Hamburg/Essen. Der Debütantenball der deutschen Nationalmannschaft beim 0:0 gegen Polen in Hamburg lieferte wenig Sachdienliches für die künftige Personalauswahl von Bundestrainer Joachim Löw. Drei Schalker standen in der Startelf - Julian Draxler war der jüngste Kapitän in der Geschichte der Nationalelf.
War es jemals so leicht an verbilligte Billets für ein Länderspiel der deutschen Nationalmannschaft zu kommen? Teilweise in großen Bündeln hielten Ticketverkäufer im Hamburger Volkspark an diesem kühlen Mai-Abend die Eintrittskarten in den Händen, allein die Interessenten fehlen. Weil das Publikum nicht für eine Mogelpackung bezahlen wollte. Und weil die Hansestadt der viel wichtigeren Partie entgegenfiebert, die hier am Donnerstag vor ausverkauftem Haus steigt: Das Relegationsspiel zwischen dem Hamburger SV und Greuther Fürth. Irgendwie klar, dass der fragwürdige Freundschaftkick zwischen Deutschland und Polen vor letztlich 37.569 geduldigen Besuchern nicht zur emotionalen Einstimmung taugte. Aus der Nullnummer blieben letztlich auch für Joachim Löw kaum Erkenntnisse hängen.
Aber welche Aussagekraft sollte dieses 883. Länderspiel in der DFB-Historie auch haben? Allein 20 der 30 Akteure aus dem vorläufigen WM-Aufgebot fehlten, denn die Prominenz aus München und Dortmund bereitet sich aufs Pokalfinale vor, die Profis aus Madrid, London oder Rom sind nicht abkömmlich. Deshalb kam es zu einem einzigartigen Debütantenball, den es so noch nie gab: Der Bundestrainer verhalf mit Anpfiff gleich acht Akteuren zum ersten Auftritt im A-Team – am Ende waren es zwölf Neulinge. Für den einen oder anderen wird sich das auf ewig gut im Lebenslauf lesen.
Sorg und Rüdiger auf ihren Positionen nicht gut aufgehoben
Nur: Diese Ansammlung talentierter Kräfte, frischer Gesichter oder notdürftiger Nachrücker wird einzigartig bleiben – und hoffentlich die Ausnahme. Am Mittwoch oder am Donnerstag will Löw denjenigen die Info geben, die sich die nächste Casting-Runde überstehen. Bekanntlich nur 25, 26 Spieler dürfen noch mit, wenn sich der DFB-Tross nächsten Mittwoch in St. Martin in Passeier in Südtirol versammelt. Sachdienliche Hinweise für die Auswahl lieferte die Polen-Partie kaum. Und Löw förderte auch nicht gerade den Spielfluss: Es war gewiss keine gute Idee, den Stuttgarter Antonio Rüdiger als rechter und den Freiburger Oliver Sorg als linken Verteidiger zu nominieren – zumal beide im Verein zuletzt andere Position bekleideten.
Auch interessant
Ein bisschen besser machte es der Genua-Legionär Shkodran Mustafi als Innenverteidiger. Zu viele fremdelten ansonsten: Etwa der Gladbacher Christoph Kramer, der im defensiven Mittelfeld zwar viele Ballkontakte hatte, aber auch einige Fehler produzierte. Oder der Schalker Leon Goretzka, der am rechten Flügel nicht wirklich eingebunden wirkte und zur Halbzeit mit Verdacht auf eine leichte Zerrung ausschied. Und der Hoffenheimer Hoffnungsträger Kevin Volland fühlte sich in der Sturmspitze, zumeist ungünstig mit dem Rücken zum Tor postiert, sichtlich unwohl.
Peszko klärt für Polen auf der Linie
Nach nur einer gemeinsamen Trainingseinheit konnte diese Rasselbande nichts gewinnen, zumal auch ihrem Anführer – der 20 Jahre junge Julian Draxler in seinem elften Länderspiel – eher wenig gelang. Immerhin geht der Schalker damit als jüngster Kapitän aller Zeiten in die DFB-Annalen ein. Die meisten Mitspieler wirkten zwar einsatzfreudig, aber eben überhaupt nicht eingespielt. So sprang im zähen ersten Durchgang auch nur eine Chance heraus, als Rüdiger einen Kopfball ansetzte, den der Slawomir Peszko auf der Linie klärte (32.). Der Kölner Profi zeichnete sich auf für das einzige Ausrufezeichen der polnischen Notelf verantwortlich, als er den Freiburger Matthias Ginter spektakulär über die Bande schubste (22.). Nach der Pause kam mit dem Ex-Hamburger André Hahn der neunte, mit dem Frankfurter Sebastian Jung bald der zehnte, mit dem Wolfsburger Maximilian Arnold der elfte und mit dem Freiburger Christian Günter der zwölfte Novize in die Partie – zielstrebiger geriet der deutsche Auftritt dadurch aber nicht.
Dennoch gibt es kein Grund zur Besorgnis: Wirklich Fahrt nimmt die Vorbereitung erst auf, wenn das zehntägige Trainingslager im Passeiertal beginnt. Danach steht am 1. Juni das Freundschaftsspiel gegen Kamerun auf dem Programm. Passenderweise nur einen Tag später verlangt der Weltverband FIFA nach jenen 23 Namen, die dann wirklich die weltmeisterliche Mission in Brasilien angehen. Viele aus dem gestrigen Länderspiel bleiben da bestimmt nicht übrig.
Nationalelf spielt nur 0:0
- Der Live-Ticker zum Nachlesen: