Frankfurt/Main. Nach der hitzig geführten Sicherheitsdiskussion der Bundesliga-Hinrunde reformiert der Deutsche Fußball-Bund (DFB) die Sportgerichtsbarkeit. Geisterspiele sollen auf Bewährung ausgesetzt werden - wenn die Vereine bereit sind, sich selbst zu helfen. DFB-Vizepräsident Rainer Koch: “Es ist die klare Zielsetzung, täterorientiert vorzugehen.“
Chaotenjagd statt Geisterkulisse, Spiele auf Bewährung statt drakonischer Strafen: Nach der hitzig geführten Sicherheitsdiskussion der Bundesliga-Hinrunde möchte der Deutsche Fußball-Bund (DFB) die Sportgerichtsbarkeit revolutionieren - und macht einen großen Schritt auf die gegen Kollektivstrafen protestierenden Fans zu. "Es ist die klare Zielsetzung, täterorientiert vorzugehen", sagte Rainer Koch, DFB-Vizepräsident für Rechts- und Satzungsfragen, dem Sport-Informations-Dienst (SID).
"In Zukunft soll es beispielsweise möglich sein, ein Geisterspiel für ein oder zwei Jahre auf Bewährung auszusprechen", um den Klubs Zeit für die Täterermittlung einzuräumen. Erst wenn "in dieser Zeit erneut etwas Vergleichbares passiert, muss die Strafe vollstreckt werden", sagte Koch.
Vereine müssen Täter ermitteln wollen
Voraussetzung für diese deutliche Strafmilderung ist die bedingungslose Bereitschaft der Vereine, die Chaoten unter der eigenen Fans zu identifizieren und dingfest zu machen. Beim DFB-Bundestag am 24. und 25. Oktober in Nürnberg sollen dafür "in Satzung und Ordnungen Regelungen geschaffen werden, um die Vereine einerseits in die Pflicht nehmen zu können, die Täter aufzuspüren und ihnen andererseits Strafmilderung zu gewähren, wenn sie entsprechend handeln", sagte Koch.
Profitieren von dem Umschwung in der DFB-Zentrale können die "Problemvereine" der Ligen schon jetzt. Zwar habe das Sportgericht "im Moment noch nicht die Möglichkeit, eine Strafe zur Bewährung zu verhängen", sagte Koch: "Dennoch versuchen die Rechtsorgane schon jetzt, den gleichen Effekt zu erzielen, indem nicht sofort ein Urteil ausgesprochen wird, sondern zunächst die Anstrengungen in den Vereinen beobachtet werden und diese dann in die Bemessung des Strafmaßes Eingang finden."
Betreffen würde das, so der 54 Jahre alte Richter am Oberlandesgericht München, jedoch nur die Fälle der jüngsten Vergangenheit, in denen noch kein Urteil gesprochen ist - besonders die unmittelbaren Nachbarn des DFB im Frankfurter Stadtwald dürften sich freuen.
Noch keine Anklage wegen Frankfurter "Pyro-Eklat"
Bundesligist Eintracht Frankfurt steht nach dem "Pyro-Eklat" von Leverkusen unter strenger Beobachtung des DFB-Kontrollausschusses, der aber bislang noch keine Anklage erhoben hat. Im Gegenteil: der DFB lud die Eintracht-Bosse zu Gesprächen und verschaffte so mehr Zeit für die Aufarbeitung der Vorfälle am 19. Januar.
Frankfurter Randalierer hatten während des Spiels bei Bayer Leverkusen (1:3) im eigenen Block Silvesterraketen abgeschossen und Bengalos gezündet. Schiedsrichter Wolfgang Stark (Ergolding) unterbrach das Spiel für sechs Minuten. Um das befürchtete Geisterspiel und die damit verbundenen, großen finanziellen Einbußen kam der Tabellenvierte bislang herum.
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Teuer zu stehen kommen die Profiklubs aber auch Bewährungsstrafen. Frankfurt bezifferte die Kosten für die - in der Mainmetropole wohl nötige - feste Installation einer neuen, hochauflösenden Kameratechnik auf bis zu 300.000 Euro. In Leverkusen wurde bereits erfolgreich eine neue TV-Technik eingesetzt, sodass bei besagtem Spiel zwölf Frankfurter Täter identifiziert werden konnten. Nach Leverkusener Angaben wurden die Täter mit einem bundesweiten Stadionverbot bis 2016 belegt.
Mehr Einsatzkräfte und Poliziszen sind nicht die Lösung
Dass es mit mehr Einsatzkräften und Polizisten nicht getan ist, zeigten die jüngsten Ausschreitungen deutlich. "Man kann ja nicht einfach die Polizei in die Blöcke schicken", sagte Koch: "Deshalb müssen andere Maßnahmen von den Vereinen ergriffen werden - und genau dafür soll es in Zukunft am konkreten Einzelfall orientierte Vorschriften und Auflagen geben."
Zudem scheint die neue Marschroute des DFB auch in den Fanblöcken ihren Zweck zu erfüllen. Seit dem Eklat in Leverkusen ist es in Frankfurt und bei Auswärtsspielen der Eintracht ruhig geblieben, vermeintliche Pyromanen wurden selbst beim Zünden der kleinsten Knallkörper gnadenlos ausgepfiffen. Wohl auch, weil die Fans wissen, dass die Klub längst finanzielle Strafen rigoros auf den eigenen Anhang oder - je nachdem, welcher Block "brannte"- auf die Auswärtskarten des Gegners umlegen. (sid)