rivalen bei aller Unterschiedlichkeit mehr Gemeinsamkeiten.

„Dortmund und Schalke mögen einerseits von Grund auf verschieden sein, anderseits stehen beide aber auch für das Ruhrgebiet, Tradition und eine tolle Fankultur“, so Berendt. „Ich glaube, dass beide Seiten insgeheim froh sind, dass sie einander haben – auch wenn das eher selten offen zugegeben wird.“ Weder in Lüdenscheid-Nord noch in Herne-West.