Dortmund. Freitag, Flutlicht, der BVB empfängt St. Pauli. Eigentlich müsste es auf den Kapitän ankommen. Aber Emre Can hat viel mit sich selbst zu tun.

Eigentlich müsste der Freitagabend ja ein Abend für Emre Can sein. Der BVB schwächelt, steht unter Druck, darf sich im Heimspiel (20.30 Uhr/DAZN) gegen den FC St. Pauli keinen weiteren Ausrutscher erlauben; in so einer Phase müsste ein Kapitän vorangehen. Aber kann Can das überhaupt?

Vermutlich ist der 30-Jährige der umstrittenste Profi im Dortmunder Kader. Die einen schätzen seine resolute Art, sein Tempo, das dabei helfen kann, gegnerische Konter zu verhindern. Die anderen bemängeln die taktischen Defizite des Sechsers, die technischen Schwächen. In jedem Fall aber hat der Immer-mal-wieder-Nationalspieler nicht die Aura, die ein Kapitän von Borussia Dortmund eigentlich haben müsste. Can soll der verlängerte Arm des Trainers Nuri Sahin sein - und hat doch meistens mehr sich selbst zu tun.

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Das ist ein Problem in einer Mannschaft, die oft an sich selbst verzweifelt. Es fehlt an einem Fixpunkt, an einer Person, an der sich die Kollegen festhalten können, wenn Schwierigkeiten auftreten. Beim 1:2 gegen Union Berlin ging Can mit seinen Mitspielern unter. Gemeinsam mit Pascal Groß sollte er das Mittelfeldzentrum dominieren, stattdessen hatten beide Probleme, sich aufeinander abzustimmen.

Emre Can beim BVB - ein Problem für Nuri Sahin

Nuri Sahin hat im vergangenen Sommer die Hierarchie umstrukturiert und Nico Schlotterbeck sowie Julian Brandt zu Cans Stellvertretern ernannt. Am Kapitän selbst aber hielt er fest. Nun steht der 36 Jahre alte Trainer vor der Schwierigkeit, dass er Can aufgrund seiner Rolle stärken muss und trotzdem offensichtlich ist, dass Spieler wie Marcel Sabitzer und Felix Nmecha für den gewünschten Ballbesitzfußball eigentlich die passenderen Partner für Pascal Groß wären.

Neu sind diese Binden-Probleme nicht. Mehr als acht Jahre sind vergangen, seit Mats Hummels im Dortmunder Stadion von wütenden Fans ausgepfiffen wurde. Damals, im Jahr 2016, trug Hummels die Binde und hatte trotzdem beschlossen, sich künftig dem Rivalen FC Bayern anzuschließen. Die Ultras hielten ein Plakat in die Luft mit der Aufschrift: „Der Kapitän geht als Erster von Bord, am besten sofort!“

Mats Hummels BVB
2016: Mats Hummels als BVB-Kapitän, der gehen möchte. Im Hintergrund steht: „Der Kapitän geht als erster von Bord, am besten sofort!“ © firo | firo

Seitdem wird in Dortmund nach einer passenden Persönlichkeit gesucht, deren Aussagen in der Kabine Gewicht haben, die auf dem Platz glänzen kann und die vor der TV-Kamera die richtigen Worte findet. Marcel Schmelzer (Kapitän von 2016 bis 2018) war als Linksverteidiger nicht in der Lage, die Mannschaft mitzureißen. Marco Reus (2018 bis 2023) war keiner für laute Ansprachen und bleibende Worte.

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Und Emre Can? Dem bedeutet dieses Amt glaubhaft viel, trotzdem zeigt seine Form mal nach unten, mal nach oben. Seit seinem Wechsel 2020 von Juventus Turin nach Dortmund steht er wie die Mannschaft für ein Auf und Ab. An diesem Freitagabend erhält die Dortmunder Nummer 23 eine neue Chance, die Fans von sich zu überzeugen. Wenn Nuri Sahin seinen Kapitän denn in die Startelf stellt. Dass dies nicht sicher ist, sagt bereits viel aus über das Hierarchie-Defizit im BVB-Kader.