Bei der BVB-Fehlersuche gerät auch Klopp ins Blickfeld
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Dortmund. Borussia Dortmund ist im Tabellenkeller der Bundesliga angekommen. Die Fans pfeifen ihre Mannschaft erstmals aus, auf dem Platz offenbaren sich erste leichte Risse im Gefüge - und auch Trainer Jürgen Klopp muss sich kritischen Fragen stellen.
Sven Bender schimpfte wie ein Rohrspatz. Der sonst eher stille Mittelfeldspieler von Borussia Dortmund erregte sich mächtig über einen Fehlpass, mit BVB-Innenverteidiger Neven Subotic Mitte der zweiten Halbzeit der Partie gegen Eintracht Frankfurt (0:2), deren Stürmer Alex Meier geradezu zum Torschuss eingeladen hatte. Und Subotic schimpfte munter zurück.
Nicht nur zwischen Mannschaft und Fans, die nach der erneuten Niederlage erstmals pfiffen, auch innerhalb des Teams offenbarten sich am Sonntagnachmittag erste feine Risse. "Jeder muss alles für den Anderen geben", mahnte Bender nach dem Spiel im Fernsehinterview. "Wir müssen zusammenstehen, das ist ganz, ganz wichtig. Jeder alleine, als Einzelkämpfer, wird nicht funktionieren." Und sein Mittelfeldpartner Sebastian Kehl ergänzte: "Jetzt aufeinander loszugehen wäre das Blödeste, was passieren kann." Was im Umkehrschluss heißt: Genau diesen Zusammenhalt ist beim BVB nicht mehr selbstverständlich.
Für die Dortmunder ist das eine hochgefährliche Entwicklung. Denn ihre Spielidee lebt im Wesentlichen vom Kollektiv, vom gemeinsamen Verteidigen schon in der vordersten Sturmlinie, an der Bereitschaft, für den anderen zu laufen und von der Gewissheit, dass die Mannschaft alles tut, um Schwächen des Einzelnen auszubügeln. So stark war dieses Kollektiv in der Vergangenheit, dass sich Trainer Jürgen Klopp nicht sorgen musste, junge Spieler fast ohne Erfahrung wie Erik Durm oder Milos Jojic auch in Champions-League-Partien hineinzuwerfen - das Kollektiv würde sie schon stützen.
Matthias Ginter stützte am Sonntag niemand. Der Innenverteidiger gab ein beklagenswertes Bild ab gegen Frankfurt, hatte einen großen Anteil an beiden Gegentoren und wirkte auch ansonsten völlig verunsichert. Doch niemand konnte dem 20-jährigen Neuzugang Halt geben - dazu waren die übrigen Spieler viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt.
BVB verliert in Frankfurt
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Neven Subotic etwa, der beim ersten Gegentor ebenfalls äußerst unglücklich agierte und in der Folge lediglich Glück hatte, dass seine zahlreichen Patzer nicht zu einem weiteren Tor genutzt wurden. Oder Henrikh Mkhitaryan, mit 27,5 Millionen Euro der teuerste Einkauf der Vereinsgeschichte. Erneut vergab der Armenier früh zwei gute Tormöglichkeiten - und war danach völlig von der Rolle: Ballannahmen missglückten ihm, Pässe fanden nicht den richtigen Abnehmer und immer wieder traf er die falsche Entscheidung. Auch Shinji Kagawa, zweiter potenzieller Kreativspieler auf dem Platz, ist weit entfernt von der Form, die er in seiner ersten Schaffensperiode beim BVB von 2010 bis 2012 zeigte - kein BVB-Spieler bewegt momentan am oberen Rad seiner Möglichkeiten.
Und so saß Trainer Klopp nach dem Spiel in der Pressekonferenz und musste erklären, wofür es keine Erklärung gab: dass seine hochdekorierte und trotz aller Verletzungssorgen auf dem Papier immer noch hochwertige Mannschaft auch aus Frankfurt keine Punkte mitnahm, dass sein erfolgsverwöhntes Ensemble nach 13 Spielen mit acht Niederlagen inzwischen ganz unten angekommen ist - auf Tabellenplatz 18.
"Die Mannschaft hat alles versucht", sagte der erkennbar angeschlagene 47-Jährige. "Der Vorwurf, sie wollte nicht, zieht nicht." Ein Satz, der bei näherer Betrachtung eigentlich noch erschreckender war als das Spiel zuvor: Die Mannschaft hatte gewollt - hatte aber kein Mittel gefunden, eine sehr durchschnittliche Bundesliga-Mannschaft wie Eintracht Frankfurt zu besiegen.
Jürgen Klopp reklamierte zwar die Mehrzahl an Torschüssen und Chancen für seine Mannschaft - das aber stimmte nur teilweise. Tatsächlich hatte der BVB sechs Schüsse mehr als die Eintracht abgegeben. Die Hausherren aber konnten neben ihren beiden Toren vier hochkarätige Möglichkeiten vorweisen, der BVB konnte nur durch Mkhitaryan, Ramos und eine Doppelchance von Aubameyang und Großkreutz für ähnliche Gefahr sorgen. Es war alles andere als ein unverdienter Sieg für die Eintracht.
Und langsam wendet sich der Blick bei der Ursachenforschung auch in Richtung des Trainers. Ob er an Rücktritt denke, wurde Klopp in Frankfurt gefragt. "Ich sehe mich hier in der Verantwortung", sagte er: "Wenn nur das Glück zählt und ein Trainerwechsel das bringt, muss man nicht nur anrufen, dann mache ich den Weg frei." Aber: "Ich kann nicht gehen, bevor es eine bessere Lösung gibt." BVB-Sportdirektor Michael Zorc aber wollte davon nichts wissen: "Jürgen stellt sich der Verantwortung", sagte er. "Und wir sind hundertprozentig davon überzeugt, dass wir mit ihm da unten rauskommen."
Kann BVB-Trainer Klopp seine Arbeitsweise anpassen?
Doch natürlich muss sich auch der Trainer fragen gefallen lassen: ob etwa seine Art der Ansprache noch die richtige ist. Der Dortmunder Erfolg der vergangenen Jahre beruhte zu einem guten Teil darauf, dass Klopp eine eingeschworene Truppe um sich wusste, die im Gefühl, ein eher kleiner Teilnehmer im Konzert der Großen zu sein, alles Menschenmögliche aus sich herausholte - immer wieder angetrieben vom glänzenden Motivator und Einpeitscher Jürgen Klopp.
Inzwischen gehört der BVB längst selbst zu den Großen, zudem sind zentrale Pfeiler der Meistermannschaften weg und dafür andere wie Mkhitaryan, Pierre-Emerick Aubameyang oder Ciro Immobile für viel Geld hinzu gekommen. Für sie ist Dortmund eher eine Stufe auf der Karriereleiter als ein besonderer Verein. Das ist im Milliardengeschäft Fußball eher die Regel als die Ausnahme und daher alles andere als verwerflich - es passt nur nicht mehr zum Bild der eingeschworenen Truppe und dem so oft beschworenen Außenseiter-Image.
Ob Trainer und sportliche Leitung es schaffen, ihre Arbeitsweise den neuen Bedingungen anzupassen - das ist eine der großen Fragen, auf die Borussia Dortmund im Herbst 2014 noch keine Antwort gefunden hat.
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