Salvador. . In Brasilien formiert sich eine große Protestbewegung gegen die WM und den Fußball-Weltverband Fifa. Das Turnier 2014 soll eine Bühne für Demonstrationen werden.

Die erste große Prüfung hat die WM-Organisation mit mäßigen Noten überstanden. Es knirscht bei der Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien an vielen Stellen. Die Hälfte der zwölf Stadien wartet nach Überschreitung aller Termine noch immer auf ihre Fertigstellung, viele der versprochenen Infrastruktur-Maßnahmen wie der Aufbau von funktionierenden öffentlichen Verkehrssystemen wurden stillschweigend begraben.

Das WM-Organisationskomitee ist seinen Aufgaben kaum gewachsen und hat wichtige Teile der Organisation in die Verantwortung der zwölf WM-Städte zurück übertragen.

Doch gerade in den lokalen und regionalen Verwaltungen paaren sich der Hang zur Korruption und Inkompetenz. Der Internationale Fußball-Verband Fifa stöhnt über die Zustände, viele der Fifa-Mitarbeiter sehnen den Abend des 13. Juli herbei, weil sie dann diese WM hinter sich gebracht haben.

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Als die Fifa im vorigen Jahr versuchte, Druck aufzubauen, um die Organisation auf einen Standard wie bei der WM 2010 in Südafrika zu heben, misslang dies völlig. Generalsekretär Jerome Valcke vergriff sich im Ton, danach stellten sich die in einem eigenen, langsamen Rhythmus arbeitenden Brasilianer völlig quer.

Laut Romario werden Demonstrationen die WM 2014 begleiten

Doch das Schlimmste steht der zweiten WM, die nach 1950 in Brasilien stattfindet, wohl erst noch bevor. „Es wird Unruhen geben“, sagt Romario de Souza Fario, der als bester Torjäger der WM 1994 dazu beitrug, dass Brasilien nach 24 Jahren den vierten Titel gewinnen konnte.

Eine landesweit arbeitende Organisation, das „Comite Popular“ bereitet sich intensiv darauf vor, dass die WM von großen Demonstrationen wie beim Confederations Cup im vorigen Juni begleitet werden.

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Einer macht massiv Stimmung gegen die WM. Romario, der schon als einer der erfolgreichsten Stürmer Brasiliens ein exzentrischer, eigenwilliger Mann war, ist mittlerweile Abgeordneter der Sozialistischen Partei und nimmt im Parlament in Brasilia die einflussreiche Stellung des Vorsitzenden des Sportausschusses ein.

"Die Fifa beraubt das brasilianische Volk"

Von der Auslosung hielt sich der 47-Jährige aus Protest demonstrativ fern, während andere ehemalige Superstars der Nationalmannschaft auf der Bühne erschienen. Ronaldo und Bebeto, die für das WM-OK arbeiten, und die National-Ikone Pele sprachen begeistert über das wunderbare Turnier, das ab dem 12. Juni gefeiert werde.

„Die Fifa beraubt das brasilianische Volk“, sagt dagegen Romario, der gegen den Weltverband und die Regierung wettert. „Die Fifa kommt nur ins Land, um Geld zu scheffeln.“ Sie entrichte keinerlei Steuern und werde einen riesigen Profit aus dem 64-Spiele-Spektakel ziehen.

Präsident Sepp Blatter habe keinerlei Interesse daran, wie es Brasilien nach der WM gehe. Dass die meisten Versprechungen, mit der WM dem ganzen Land einen Schub für eine Entwicklung zu geben, nach und nach kassiert wurden, interessiere Blatter und die Funktionäre nicht. Sie wollten sich nur die eigenen Taschen füllen, behauptet Romario.

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2,5 bis 3 Milliarden Euro sollen die Neu- und Umbauten der Stadien kosten, heißt es in offiziellen Verlautbarungen. Wenn aber alles zusammengerechnet werde, koste die WM die Bevölkerung insgesamt zehn Milliarden Euro, so Romario. Ihm werde übel, wenn er daran denke. Regierungschefin Dilma Rousseff prangert er praktisch wöchentlich an, weil sie viel zu gutmütig gegenüber der Fifa sei.

Mit 30 Prozent der WM-Kosten könnte man Brasiliens soziale Probleme lösen

Die Fifa hatte Brasilien die WM zugeschustert, indem sie darauf bestand, dass das Turnier in Südamerika stattfinden müsse. Für die WM 2018 und 2022 entstand dann ein Andrang von mehr als einem Dutzend Bewerbern – mit dem Ergebnis, dass Katar schon neun Jahre vor der Ausrichtung permanent für negative Schlagzeilen sorgt. So werden jetzt zumindest die Probleme in Brasilien kaschiert.

Romario prangert die sozialen Missstände an und findet damit viel Gehör unter den 198 Millionen Brasilianern. „In Brasilien sieht man Krankenhäuser ohne Betten“, sagte er. „Die Leute liegen auf dem Boden. Es gibt Schulen, in den an die Kinder kein Essen vergeben werden kann“, sagt der Weltfußballer von 1994. Seine Liste der Mängel ist umfassend.

Dass sie der brasilianischen Lebenswirklichkeit entspricht, bestreitet kaum jemand. Das Bildungssystem ist schlecht, ein öffentliches Verkehrssystem besteht in vielen Städten nicht einmal, Wohnraum ist teuer. Das alles sei bekannt, sagt Romario, aber nichts geschehe: „Mit nur 30 Prozent der horrenden WM-Kosten hätte man einige Probleme schon lösen können.“