Dortmund. Erling Haaland ist der Torjäger des BVB. Im exklusiven Interview spricht er über sein Torgeheimnis und seine Zukunft bei Borussia Dortmund.
Erling Haaland hat nicht viel Zeit gebraucht, um auf sich aufmerksam zu machen. Im ersten Pflichtspiel für Borussia Dortmund schoss der Norweger drei Tore, nach 17 Pflichtspielen sind es 16 Treffer. Die Bilanz des 19-Jährigen spricht für sich, selbst spricht er dagegen nicht so viel – im Internet kursieren zahlreiche Videos von recht einsilbigen Antworten im TV. Höchste Zeit für ein ausführlicheres Interview mit dem norwegischen Star-Stürmer des BVB.
Herr Haaland, geben Sie eigentlich gerne Interviews?
Erling Haaland: Kommt ganz auf die Fragen an! Aber mal im Ernst: Ich glaube, viele Leute können bestätigen, dass ich nur ganz selten von vornherein Nein sage, wenn ich um ein Interview gebeten werde.
Es gibt Spötter, die sagen, Sie hätten in Dortmund schon mehr Tore geschossen als Wörter gesprochen.
Haaland: Da sieht man mal, wie viele Tore ich schieße (lacht laut)!
Wir haben Ihren früheren Trainer Alf Ingve Berntsen gefragt, und der hat gesagt: Erling ist ein sehr lustiger Typ, der in der Kabine viel mehr redet als in den Medien. Hat er recht?
Haaland: Absolut! Aber ich denke, das gilt so für die meisten Spieler. Im geschützten Raum der Kabine lässt es sich leichter über alles reden als in den Medien.
Können Sie sich noch an die Wunschliste erinnern, die Sie gemacht haben, als Sie nach Dortmund gekommen sind?
Haaland (wechselt vom Englischen ins Deutsche): Deutsch lernen…
Wie läuft es damit?
Haaland (auf Deutsch): Gut. Jeden Tag ein bisschen…
Und die anderen Punkte: Noch mehr Tore schießen? Die Gelbe Wand genießen? Das Derby gewinnen?
Haaland: Tore: check! Die Gelbe Wand genießen: check – bis Corona uns und die Fans voneinander getrennt hat. Aber das bekommen wir ab der kommenden Saison hoffentlich bald wieder hin. Und das Derby gewinnen: check!
BVB-Star Haaland: "Ich will nicht immer nur Zweiter werden"
Wie bewerten Sie insgesamt Ihr erstes halbes Jahr in Dortmund?
Haaland: Puh, also verrückter als mit dieser ganzen Corona-Geschichte hätte es kaum laufen können. Wenn wir nur über den Sport sprechen: Wir sind Zweiter und happy damit, aber natürlich hätten wir das Rennen mit den Bayern gerne länger offengehalten.
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Was hat zur Meisterschaft gefehlt?
Haaland: Einerseits gar nicht so viel, mit einem besseren Resultat im direkten Duell mit ihnen wäre das Rennen auch länger eng geblieben. Insgesamt haben wir eine starke Rückrunde gespielt, erst recht unter diesen merkwürdigen Umständen nach der langen Pause und ohne Fans, die uns sonst den letzten Push geben. Aber: Leider haben wir eben auch beide Spiele gegen Bayern verloren – ohne diese Punkte wird es aufgrund ihrer Stärke doppelt schwierig, am Ende vor ihnen zu landen.
In der Hinrunde wurden viele Punkte liegen gelassen, wäre das mit Ihnen anders gewesen?
Haaland: Ich schaue niemals zurück, immer nur nach vorne. Das weiß niemand.
Welche Ziele verfolgen Sie in der kommenden Spielzeit?
Haaland: Wir wollen natürlich Spiele gewinnen, so viele wie möglich, in allen Wettbewerben. Ich will mit dem BVB etwas erreichen, nicht immer nur Zweiter werden, sondern wenn es geht auch Titel gewinnen. Wir sollten uns Ziele setzen, wir wollen angreifen, auch möglichst viele Tore schießen, wozu ich als Stürmer natürlich meinen Beitrag leisten will. Wenn wir Spaß haben an dem, was wir tun, sollten wir auch erfolgreich sein.
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Sie haben für den BVB in 17 Pflichtspielen 16 Tore geschossen, davor haben Sie in Salzburg, in Molde und in Bryne ständig getroffen. Funktioniert Toreschießen in allen Ligen und Ländern auf die gleiche Weise?
Haaland: Ja – der Ball muss ins Tor, und einer muss den Job erledigen! (lacht) Ich verstehe Ihre Frage, natürlich ist die Bundesliga nicht mit der norwegischen Liga oder der in Österreich zu vergleichen. Sie ist ein ganz anderes Niveau. Aber wenn man hart an sich arbeitet, steigert das zumindest die Aussicht auf Erfolg.
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Was ist das Geheimnis – abgesehen von harter Arbeit?
Haaland: Es gehört viel dazu, neben harter Arbeit für einen Stürmer auch der Wille und die Überzeugung, dahin zu gehen, wo der Ball sein wird, um ihn dann ins Tor zu schießen. Das kann manchmal auch weh tun, manchmal ist der Verteidiger auch noch schneller. Aber man muss clever sein und es vor allem immer und immer wieder probieren.
Haaland über seinen Willen und seine Vorbilder
Immer hört man, Sie würden trainieren und trainieren. Woher kommt Ihr Wille?
Haaland: Zum Teil ist der wohl angeboren. Ich war schon immer so. Ich bin nicht gern in einer Komfortzone. Ich will immer besser werden. Wenn mir etwas gut gelungen ist, will ich es am nächsten Tag noch besser machen. Und: Vom Toreschießen werde ich niemals genug bekommen.
Schnappen Sie in der nächsten Saison Robert Lewandowski die Torjäger-Kanone weg?
Haaland: Ich werde an dieser Stelle gewiss kein Duell ausrufen, und es ist auch nicht allein er, der viele Tore schießen kann. Aber natürlich werde ich mich auch nicht bremsen.
Sie haben in einem Interview mal gesagt, Sie wollen besser werden als ihr Vater. Ist das Ziel schon erreicht?
Haaland: Ich habe in anderen Interviews auch schon gesagt, dass ich dieses Ziel noch nicht erreicht habe. Zum Beispiel hat er noch immer mehr Länderspiele als ich. Aber ich bin jung und arbeite daran.
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Wo müssen Sie sich noch verbessern?
Haaland: In allem. Ich bin 19, ich habe überall noch Potenzial zur Verbesserung.
Gibt es aktuell einen Stürmer, von dem Sie sich Dinge abschauen?
Haaland: Es gibt viele gute Stürmer, von denen ich lernen kann, ich möchte da niemand namentlich hervorheben.
Es herrscht schon ein gigantischer Hype um Sie, weltweit berichten Medien. Wie gehen Sie damit um?
Haaland: Mit Ruhe und Gelassenheit. Und ich verfolge auch nicht alles, was über mich geschrieben wird.
Sie haben nach Ihren ersten Spielen geschwärmt, wie speziell es ist, vom Rasen auf die Südtribüne zu gucken. Wie fühlt es sich an, auf die leere Südtribüne zu gucken?
Haaland: Mies. Es fehlt einfach was. Genau gesagt: 25.000 positiv verrückte Menschen, die uns unterstützen, egal wie das Ergebnis ist.
Haaland über sein Leben in Dortmund: "Ich bin kein Party-Animal"
Wie haben Sie die Corona-Pause generell erlebt?
Haaland: Die Zeit war wohl für niemand angenehm, wir mussten alle zu Hause bleiben, mit vielen Einschränkungen.
Wie muss man sich das Leben des Erling Haaland in Dortmund vorstellen?
Haaland: Ganz normal. Auch in Zeiten ohne Corona bin ich kein Party-Animal. Ich bin viel zu Hause, ruhe mich aus und bereite mich auf das nächste Spiel vor.
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Sie sind als 19-Jähriger ohne Familie hier – fällt es Ihnen leicht, alleine zurecht zu kommen?
Haaland: Zu Anfang war meine Familie häufig in Dortmund, seit Corona musste ich ohne sie auskommen. Aber ja, es geht auch so…
Gibt es Mitspieler, die Ihnen beim Ankommen besonders geholfen haben?
Haaland: Es gab keinen, der das nicht getan hätte. Aber in erster Linie natürlich Thomas Delaney, mit dem ich nahezu die gleiche Sprache spreche.
Haben Sie schon etwas von der Stadt gesehen?
Haaland: Ehrlich gesagt, kaum. Als ich im Januar ankam, flogen wir sofort ins Trainingslager, danach folgte Spiel auf Spiel. Und dann kam Corona…
Was machen Sie in der Sommerpause?
Haaland: Nach Hause fahren und meine Heimat Norwegen genießen. Freunde und Familie sehen und ein paar Tage mal einfach entspannen.
Ihrer Spielergeneration wird häufig vorgeworfen, zu früh zu viel Geld zu verdienen. Sollte das Gehalt gedeckelt werden?
Haaland: Ich bitte um Verständnis, dass ich gern über meine Leidenschaft für Fußball spreche, aber nicht über Geld reden möchte.
Haaland: "Favre hat dabei geholfen, besser zu werden"
Wie bewerten Sie die Arbeit von Trainer Lucien Favre?
Haaland: Er hat mir offensichtlich schon sehr dabei geholfen, besser zu werden. Ich habe viele Tore auf einem noch mal höheren Niveau erzielt, und wir haben als Team mit ihm viele Spiele gewonnen. Das alles spricht für sich.
Wie lange bleiben Sie in Dortmund? Ist der BVB mehr als eine Durchgangsstation?
Haaland: In solchen Kategorien denke ich nicht. Ich denke auch nicht zu viel an die Zukunft, sondern ich lebe in der Gegenwart und entscheide jeweils im Hier und Jetzt, was das Beste für meine Karriere ist. Aus diesem Grund habe ich mich im Winter aus voller Überzeugung für den BVB entschieden. Dortmund ist einer der größten Klubs der Welt, und ich habe hier einen langfristigen Vertrag unterschrieben und bin – wie Sie sagen – gerade erst angekommen. Deshalb denke ich überhaupt nicht darüber nach, den Klub schon wieder zu verlassen.
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Warum haben Sie sich im Winter eigentlich für Dortmund entschieden?
Haaland: Weil ich zu einem Klub wollte, bei dem ich eine hohe Aussicht auf regelmäßige Einsätze habe. Viel zu spielen ist für einen Spieler in meinem Alter mit das wichtigste. Hier konnte ich mich von Anfang an zeigen, in allen Wettbewerben, bis hin zu den K.o.-Spielen in der Champions League. Das ist keineswegs selbstverständlich, und es gibt mir ein gutes Gefühl, dass es so gekommen ist, wie die Verantwortlichen es mir in den Gesprächen dargestellt hatten.
Versuchen Sie, Jadon Sancho und Achraf Hakimi zum Bleiben zu motivieren?
Haaland: Ich spiele gern mit den beiden zusammen, aber es steht mir nicht zu, mich in irgendeiner Weise über ihre Zukunft zu äußern.
Für welchen Verein würden Sie gerne einmal spielen?
Haaland: (lacht) Netter Versuch. Nächste Frage?
Okay. Was haben Sie sich für die letzte Partie gegen Hoffenheim vorgenommen?
Haaland: Dasselbe wie immer: Gut zu spielen und möglichst mit Toren dazu beitragen, dass wir das Spiel und die drei Punkte gewinnen.