Hannover. Dass Menschen, die Robert Enke persönlich kannten, erschüttert sind, bedarf keiner Erwähnung. Aber man muss noch nicht einmal gewusst haben, dass Enke Fußball-Nationaltorwart war, um spätestens nach den bewegenden Worten seiner Witwe das Ausmaß dieser Tragödie zu begreifen.

Nach jedem Freitod mögen wir uns besser nicht vorstellen, wie groß die Verzweiflung gewesen sein muss, um – wie in diesem Fall – Frau und Kind zurückzulassen und, nicht zu vergessen, einen Lokführer in Gewissensnot zu bringen. Enke litt, wie wir heute wissen, unter Depressionen – einer Volkskrankheit, die in einer Zeit, in der das Funktionieren der Menschen oberste Priorität hat, immer noch ein Tabuthema ist.

Im Fußball war Sebastian Deisler der Erste, der einen Blick auf die Schatten-Seite der Glamour-Welt des Profisports erlaubte, die nun auch der DFB wahrzunehmen beginnt. Enke hat den Weg in die Öffentlichkeit gescheut. Aus Angst, wie seine Frau verriet. Kann es eine härtere Anklage gegen unsere Gesellschaft geben?

Um dem Würgegriff der düsteren Gedanken zu entkommen, vertraute Enke allein seiner Frau, mit der er den Verlust der zweijährigen Tochter verarbeiten musste. „Ich habe geglaubt, mit Liebe können wir das durchstehen”, hat Teresa Enke gestern gesagt. Welcher Kraft muss es bedurft haben, um dieses bittere Scheitern öffentlich einzugestehen?

Ein enger Freund von Rob ert Enke war auch unser Spanien-Korrespondent Ronald Reng, früher selbst Torwart und Autor eines preisgekrönten Artikels über Enke. Um einen Nachruf gebeten, hat er uns geantwortet: „Ich würde gerne etwas schreiben, aber es gelingt mir nicht. Auch alle weiteren Geschichten wie die Reise zum Länderspiel gegen Portugal gegen Bosnien muss ich leider absagen. Entschuldigung.” Aus diesem Grunde müssen unsere Leser heute auch auf die vorgesehene „Linksaußen”-Kolumne von Ronald Reng verzichten.

Weil Robert Enkes Schicksal so viele Menschen berührt, verbinden sich mit seinem Tod aber auch Hoffnungen. Etwa darauf, dass er unseren Blick für den Mitmenschen schärft. Und mindestens einen Hauch mehr Wärme in unsere Gesellschaft bringt, die gerade im Berufsleben von zunehmender Kälte geprägt ist.