Dortmund. Mit dem 2:1 bei Zenit beendet der BVB seine Sieglos-Serie. Doch die spielerischen Probleme bleiben – und die Personalnot könnte sich verschärfen.

Es ist eine kurze Nacht, die hinter Michael Zorc liegt. Erst um 2.15 Uhr ist Borussia Dortmund in der Nacht auf Mittwoch in Paderborn gelandet, von dort ging es in Bussen zurück nach Dortmund. Allzu viel Nacht war da nicht mehr übrig, als Sportdirektor Zorc und der Rest der BVB-Reisegruppe endlich zurück in der Heimat waren.

Aber vieles lässt sich ja im Erfolg deutlich leichter ertragen, und was den Ertrag angeht, war die jüngste Reise ja ein Erfolg: Es gab einen 2:1 (0:1)-Sieg bei Zenit St. Petersburg, der den ersten Platz in der Champions-League-Gruppe F sichert und auf einen weniger anspruchsvollen Gegner im Achtelfinale hoffen lässt.

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„Ich bin sehr zufrieden, dass wir das angestrebte Ziel, Gruppensieger zu werden, klar erreicht haben“, sagt Zorc im Gespräch mit dieser Redaktion. Nach drei sieglosen Spielen gegen den 1. FC Köln (1:2), Lazio Rom (1:1) und Eintracht Frankfurt (1:1) stimmte endlich das Ergebnis wieder. Nur das Erlebnis ließ noch zu wünschen übrig.

„Das war kein Fußball aus der Feinkostabteilung“, weiß auch Zorc. Nach der ersten Halbzeit lag der BVB durch Sebastian Driussis Treffer (16. Minute) zurück und drohte den Gruppensieg zu verspielen. „Die erste Viertelstunde war gut, dann haben wir mit dem 0:1 komplett den Faden verloren und hatten erst kurz vor der Halbzeitpause noch Möglichkeiten durch Thorgan Hazard und Marco Reus“, meint Zorc. Aber: „Der Trainer hat später sehr mutig, sehr offensiv gewechselt und das Spiel in eine andere Richtung gelenkt.“ Und so war es am Ende durchaus verdient, dass Lukasz Pisz­czek (68.) und Axel Witsel (79.) das Spiel mit ihren Treffern drehten.

Dem BVB fehlt Glanz, Inspiration – und Durchschlagskraft

Trotz des Erfolgs: Die Partie legte erneut die aktuellen Schwächen des Dortmunder Spiels offen: Es fehlt an Glanz, an Inspiration – und an Durchschlagskraft. „Aber in solchen Spielen, wo du viele Spieler ersetzen musst, wo du umstellen musst, wo die nächste Runde schon erreicht ist, musst du auch mal mit dem Ergebnis zufrieden sein“, meint Zorc. Zehn Profis nämlich fielen aus. Und so kostete das Spiel in St. Petersburg eine Menge Kraft, das war allen Akteuren anzusehen. Die personelle Lage könnte sich sogar noch verschärfen, Mats Hummels und Thorgan Hazard mussten angeschlagen ausgewechselt werden. Zum Jahresende droht der Borussia die Luft auszugehen.

Jubel beim BVB: Lukasz Piszczek (2. v.r.) freut sich über sein Tor gegen Zenit St. Petersburg.
Jubel beim BVB: Lukasz Piszczek (2. v.r.) freut sich über sein Tor gegen Zenit St. Petersburg. © firo

In Sachen Hummels immerhin gibt Zorc am Mittwoch vorsichtig Entwarnung: „Bei Mats war es wohl nur eine Vorsichtsmaßnahme“, sagt der Sportdirektor. Hazard dagegen hat muskuläre Probleme, damit ist ein Einsatz gegen den VfB Stuttgart am Samstag (15.30 Uhr/Sky) zumindest fraglich. Auch das noch. „Ich hoffe aber, dass sich unsere Personalsituation zum Wochenende hin etwas aufhellt, dass dann vielleicht Raphael Guerreiro zurückkommt“, seufzt Zorc. Auch Thomas Delaney und Mahmoud Dahoud könnten rechtzeitig fit werden.

Erling Haaland fehlt dem BVB noch stärker als erwartet

Erling Haaland dagegen fehlt noch bis Weihnachten – und das ist die Erklärung für die mangelnde Durchschlagskraft. Der Norweger ist noch schwerer zu ersetzen, als man es erwartet hatte. „Keiner unserer Offensivspieler ist ein richtiger Neuner, wie es Erling verkörpert – außer Youssoufa Moukoko, der aber noch sehr jung ist“, sagt Zorc. „Das macht es natürlich schwer, ihn zu ersetzen. Mit ihm hat unser Spiel eine andere Statik und eine andere Tiefe. Aber wir dürfen uns nicht beklagen, wir müssen das dann eben anders gestalten.“

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Sprich: mit mehr Tempo, mit mehr Tiefe, als es die Vertreter Hazard und Marco Reus – an sich ja keine Verlegenheitslösungen – zeigten. Moukoko, der nach 58 Minuten eingewechselt wurde und nun mit 16 Jahren und 18 Tagen jüngster Spieler der Champions-League-Historie ist, kann dabei allenfalls ein Teil der Lösung sein – obwohl mancher Fan und auch der Boulevard seinen Startelfeinsatz fordern.

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In St. Petersburg aber zeigte das Ausnahmetalent, dass es sich an höchstes Niveau und Tempo noch gewöhnen muss. 14 Ballkontakte, null Torschüsse, null Torschussvorlagen hatten die Statistiker am Ende notiert. Der Youngster wollte zu viel, setzte schon im Mittelfeld zu Dribblings an – gegen gestandene Profis selten eine gute Idee.

Trainer Favre muss nun in kurzer Zeit und mit wenig Alternativen die Dortmunder Probleme lösen, ein dritter Bundesliga-Ausrutscher in Serie muss vermieden werden. Denn die Tabelle ist gnadenlos: Wie gut eine Mannschaft ihre Probleme begründen kann, hat sie noch nie interessiert.