Dortmund. Immer wieder wechselten Spieler von Borussia Dortmund zu Bayern München oder in die andere Richtung. Eine spezielle Transferhistorie.
Es ist das größte Spiel der Bundesliga. Kein Duell im deutschen Fußball elektrisiert die Massen so sehr wie der deutsche Klassiker Borussia Dortmund gegen Bayern München. Auch wenn die Schwarz-Gelben tabellarisch derzeit deutlich hinter dem Rekordmeister aus dem Süden der Republik rangieren, knistert die Spannung vor dem Kräftemessen im Signal Iduna Park auch diesmal wieder – kein anderer Bayern-Herausforderer kommt nun einmal an die Strahlkraft des BVB heran.
Genauso wie der Klassiker mehr bewegt als ein normales Bundesligaspiel, werden Spielerwechsel der letzten 20 Jahre zwischen Dortmund und Bayern gemeinhin deutlich emotionaler diskutiert als andere Transfer-Konstellationen. Immer wieder musste man sich in München den Vorwurf aus dem Rest der Republik anhören, man habe den größten Konkurrenten mit der Abwerbung der besten Spieler gezielt geschwächt. Zur Wahrheit gehört jedoch, dass sich die Borussia auch immer wieder beim FCB bediente. Folgende Spieler bestritten den deutschen Klassiker schon für beide Giganten der Bundesliga.
Der Erste: Burkhard Segler wechselt von Bayern zum BVB
Die spezielle Transferhistorie zwischen Borussia Dortmund und Bayern München beginnt im Sommer des Jahres 1973: Spielmacher Burkhard Segler, gebürtiger Oberhausener, wechselt vom VfL Osnabrück nach München und wird keine zwei Monate später schon wieder nach Dortmund transferiert. Für den BVB kommt der heute 73-Jährige danach in fünf Jahren genau 200-mal zum Einsatz und erzielt 54 Tore.
Die nächsten Transfers zwischen den beiden Bundesliga-Granden finden erst wieder am Ende des folgenden Jahrzehnts statt. 1989 bedienen sich erneut die Dortmunder bei den Bayern: Spielmacher Michael Rummenigge kommt, ein Jahr später folgt „die Kobra“ Mittelstürmer Jürgen Wegmann. Erstgenannter absolviert 193 Spiele (45 Tore) für Schwarz-Gelb, Wegmann spielt 138 (46 Tore) im BVB-Trikot.
Thomas Helmer: Bayerns erster Neuzugang vom BVB
1992 schlagen erstmals die Münchener in Dortmund zu: Innenverteidiger Thomas Helmer lässt sich nach Bayern locken, läuft nach 223 BVB-Spielen 244-mal für Bayern auf und wird 1996 Europameister. 1998 zieht es das Münchener Eigengewächs Christian Nerlinger aus dem Süden in den Westen der Republik, wird in drei Jahren im Ruhrgebiet aber nicht glücklich (73 Einsätze).
2004 wagt Thorsten Frings als erster Spieler nach der Jahrtausendwende den Sprung von der Strobelallee an die Säbener Straße zum FCB. Wirklich wohl fühlt sich der gebürtige Würselener in der bayrischen Hauptstadt nicht. Nur eine Saison und 45 Pflichtspiele später zieht es den „Lutscher“ zurück zu Werder Bremen, wo er vor den zwei Jahren in Dortmund bereits die Fußballschuhe geschnürt hatte. Insgesamt 449 Einsätze für Werder – Frings’ Herz schlägt grün-weiß.
Zweimal Bayern, zweimal BVB: Mats Hummels spielt Karriere-Pingpong
Es folgt ein besonderer Name in dieser Auflistung: Mit Mats Hummels wechselt 2008 ein aufstrebender Innenverteidiger aus dem Bayern-Nachwuchs nach Dortmund, avanciert dort zum Topspieler, zweifachen Meister und 2014 zum Weltmeister. 2016 der große Aufschrei im schwarz-gelben Lager: Mister Außenrist entscheidet sich für die Rückkehr zu den Bayern, bei denen er die Chancen auf den Gewinn der Champions League größer wähnt. Dieser Titel ist dem heute 35-Jährigen aber nicht vergönnt.
Wiederum drei Jahre später wiederholt Hummels den Move von 2008 und kehrt zurück in die Dortmunder Wohlfühloase. Zusammen kosten seine drei Wechsel zwischen Dortmund und Bayern 70 Millionen Euro an Ablöse. 118 Spiele bestreitet Hummels, heute bei der AS Rom unter Vertrag, für die Münchener und ganze 508 in schwarz-gelb.
Der Fall Mario Götze - eine Rivalität eskaliert
Drei Jahre vor Hummels‘ Bayern-Rückkehr ereignet sich die wohl emotionalste westfälisch-bayrische Transfer-Episode. BVB-Wunderkind Mario Götze dribbelt reihenweise seine Gegenspieler schwindelig, bis er im Jahr 2013 dem Lockruf der Bayern nicht mehr widerstehen kann. Berater Volker Struth erzählte einmal über die erste Reaktion des damaligen BVB-Sportdirektors Michael Zorc: „Er warf mir alle Beleidigungen an den Kopf, die die deutsche Sprache hervorgebracht hat, eine nach der anderen, minutenlang.“
Im April, in der finalen Phase der Saison und wenige Wochen vor dem Aufeinandertreffen beider Klubs im Champions League-Finale von Wembley, geht die Nachricht vom 37-Millionen-Transfer publik. Der Schock sitzt tief in Dortmund, die Anhängerschaft schäumt vor Wut. Ausgerechnet zum großen Titelrivalen geht dieser Götze. Die Geschichte ist bekannt: Der Offensivspieler geht zwar noch als WM-Finaltorschütze 2014 in die deutsche Fußballgeschichte ein, wird unter Pep Guardiola aber nicht glücklich in München. Er kehrt als Geläuterter 2016 zur Borussia zurück, kann die Leistungen der ersten BVB-Jahren aber nie wieder bestätigen.
2020 wird Götze aussortiert, wechselt 2020 zur PSV Eindhoven und 2022 zurück in die Bundesliga zu Eintracht Frankfurt. 219 Spiele bestreitet er für Dortmund, 114 für Bayern. Der heute 32-Jährige resümierte zuletzt über seinen Bayern-Wechsel: „Ich konnte nicht anders. Ich weiß auch nicht, wer mich davon hätte überzeugen können, meine Entscheidung zu ändern.“
BVB verzichtet bei Lewandowski sogar auf Ablöse
Die Causa Götze vergiftet das Verhältnis zwischen Borussia Dortmund und Bayern München nachhaltig, legendär die verbalen Auseinandersetzungen zwischen den Verantwortlichen beider Klubs. Als säße der Stachel nicht schon tief genug, bedienen sich Pep Guardiola und Co. 2014 erneut beim großen Konkurrenten und lotsen Topstürmer Robert Lewandowski ablösefrei an die Säbener Straße.
Ein Jahr zuvor hatten Hans-Joachim Watzke und seine BVB-Mitstreiter unter dem Eindruck des Götze-Falls noch ein kategorisches Wechselverbot ausgesprochen und dafür auch das Ausbleiben einer Ablösesumme in Kauf genommen. Für die Bayern lohnt sich das Warten: Nach 187 Spielen und 103 Toren für die Borussia prägt Lewandowski den Rekordmeister über acht Jahre und erzielt überragende 344 Treffer in 375 Einsätzen. Die Krönung: Der Pole erzielt 2020/21 41 Bundesligatore - der Rekord von Gerd Müller ist damit pulverisiert.
In den Folgejahren beruhigt sich das Verhältnis zwischen Dortmundern und Bayern – zu dominant tritt der Rekordchampion auf, zu selten sind die Schwarz-Gelben sportlich auf Augenhöhe. Der Wechsel von Sebastian Rode zum BVB im Jahr 2016 verkommt zur Randnotiz, weil sich der Abräumer hier wie dort nicht durchsetzen kann und nur bei Eintracht Frankfurt wirklich funktioniert.
Die bislang letzten Transfers: Süle, Sabitzer und Guerreiro
Aufsehenerregender ist da schon 2022 der Wechsel von Niklas Süle zur Borussia. Endlich, so die Reaktionen im Dortmunder Umfeld, kann der BVB den Bayern auch mal einen Nationalspieler im besten Alter und mit reichlich Spielzeit entreißen. In München wiederum spielen sie die Sache herunter, Süle sei schließlich kein unumstrittener Stammspieler. Tatsächlich hat sich dieser Transfer bis heute nicht so richtig bezahlt gemacht, weil der 29-Jährige immer wieder mit Verletzungs- und Fitnessproblemen zu kämpfen hat. Bislang kommt Süle auf 80 BVB-Einsätze.
Im Sommer vergangenen Jahres bedienen sich Dortmunder und Bayern jeweils einmal im Kader des anderen: Mittelfeldspieler Marcel Sabitzer zieht es für eine Ablöse von 19 Millionen Euro zum BVB. Der Österreicher wird zwar erst kritisch gesehen, setzt sich aber durch und nimmt auf dem Weg zum Champions League-Finale 2024 eine wichtige Rolle ein. Edeltechniker Raphaël Guerreiro schlägt ablösefrei den entgegengesetzten Weg ein, erlebt verletzungsbedingt ein schwieriges erstes Jahr in München. In der laufenden Saison kommt der Portugiese aber auf mehr Spielanteile. Gut möglich, dass Sabitzer und Guerreiro im morgigen Klassiker aufeinandertreffen.