Berlin. . Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, kann einpacken. Die größten Populisten in der Gewaltdebatte sitzen nicht in den Polizeigewerkschaften, sondern in den Innenministerien und Staatskanzleien. Die Kollegen von 11Freunde geben einen Überblick.

Uwe Schünemann, Innenminister Niedersachsen

Also sprach Uwe Schünemann, niedersächsischer Innenminister, am 5.Dezember in der Sport-Bild: „Bei einer hohen Gefährdungslage muss es möglich sein, Ganzkörperkontrollen anzuordnen, aber auch den Verkauf sowohl von Steh- als auch von Sitzplätzen massiv einzuschränken. Damit kann das Risiko von Ausschreitungen deutlich reduziert werden.“ Was Schünemann vergisst zu erwähnen: Das Oberverwaltungsgericht Saarbrücken hat in diesem Fall Ganzkörperkontrollen „als übermäßigen und unverhältnismäßigen Eingriff in die Intimsphäre“ klassifiziert. Die Durchsuchung der Klägerin, die sich bei einem Auswärtsspiel vor dem Stadion entkleiden musste, sei „in ihrem Umfang beziehungsweise in ihrer Intensität rechtlich zu beanstanden“, heißt es im Urteil. Was die Frage aufwirft: Ist es eigentlich Zufall, dass so viele Vorschläge von Innenministern in Bezug auf den Fußball auftauchen, die Juristen als rechtlich bedenklich einstufen – oder hat das Methode? Zumal Schünemann Wiederholungstäter ist. Bereits zwei Mal (2003, 2011) erhielt er den „Big Brother“-Award, verliehen an denjenigen, „der in besonderer Weise und nachhaltig die Privatsphäre von Personen beeinträchtigen“. Die Chancen, dass Schünemann durch den Fußball doch noch den Titel-Hattrick schafft: hoch. Die Chancen, dass Schünemann geltendes Recht berücksichtigt: niedrig.

Lorenz Caffier, Innenminister in Mecklenburg-Vorpommern

Hans-Peter Friedrich, Bundesinnenminister
Hans-Peter Friedrich, Bundesinnenminister © imago

Lorenz Caffier, optischer Widergänger von Georg Gafron, formulierte am 31.10.2012 gegenüber der Sportbild: „Die Innenminister erwarten nach wie vor, dass die präventiven Maßnahmen im Profifußball zu 100 Prozent durch den Fußball übernommen werden, sodass die Länder die frei werdenden Präventionsmittel aus der bisherigen Drittel-Finanzierung den Landesligen zur Verfügung stellen können“. Ein geschickter Schachzug, denn so konnten die Teilnehmer der Sicherheitskonferenz am 17. Juli sich damit brüsten, die Zuwendungen für Fan-Projekte würden um 50 Prozent erhöht. In Wirklichkeit gibt es gar nicht mehr Geld für die Fan-Projekte, also für die unmittelbare Gewalt-Prävention. Der Fußball zahlt einfach doppelt so viel, die Politik zieht sich weiter zurück. Allein schon die in der Pressemitteilung gewählte Formulierung, Kommunen und Länder würden „erheblich entlastet“ werden, ist bezeichnend dafür, wie Fan-Projekte und ihre soziale Bedeutung wahrgenommen werden. Besonders rätselhaft: Warum nun ausgerechnet die Landesligen in den Genuss von Mitteln aus dem Landeshaushalt kommen sollen? Warum nicht die anderen Spielklassen? Um es mit Helen Lovejoy zu sagen: Denkt denn hier niemand auch nur einmal an die Verbandsligen?

Könige der Geisterdebatte 

Volker Bouffier, hessischer Ministerpräsident

Da hatte Volker Bouffier, Nachfolger von Roland Koch, aber mal eine richtig gute Idee: „Ich empfehle die Einführung eines ,Sicherheits-Euro' durch die Vereine. Das heißt: Jeder Fan bezahlt freiwillig einen Euro mehr als die Karte normalerweise kostet“. Wobei Bouffier ganz offensichtlich das Wort „freiwillig“ nicht im Sinne von „freiwillig“ interpretiert sehen möchte, sondern als verpflichtende Zusatzabgabe, die dann direkt in die Anschaffung von Polizeihelmen, Ordnerjacken und Reizgas fließt. Ganz so, als seien die Eintrittspreise nicht ohnehin schon hoch genug. Ganz so, als würde die Bundesliga nicht ohnehin schon pro Saison über 700 Millionen Steuern an den Staat zahlen. Ganz so, als sei es nicht eine elementare Aufgabe des Staates, seine Bürger auch bei öffentlichen Großveranstaltungen zu schützen. Und der Sicherheits-Euro wäre ja auch nur der Anfang. Als nächstes könnten Anhänger dann den Toiletten-Euro für funktionsfähige Sanitäranlagen berappen, den Show-Euro für eine wattstarke Beschallungsanlage im Stadion. Und den Populismus-Euro für Politiker, die sich in den VIP-Logen der Bundesliga-Stadien drängeln.

Hans-Peter Friedrich, Bundesinnenminister

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Als Aufklärer in Sachen NSU-Morde macht Innenminister Hans-Peter Friedrich ja etwa eine so gute Figur wie Heide Simonis bei „Let´s dance“. Umso mehr ist Friedrich bemüht, in der Geisterdebatte um die Fußballgewalt den durchsetzungsstarken und handlungsfähigen Innenminister zu mimen und pustet deshalb in erstaunlicher Taktung debile Vorschläge in die öffentliche Debatte. „Als Möglichkeit kann man es durchaus in Betracht ziehen“, sagte Friedrich und meinte damit die Überwachung von Hooligans mit elektronischen Fußfesseln. Was insofern erstaunlich war, als sich einen Innenminister doch besonders streng an die deutschen Gesetze halten sollte. So musste sich Friedrich, peinlich genug, von seinem bayrischen Kollegen Joachim Hermann belehren lassen: „Ich kann das nicht ganz nachvollziehen. Dafür fehlt die Rechtsgrundlage.“ (11Freunde.de)