München. Die Voraussetzungen für den Einzug ins Halbfinale der Champions League könnten für den FC Bayern München kaum besser sein. Nach dem 2:0-Sieg gegen Olympique Marseille wollen die Münchener im Schongang die nächste Runde erreichen. Die Franzosen geben sich im Vorfeld schon geschlagen.
Eigentlich kann ja nichts mehr schief gehen: Einen 2:0-Vorsprung aus einem Auswärtsspiel hat in der Geschichte der Champions League noch keine Mannschaft verspielt. Erst zwei Teams schafften das Kunststück nach einem 1:0 aus dem Hinspiel - aber unter denen ist seit der vergangenen Saison neben Panathinaikos Athen ausgerechnet Bayern München. Die bemüht seriösen Warnungen von Trainer Jupp Heynckes vor dem Viertelfinal-Rückspiel am Dienstag (20.45 Uhr) gegen Olympique Marseille sind daher wohl ernst zu nehmen: "Ich möchte daran erinnern, dass Marseille nach einem 0:2 gegen Dortmund noch 3:2 gewonnen hat", sagte der 66-Jährige am Montag in München.
Bayern will gegen Marseille einen Sieg im Schongang einfahren
Dem bitteren Aus gegen Inter Mailand folgte für die Bayern 2011 eine titellose Saison - doch daran will inmitten des Höhenfluges der vergangenen Wochen niemand denken. "Wenn wir konzentriert Fußball spielen, dann brennt am Dienstag nichts mehr an", sagte Kapitän Philipp Lahm. Auch Heynckes war sich sicher, dass seine Mannschaft "mit einer konzentrierten, fokussierten und seriösen Leistung ins Halbfinale einziehen wird. Wir haben einen psychologischen Vorteil". In der Meisterschaft nur noch drei Punkte hinter Borussia Dortmund, das Pokal-Finale vor der Brust und auch das Halbfinale der Königsklasse gegen Madrid scheint schon jetzt "real": Sportdirektor Christian Nerlinger traut der Mannschaft inzwischen wieder "alles zu".
Angesichts des harten Restprogramms hofft in München jeder auf einen Sieg im Schongang. Sogar ein 0:1 gegen den strauchelnden französischen Vizemeister würde den Bayern für den sechsten Einzug in das Halbfinale der Champions League und das Traum-Duell mit Real Madrid reichen. "Im Fußball passieren viele verrückte Dinge. Wir werden in unserem Stile natürlich versuchen, zu gewinnen", sagte Mario Gomez. Der Torjäger trägt - wenn auch offiziell "nicht wichtig" - zudem sein eigenes Duell mit Weltfußballer Lionel Messi aus. 11:12 steht es im Wettschießen der beiden Ausnahmefußballer.
Die vor vier Wochen fast verloren geglaubte Saison wirkt 46 Tage vor dem großen Heim-Finale der Champions League wieder so, als könnte sie eine der größten der Vereinsgeschichte werden. "Wir haben Vertrauen und können noch alles erreichen. Wir müssen jetzt nur so weitermachen", sagte Arjen Robben. Dessen in der "Bild"-Zeitung spekulierte Vertragsverlängerung bestätigte Heynckes ganz nebenbei inoffiziell: "Ich denke, dass das intern ja schon seit einiger Zeit verhandelt wurde. Ich gehe davon aus, dass der Arjen irgendwann im Laufe der jetzigen Runde seine Unterschrift darunter setzt."
Heynckes schließt Rotation beim FC Bayern nicht mehr aus
Im Hintergrund werden die Weichen für die Zukunft gestellt - im Vordergrund steht das sportliche Mammut-Programm auf drei Hochzeiten. Die Kräfte werden in der vierten englischen Woche langsam weniger, Gomez zumindest macht das aber nichts aus: "Ich finde es nicht schlimm, alle drei Tage ein Highlight-Spiel zu haben."
Heynckes schloss eine Rotation wie zuletzt gegen Hannover und Nürnberg aber zumindest nicht aus, will aber eine wettbewerbsfähige Mannschaft auflaufen lassen. Bastian Schweinsteiger kann sich aufgrund seiner Gelbsperre für die Schicksalsspiele gegen Borussia Dortmund und Real Madrid ohnehin schonen. Vorsicht ist bei den vorbelasteten Toni Kroos, Luiz Gustavo, Jerome Boateng und Thomas Müller geboten. "Ich kann darauf keine Rücksicht nehmen, aber ich habe auch so schlaue Spieler, dass sie wissen, wann eine gelbe Karte zu vermeiden ist", sagte Heynckes.
Marseille denkt nach acht Niederlagen in neun Pflichtspielen nur noch an Schadensbegrenzung. Schon vor der Ankunft des Sonderfluges CLJ 497 am Münchner Flughafen hatte die Mannschaft des umstrittenen Trainers Didier Deschamps förmlich kapituliert. "Wir wollen immerhin mit einer starken Leistung beweisen, dass wir auf diesem Niveau bestehen können", sagte Mittelfeldspieler Mathieu Valbuena. Nationaltorhüter Steve Mandanda ist wieder dabei, dafür fehlt der ehemalige Bayern-Spieler Alou Diarra gelbgesperrt. Valbuena schickte aber immerhin eine Warnung an die Bayern: "Wir haben nichts zu verlieren und können frei aufspielen".