Stuttgart. . Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft hat zwar gegen Chile 1:0 gewonnen, aber einen schlechten Eindruck hinterlassen. Trotz der aufrüttelnden Brandreden von Bundestrainer Joachim Löw ließen es Toni Kroos, Mesut Özil und Co. an der nötigen Mentalität vermissen. Nun schrillen die Alarmglocken.
Tausendmal haben sie es probiert, nie ist etwas passiert. Das wird das Geheimnis dieses Spieles bleiben, dieser Testpartie der deutschen Nationalmannschaft gegen die Auswahl von Chile: Warum eigentlich ist nicht ein einziges Mal etwas passiert? Wie ist es geschehen, dass die von Bundestrainer Joachim Löw in diese Auseinandersetzung, in der es immerhin um den letzten Stand der Personaldinge vor der Nominierung des erweiterten WM-Kaders ging, entsandten Transusen mit einem 1:0-Sieg in den angeschwitzten Trikots das Feld verlassen konnten?
Das Resultat? Für nichtig befunden schon vom Stuttgarter Publikum, das die Leistung der Chilenen mit Pfiffen für das heimische Ensemble würdigte, für das Ensemble, für das im Sommer von Brasilien doch der Titel herbeigesehnt wird. Deutsche Pfiffe für die Lieblinge Deutschlands. Das gibt es nicht sehr oft. Das gibt es im Erfolgsfall nur, wenn die Lieblinge nicht die Grenzen des Machbaren, sondern die Grenzen des Zumutbaren ausloten: Minute 44. Toni Kroos, der sich laut Löw in dieser Saison bei den Über-Bayern „super entwickelt hat“, verliert fahrlässig den Ball.
Kick auf deutschem Hoheitsgebiet
Und dann? Eduardo Vargas und Aleis Sanchez spielen ein bisschen mit diesem Ball. Sie passen ihn hin und her wie beim Trainingskick. Nur dass es sich nicht um Training handelt. Es handelt sich um eine Partie, vor der der Bundestrainer harte Worte gesprochen, in denen er „die Phase der Wahrheit und der Klarheit“ ausgerufen hat. Und in dieser Partie üben Vargas und Sanchez wahrhaftig das Passspiel nicht irgendwo auf dem Feld, sondern ganz klar im Strafraum des deutschen Ensembles. Hin und her. Her und hin. Hin und her.
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Am Ende hat Charles Aranguiz den Ball nicht im Netz untergebracht. Und weil bei insgesamt 17 Schüssen auf das vom Lebensversicherungsvertreter Manuel Neuer gehütete Tor der Ball nie im Netz landete, fand Chiles Trainer Jorge Sampaoli einen Kritikpunkt am Auftritt seiner Mannschaft: Das Ding hätte auch mal drin sein müssen, so, wie auf der anderen Seite. Sechs Chancen zählten milde Statistiker für Deutschland, eine wurde nach Kombination in Minute 15 genutzt. Bastian Schweinsteiger zu Mesut Özil, Mesut Özil zu Mario Götze. Drin das Ding, das verhindert, dass ein strammer Wind durchs Land zieht, wie nach der 0:1-Niederlage gegen Argentinien beim Aufbruch ins WM-Jahr 2010, und das den Orkan unmöglich macht, der die Nationalmannschaft nach dem 1:4 in Italien Anfang des WM-Jahres 2006 erfasste.
„Relativ glücklicher Sieg“
„Sieg ist Sieg“, machte Schweinsteiger ein Häkchen hinter dem Resultat. Aber sein Chef wirkte während der Ereignisse zappelig wie nach dem pfundweisen Genuss von Espressobohnen extra knackig. Er schrie. Er tobte. Er beorderte seine Akteure an die Linie und wurde befehlsgewalttätig. Anschließend hielt Löw allerdings lediglich fest, es sei doch „ein relativ glücklicher Sieg“ gewesen. Und sein Versuch einer Erklärung für die Dunkelgrauwerte im Erscheinungsbild seiner Mannschaft fiel sogar noch etwas milchschaumweicher aus. Anderer Mütter Söhne können auch kicken.
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So kann zusammengefasst werden, was er meinte. Was er sagte, genau sagte, klang aber staatsmännisch mahnend. Nicht seine Mannschaft mahnend, sondern das Volk, von dem er glaubt, es hege zu hohe Erwartungen: Wir haben die Besten. Wir werden Weltmeister, egal, was der Jogi über Extremklima und Fußballmamis mit klasse Genen erzählt. Aber!!! „Ich sehe viele internationale Spiele. Mir kann niemand weismachen, dass es nur hier die besten Spieler der Welt gibt.“
Es bleibt jedoch eine Frage offen: Wenn anderer Mütter Söhne auch kicken können, müssten dann nicht die Söhne Teutonias zumindest alle gemeinsam dagegen halten? Sich zum Beispiel darum bemühen, all die ständig Gefahrenherde in Neuer-Tornähe anfackelnden weit geschlagenen diagonalen und vertikalen Bälle nach guter moderner Fußballsitte bereits ganz vorn zu unterbinden? Mittelstürmer und Altmeister Miroslav Klose, nahm sich ganz aus dem Spiel. Özil und Götze hatten lichte Momente, wenn es lustig nach vorn lief. Das Zustellen von Passwegen, das aggressive Attackieren von Kontrahenten weit vorn im Feld empfanden sie aber offensichtlich als so lästig wie der Kollege Kroos.
Und der Rest? Widmete sich unter Zuhilfenahme aller Beine, der Querlatte und vor allem des nicht auf dem Aufstellungsbogen notierten, aber ganz sicher mitwirkenden Entenhausen-Comic-Glückskinds Gustav Gans, den Aufräumarbeiten für die Kameraden. Philipp Lahm in der Mitte mit Schweinsteiger? Hat wohl Zukunft. Kevin Großkreutz rechts hinten? Immerhin keine Mentalitätsmaus. Sollte unbedingt Zukunft haben.