Dortmund. Mike Tullberg kämpft für den BVB und sich selbst. Beim Spiel gegen Werder Bremen kann er sich auf der großen Bundesliga-Bühne präsentieren.

Freitagmittag, 40 Sekunden dauert es noch, dann beginnt die Pressekonferenz, auf der, wer hätte das vor einer Woche gedacht, Mike Tullberg im Mittelpunkt steht. Der Däne sitzt auf dem Podium im Trainingszentrum an der Adi-Preißler-Alle, trägt ein schwarzes BVB-Shirt, greift zu einer Flasche Wasser, die ihm vor ihm steht, kratzt sich am Kopf. Dass dieser Auftritt nicht zu seinen alltäglichen Aufgaben gehört, dass er Nervosität hervorruft, das lässt sich in diesen 40 Sekunden beobachten. Dann startet die PK, und plötzlich wird Tullberg wieder zu dem selbstbewussten und schnörkellosen Typen, als der er bekannt ist.

Es fallen Worte wie „Sabber im Mund“ und „Messer zwischen den Zähnen“ und „Vollsprint“. Als die Frage aufkommt, ob die Spieler angesichts der Belastung müde sein könnten, würgt Tullberg den Fragesteller ab, beugt sich nach vorn in Richtung Mikrofon und sagt: „Müde? Das sind nur Ausreden. Ich brauche Spieler, die marschieren können.“ Punkt. Dies ist also der Ton, den Borussia Dortmunds Ein-Spiel-Trainer in den wenigen Tagen, die er im Amt sein wird, setzen möchte.

Mike Tullberg, Kurzzeit-BVB-Trainer, sagt: „Müde? Das sind nur Ausreden.“
Mike Tullberg, Kurzzeit-BVB-Trainer, sagt: „Müde? Das sind nur Ausreden.“ © dpa | Bernd Thissen

Eigentlich trainiert Mike Tullberg die U19 des BVB

39 Jahre alt ist der ehemalige Mittelstürmer, bei dem durch seinen Akzent durchklingt, dass Deutsch nicht seine Muttersprache ist. Eigentlich trainiert Tullberg die U19 des Klubs, nun aber wird er am Samstag (15.30 Uhr/Sky) im Heimspiel gegen Werder Bremen den entlassenen Nuri Sahin ersetzen. Über 80.000 Fans werden sich im Stadion versammeln und verfolgen, ob es gelingt, den taumelnden BVB wieder zu beruhigen. Und für den langjährigen Jugendtrainer bietet sich die Chance, sich auf der großen Bundesliga-Bühne für höhere Aufgaben zu empfehlen.

Kann aus dem Interimstrainer sogar eine Dauerlösung werden?

Julian Brandt, einer der verunsicherten BVB-Profis.
Julian Brandt, einer der verunsicherten BVB-Profis. © AFP | KIRILL KUDRYAVTSEV

Mike Tullberg über den BVB: „Müssen uns nicht kleiner machen, als wir sind“

Nein, meint Tullberg. „Meine Aufgabe ist es, die Mannschaft bis Sonntag zu betreuen.“ Bis dahin möchten die Klub-Bosse einen neuen Trainer finden. Überhaupt: Die Spieler hätten das Fußballspielen nicht verlernt, sagt Tullberg. „Wir müssen uns nicht kleiner machen, als wir sind. Die haben alle angefangen, auf einem Spielplatz Fußball zu spielen. Den Spaß darf man niemals verlieren.“

Bloß verströmten die vergangenen Auftritte der Schwarz-Gelben vor allem Schrecken. Alle vier Pflichtspiele hat der BVB im Jahr 2025 verloren. Beim 1:2 in Bologna enttäuschte die Leistung der teuren Auswahl derart, dass der externe Berater Matthias Sammer in seiner Rolle als Amazon-Prime-Experte meinte: „Leider kann die Mannschaft nicht verteidigen, aber angreifen kann sie auch nicht.“ Sie sei „in einer körperlichen und geistigen Nicht-Verfassung“.

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Auf die Worte von Matthias Sammer wolle er nicht eingehen, erklärt Tullberg, „für mich geht es darum, wieder Energie in die Mannschaft zu kriegen, den Jungs Mut zuzusprechen.“ In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch habe er von seiner Beförderung erfahren und sich direkt mit seinen Co-Trainern Daniel Rios, 45, und Patrick Fritsch, 26, zusammengesetzt, sich Videos vom Gegner Bremen angeschaut. In der Vergangenheit habe er sich in solchen Fällen schon mal im Hotel einquartiert, erzählt Tullberg, diesmal aber sei am nächsten Morgen nach einer Nacht ohne Schlaf die Autobahn nach Essen bereits wieder frei gewesen. „Deswegen bin ich nach Hause gefahren.“ Drei Kinder hat der Familienvater. „Ich war nicht viel da in den vergangenen Tagen. Aber ich muss dem Verein helfen.“

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BVB: Serhou Guirassy kann gegen Bremen spielen

Seit sechs Jahren arbeitet Mike Tullberg für Borussia Dortmund. Erst formte er die U23, seit 2020 kümmert er sich um die U19-Talente. Als Spieler lief der Angreifer für den italienischen Klub Reggina Calcio auf, wechselte dann zum Zweitligisten Rot-Weiß Oberhausen. Eine Knieverletzung verhinderte eine längere Profikarriere, es reichte nur für vier Spiele bei RWO.

Anfang Januar stand Tullberg vor einem Wechsel nach Norwegen, Brann Bergen buhlte um seine Gunst. Letztlich führten die Gespräche jedoch nicht zu einer Einigung, der Trainer blieb in Dortmund und muss jetzt die verunsicherten BVB-Profis aufrichten. Viel Vorbereitungszeit bleibt ihm dafür nicht. Nur am Freitag kann er richtig mit den Profis trainieren. Das Positive: Serhou Guirassy plagen zwar Schmerzen an den Rippen, der Stürmer wird gegen Bremen aber auflaufen können. Nur der Einsatz des angeschlagenen Verteidigers Waldemar Anton wackelt, der langzeitverletzte Niklas Süle fehlt weiterhin.

„Ich werde die Spieler aufstellen, die bereit sind“, sagt Tullberg. „Sie sollen jetzt auch mal das spielen, was sie im Bauch fühlen.“ Und er selbst? Kann er dieses begrenzte Abenteuer genießen? „Druck ist für mich etwas anderes. Fußball war mein ganzes Leben, dann passieren auch andere Sachen. Jetzt sage ich: Fußball ist das Allerwichtigste, was nicht wichtig ist.“