München. . Bierduschen, Autokorso, Marienplatz: Die Münchner Meistersause hatte alles, was das bayerische Herz begehrt. Und doch waren Spieler und Verantwortliche des FC Bayern München mit ihren Gedanken schon weiter - in Wembley. Dort wollen die Bayern ihre Saison mit einem Sieg gegen Borussia Dortmund krönen.

Die Schale stand bereits seit gut sechs Stunden wieder „dahoam“, und die biergeduschten Rekord-Meister hatten den Rathausbalkon längst verlassen, da visierte der FC Nimmersatt schon den nächsten großen Coup an. „Ich sage voller Stolz: Mia san mia steht für den FC Bayern“, rief Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge den 500 Gästen im Münchner Postpalast zu, „so werden wir in zwei Wochen beim Champions-League-Finale antreten.“ Dann zitierte er Erfolgscoach Jupp Heynckes: „Wir wollen nicht mit diesem Pokal aus London zurückkehren, wir werden mit diesem Pokal zurückkehren.“

Lahm: "Wir wollen noch zwei andere Titel"

Die Schale, die 23. deutsche Meisterschaft, der Konfettiregen, die Bierduschen, der Autokorso vorbei an 150.000 Menschen und die Party vor 20.000 Fans auf dem Marienplatz - all das soll nur eine Ouvertüre gewesen sein für die richtig große Sause.

Nach dem großen Endspiel gegen Borussia Dortmund am 25. Mai in London - und mit dem Henkelpott. „Die Schale ist wieder in München, da wo sie hingehört“, rief Kapitän Philipp Lahm den Anhängern abends um halb zehn vom Balkon aus zu, „aber wir wollen noch zwei andere Titel.“ Und Heynckes fügte unter dem Jubel der Anhänger an: „Wir werden alles daransetzen, am 25. das zu erreichen, wovon wir alle träumen.“

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Das Triple mit dem auch noch möglichen Triumph im DFB-Pokalfinale am 1. Juni gegen den VfB Stuttgart in Berlin elektrisiert die Bayern - ordentlich gefeiert haben sie ihre 23. Meisterschaft aber dennoch. War der 600. Liga-Heimsieg beim 3:0 (0:0) gegen den FC Augsburg mit den Treffern von Thomas Müller (69.), Xherdan Shaqiri (82.) und Luiz Gustavo (87.) noch ein eher schaler Auftakt, gaben die Spieler nach der Übergabe der „Salatschüssel“ durch Liga- und BVB-Präsident Reinhard Rauball an Lahm um 17.39 Uhr schon etwas mehr Gas.

Heynckes in München verabschiedet

Als ein Sponsor die Drei-Liter-Weißbiergläser auffuhr, spielten sich in der Arena regelrechte Jagdszenen ab. Das erste „Opfer“ war Heynckes, den Anatoli Timoschtschuk vor der Gegengerade stellte und mit Bier übergoss. „Ich habe lieber die Bierdusche genommen, als mir einen Muskelfaserriss zuzuziehen“, sagte der 68-Jährige, für den bei seinem letzten Heimspiel auch „ein bisschen Wehmut“ dabei war. Der Klub verabschiedete ihn mit Blumen als „Vater des Erfolges“, die nach zwei titellosen Jahren laut Heynckes „ausgehungerten“ Fans und seine Spieler feierten ihn mit „Jupp, Jupp, Jupp“-Sprechchören.

In der Kabine feierten die Bayern mit Rummenigge und Präsident Uli Hoeneß („wunderbar, wunderbar“) sowie Champagner. Beim Autokorso stieg die Stimmung weiter, Lahm schwärmte von einem „wunderschönen Erlebnis“. Dass Rummenigge vor dem Gang auf den Balkon wegen London das Motto ausgab: „Ich gebe Vollgas, die Mannschaft feiert bitte mit angezogener Handbremse“, interessierte viele Spieler bald gar nicht mehr. „Super Bayern, super Bayern, hey, hey“, sangen die Stars immer wieder. Arjen Robben gelang es noch auf dem Balkon, den bis dahin trockengebliebenen Sportvorstand Matthias Sammer zu duschen.

Schweinsteiger als Drummer

Sammer, sonst ein bekennender Wasser-Trinker, hatte sich zuvor im Rathaus ein Weißbier gegönnt. „Da müssen erst ein großer Verein und große Spieler kommen“, sagte der ehemalige Dortmunder über seinen plötzlichen Alkohol-Genuss. Es war die einzige, winzige Spitze in Richtung BVB an diesem feucht-fröhlichen Abend, den die Bayern im Postpalast abrundeten.

Dort versuchte sich Bastian Schweinsteiger als Drummer der Stimmungsband, während Rummenigge ein überraschendes Liebesgeständnis machte: „Der FC Bayern 2012/13 war ein Sommer-, ein Herbst-, ein Frühjahr- und ein Wintermärchen - alles in einem. Ich gebe zu, ich bin ein Stück weit verliebt in diese Mannschaft.“

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Ein besonderes Anliegen war es Rummenigge jedoch, dem Duell mit der Borussia die Schärfe zu nehmen. Ehrengast Rauball reichte er in seiner Rede „demonstrativ die Hand“. An Auswüchsen wie in Spanien beim Clasico zwischen Real Madrid und dem FC Barcelona sei der FC Bayern nicht interessiert. „Nicht Häme, nicht Polemik und erst recht nicht Hass sollen uns in den nächsten Wochen begleiten. Ich wünsche mir gegenseitigen Respekt, Verantwortung und Souveränität.“

Lahm: "Wir wollen wir unsere Saison krönen"

Neben Rummenigge stand auf einem Sockel die Schale - dort, wo am 19. Mai 2012 der Champions-League-Pokal hätte stehen sollen. Damals verarbeiteten die Bayern ihr „Drama dahoam“ mit dem gegen den FC Chelsea verlorenen Finale ebenfalls im Postpalast. „Ein begossener Pudel ist noch ein quicklebendiges Viecherl im Vergleich zu unserer Stimmung an diesem Abend“, erinnerte sich Rummenigge.

Doch am nächsten Morgen, als München trauerte und Schweinsteiger seinen lädierten Knöchel in der Isar kühlte, erinnerte sich der FC Bayern ans „Mia san mia“. Dieser Trotz führte sie zu einer Saison, die es, wie Lahm richtig hervorhob, „in 50 Jahren Bundesliga noch nicht gegeben hat“. In zwei, dann in drei Wochen „wollen wir unsere Saison krönen“, fügte Lahm an. Aus seinen Augen sprach Gier. (sid)