Dortmund. Nico Schlotterbeck ist eines der BVB-Gesichter. Hier spricht er über das Duell mit Leverkusen, das Kapitänsamt und Führungsstärke, die dem BVB gut zu Gesicht steht.
Dass ein Bild der Dortmunder Südtribüne hinter Nico Schlotterbeck hängt, ist kein Zufall. Der Besprechungsraum in der BVB-Sportgeschäftsstelle, in dem das Gespräch mit dem 25-Jährigen stattfindet, trägt den Namen Gelbe Wand. Schlotterbeck, 25, ist in den vergangenen Monaten zum absoluten Führungsspieler aufgestiegen. Hier erklärt er, wie sein Klub im neuen Jahr endlich zu mehr Konstanz finden will. Am besten schon an diesem Freitag gegen Bayer Leverkusen (20.30 Uhr/Sat1 und DAZN).
Herr Schlotterbeck, Sie waren schon bei der Basketball-EM, schauen gerne Darts und jetzt im Weihnachtsurlaub kam American Football hinzu. Was fasziniert Sie an anderen Sportarten?
Schlotterbeck: Ich bin generell sehr sportbegeistert und kann tatsächlich auch ganz gut vom Fußball abschalten, wenn ich mir andere Sportarten anschaue. Als ich jetzt in Florida war, habe ich mir ein NBA-Spiel der Orlando Magic angeguckt. Leider waren die Wagner-Brüder (Franz und Moritz, d. Red) beide verletzt. Ich habe Sie schon mal getroffen. Das sind zwei coole Jungs, sie erinnern mich ein bisschen an meinen Bruder Keven und mich.
Können Sie als Fußballer etwas von den anderen Sportlern lernen?
Was meine fußballerischen Fähigkeiten angeht eher nicht (lacht). Im Basketball zum Beispiel ist es häufig so, dass der beste Spieler an den Ball gebracht wird und der dann Spielzüge kreiert oder vollendet. Das lässt sich im Fußball ja nicht so kopieren. Wenn es aber etwas gibt, das alle Sportarten verbindet, dann ist es die mentale Stärke, die jeder braucht. Egal, ob im Mannschaftssport oder bei Einzelsportarten.
Sie erinnern auf dem Platz auch an einen Quarterback im American Football mit Ihren langen, präzisen Bällen.
(lacht) Der Vergleich gefällt mir. Klar spiele ich als Innenverteidiger im Aufbau auch immer wieder lange Bälle, wenn sich die Situation ergibt. Nur: Der Quarterback weiß vor dem Angriff schon, wo er den Ball hinwerfen wird, da ist jeder Spielzug einstudiert. Das ist bei mir natürlich anders, da kommt es jedes Mal auf Räume und Laufwege an, um mit einem langen Ball eine erfolgsversprechende Situation zu kreieren.
BVB: Nico Schlotterbeck über seine Vorliebe für eine Grätsche
Ihre langen Bälle sind in dieser Saison auffällig. Wie trainieren Sie so etwas?
Meistens aus den Spielformen im Training, also möglichst nah an der Spielsituation. Ich weiß noch, dass Christian Streich damals in Freiburg sehr kritisch mit mir war, was die Passqualität anging. „Da musst du dich verbessern“ hat er mehr als einmal gesagt (lacht).
Und wann kribbelt es mehr: Bei einem Pass oder einer Grätsche?
Wenn ein langer Ball ankommt und so wie im Halbfinale gegen Paris letzte Saison auf Fülle (Niclas Füllkrug, d. Red.) direkt zum Tor führt, dann freue ich mich da schon sehr drüber. Wenn du als Verteidiger eine erfolgreiche Grätsche auspackst, dann löst die bei den Fans im Stadion aber meistens immer mehr aus als ein angekommener Pass. Wenn die aufspringen und dich für ein Tackling feiern, das ist schon ein geiles Gefühl.
Wie viel Mats Hummels steckt in Ihnen?
Das weiß ich nicht. Ich habe versucht, mir in den vergangenen Jahren ein bisschen was von ihm abzuschauen. Sein Zweikampftiming, sein Spiel mit dem Ball, das ist bei Mats schon herausragend gut. Er spielt seit mehr als zehn Jahren auf Top-Niveau, das haben nicht viele Innenverteidiger geschafft. Jetzt performt er auch in Rom, seit der neue Trainer da ist.
Sie wirken noch mal reifer. Einige sehen in Ihnen den kommenden BVB-Kapitän.
Das freut mich, aber wir haben mit Emre (Can, d. Red.) einen super Kapitän. Als Stellvertreter von ihm und Jule (Julian Brandt, d. Red.) habe ich seit Sommer mehr Verantwortung und war vom ersten Tag an total bereit die anzunehmen. Unser Trainer schenkt mir viel Vertrauen, das will ich zurückgeben. Dass es etwas Besonderes ist, Borussia Dortmund als Kapitän anzuführen, habe ich in den Spielen gemerkt, als ich jetzt die Binde tragen durfte. Das hat mich mit Stolz erfüllt.
BVB: Nico Schlotterbeck über seine Rolle als Führungsspieler
Sie sind bereits eines der Gesichter des BVB.
Auch wenn ich erst zweieinhalb Jahre hier bin, gibt es gar nicht so viele Spieler, die viel länger hier sind als ich. Ich kann mich mit diesem Verein total identifizieren und es freut mich sehr, wenn unsere Fans sich auch mit mir identifizieren können.
Was zeichnet einen guten Führungsspieler aus?
Verlässlichkeit. Auf und abseits des Platzes. Auch oder vielleicht gerade in Phasen, in denen es nicht so gut läuft. Die Mitspieler müssen sich auf dich verlassen können, wenn du ein Führungsspieler bist. Und da geht es weniger ums Reden, sondern ums Performen. Bringst du dauerhaft Leistung, verdienst du dir die Anerkennung von Mitspielern und Fans.
Als Sie im Barcelona-Spiel so böse umgeknickt waren, haben die Fans „Schlotti“ gerufen. Hilft das?
Das habe ich ehrlich gesagt gar nicht mitbekommen, ich hatte in dem Moment echt große Schmerzen. Aber meine Familie hat es mir danach erzählt, der Zuspruch von den Fans hat mich schon sehr gefreut.
BVB: Nico Schlotterbeck über Nuri Sahin
Sie sind trotz der Verletzung nicht ausgefallen. Wie haben Sie das gemacht?
Sie war nicht so schwer, als dass ich nicht hätte spielen können. Unsere Physios haben mich gut getaped und dann konnte ich gegen Hoffenheim und Wolfsburg wieder spielen. Natürlich nicht ganz schmerzfrei, aber in dieser Phase wollte ich der Mannschaft einfach zeigen, dass ich da bin, wenn sie mich braucht.
Sind die vielen Verletzten der Hauptgrund für das Auf und Ab?
Die Ausfälle in der Hinrunde hatten sicher Auswirkungen, waren aber nicht der Hauptgrund. Für eine Mannschaft ist es wertvoll, wenn sie ein Grundgerüst hat. Wenn das stabil steht, dann gibt das Sicherheit. Jamie (Gittens, d. Red.) kann zum Beispiel risikofreudiger in Eins-gegen-Eins-Situationen gehen, wenn er weiß, dass nicht alles sofort brennt, wenn er den Ball verliert. Das steigert die Wahrscheinlichkeit, dass er vorbeikommt und wir zum Torerfolg kommen.
Wie haben Sie Trainer Nuri Sahin in der kritischen Situation erlebt?
Sehr klar. Ich kenne ihn nun seit einem Jahr. Erst als Co-, jetzt als Cheftrainer. Du merkst, dass er den Verein und auch den Druck hier kennt. Das ist gut, weil er weiß, wie er damit umgehen muss und auch uns zeigt, dass er jederzeit die Kontrolle hat. Im Herbst war es durch die vielen Verletzten teilweise so, dass er morgens noch nicht wusste, wie wir mittags trainieren können. Und trotzdem war er immer ruhig und wusste, wie wir durch diese schwierige Phase kommen würden. Er hat uns das nötige Vertrauen gegeben und wir haben die richtigen Schritte gemacht. Aber: Das muss jetzt weitergehen, wir müssen vor allem konstanter auftreten.
Jetzt kommt direkt ein Knaller: das Duell gegen Bayer Leverkusen. Was erhoffen Sie sich?
Dass wir ein positives Zeichen setzen. Leverkusen ist wieder sehr stabil, hat in Florian Wirtz einen Unterschiedsspieler. Ich kenne ihn schon seit der U21, er hat eine unglaubliche Entwicklung genommen. Aber die Leverkusener müssen zu uns. Das wird auch nicht angenehm für sie. Wir sind heimstark und haben noch kein Ligaspiel verloren diese Saison.
BVB: Nico Schlotterbeck über die Ziele in der Rückrunde
Welche Ziele hat die Mannschaft für die Rückrunde?
Wir müssen konstanter Leistungen wie in der ersten Halbzeit in Wolfsburg zuletzt zeigen und so selbstbewusst auftreten, dass man immer das Gefühl hat, wir werden das Spiel gewinnen – egal ob zu Hause oder auswärts.
Sie sind jetzt zweieinhalb Jahre in Dortmund. Wie fällt Ihr Zwischenfazit aus?
Ich fühle mich hier sehr wohl und liebe es für den Verein zu spielen. Als ich aus Freiburg hierherkam, hatte ich mit Mats und Niki (Niklas Süle, d. Red.) zwei Konkurrenten in der Innenverteidigung, die schon Jahre auf Top-Niveau geliefert haben. Und trotzdem habe ich es geschafft mich durchzusetzen und kaum Spiele verpasst. Das war natürlich mein Ziel, aber trotzdem war nicht zu erwarten, dass es so schnell klappt. Ich habe in kurzer Zeit große Schritte gemacht, bin jetzt dritter Kapitän und Führungsspieler. Das ist schon eine Ehre.
Oft umgibt das BVB-Umfeld eine latente Unzufriedenheit. Wie kommt man da raus?
Die Erwartungshaltung ist enorm hoch und führt automatisch zu Druck. Wenn du hier zwei Spiele hintereinander mal nicht gewinnst, dann wird von außen schon eine Krise angedichtet. Das hätte ich vorher nicht so extrem erwartet und das geht mir manchmal auch zu schnell. Natürlich ist Platz 6 nicht unser Anspruch, das ist klar. Und trotzdem wünschst du dir dann doch etwas mehr Geduld im Umfeld. Unser Ziel ist es erfolgreich zu sein und unsere Fans zu begeistern. Am liebsten in jedem Spiel – nur immer klappt es leider nicht.
BVB: Nico Schlotterbeck über Jamie Gittens und Felix Nmecha
Haben Sie die Aufsteiger Jamie Gittens und Felix Nmecha überrascht?
Nein, weil ich sehe, wie Jamie und Felix jeden Tag arbeiten. Jamie hat bei weitem noch nicht sein Limit erreicht. Der ist jetzt schon richtig gut aber wird noch viel besser werden. Felix genauso. So, wie beide arbeiten, werden sie sich noch weiter steigern.
Der Kader wirkte im ersten Halbjahr zeitweise sehr dünn. Reicht die Qualität?
Wir haben definitiv genug Qualität, um oben anzugreifen. Wenn die meisten von uns dauerhaft fit bleiben, dann ist der Kader auch nicht zu dünn.
Ihr Vertrag gilt bis 2027. Langsam wird es Zeit, über eine Verlängerung nachzudenken. Oder?
Der BVB ist mein erster Ansprechpartner. Ich kann mir grundsätzlich schon vorstellen, länger hierzubleiben. Jetzt liegt der Fokus aber auf einem guten Start in das neue Jahr. Wir müssen die nächsten Schritte machen und die Entwicklung in die richtige Richtung lenken.
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