Hannover. Nationaltorwart Robert Enke litt seit mehreren Jahren unter Depressionen. Dies bestätigten seine Witwe Teresa und sein behandelnder Arzt am Mittwoch. Enke hielt die Krankheit auch aus Angst um seine Adoptivtochter Leila geheim. Inzwischen hat der DFB das Länderspiel gegen Chile abgesagt.
Nationaltorwart Robert Enke, der am Dienstagabend den Freitod wählte, litt seit Jahren unter Depressionen. Dies gaben seine Frau Teresa und sein behandelner Arzt Dr. Valentin Markser am Mittwochmittag auf einer Pressekonferenz in Hannover bekannt.
Probleme in Istanbul und Barcelona
Enke war seit mehreren Jahren bei Dr. Markser in Behandlung. Auslöser waren offenbar Enkes Erlebnisse bei seinen Profistationen beim FC Barcelona (2002 - 2004) und bei Fenerbahce Istanbul (Sommer 2003) - dort war Enke nicht zurechtgekommen, hatte große sportliche Probleme. Istanbul und Trainer Christoph Daum verließ er nach nur einer Partie (0:3 gegen Istanbulspor), bei der er von den eigenen Fans beschimpft wurde. In Barcelona konnte er sich nicht durchsetzen und machte unter dem heutigen Bayern-Coach Louis van Gaal sowie Radomir Antic nur vier Pflichtspiele.
"Fußball war seine wichtigste Aktivität, dort holte er sich Bestätigung und Ablenkung. Fußball war alles für ihn", so Dr. Markser am Mittwoch über Enke.
Latente Selbstmordgedanken
Enke hatte zudem einen Abschiedsbrief hinterlassen, in dem er sich - wie Markser erklärte - bei seinen Angehörigen entschuldigte, sie getäuscht zu haben: In den letzten Tagen hatte Enke sich nichts anmerken lassen und mehrfach gesagt, dass es ihm gut gehen würde. Dabei "kam die Depression immer wieder, in Schüben", so Dr. Markser. Enkes Selbstmordgedanken waren zwar aus medizinsicher Sicht nicht akut, jedoch latent. "Und das über Jahre", so Dr. Markser.
Teresa Enke war auf der emotionalen Pressekonferenz den Tränen nahe und erklärte, dass die letzten Jahre für sie und Robert "eine schwere Zeit" war. Vor drei Jahren war ihre gemeinsame Tochter Lara nach langer Behandlung an einem angeborenen Herzfehler gestorben. "Wir haben aber alles zusammen durchgestanden. Das hat uns zusammen geschweißt. Ich habe immer versucht, für ihn da zu sein, ich habe ihm gesagt, dass es für alles eine Lösung gibt, wenn man zusammenhält."
Robert Enke, der zu Dr. Markser eine sehr vertrauensvolle Beziehung hatte und die Zusammenarbeit vor sechs Wochen, Anfang Oktober, wieder intensivierte, wollte sich nicht stationär behandeln lassen. Teresa Enke: "Er wollte nicht in eine Klinik. Aus Angst, dass die Krankheit öffentlich wird. Und dass er dadurch Leila verliert." Das Mädchen hatte das Ehepaar Enke vor acht Monaten adoptiert.
Trauermarsch zum Stadion
Für Mittwochabend, 18 Uhr, ist auf Initiative der Hannover-Fans eine ökumenische Andacht unter der Leitung von Margot Käßmann und anschließend ein Trauermarsch, an dem auch DFB-Präsident Theo Zwanziger, Bundestrainer Joachim Löw, Nationalelf-Manager Oliver Bierhoff und Mannschaftskapitän Michael Ballack teilnehmen wollen, zum Stadion geplant.
"Diese Entscheidung ist alternativlos"
Das Test-Länderspiel der deutschen Nationalmannschaft am Samstagabend gegen Chile wurde inzwischen vom DFB abgesagt: "Die Spieler brauchen Zeit zu trauern", sagte DFB-Präsident Theo Zwanziger am Nachmittag auf einer Pressekonferenz in Bonn. "Wir können das Spiel unter keinen Umständen ausführen. Diese Entscheidung ist alternativlos", so Zwanziger. Der chilenische Fußballbund stimmte der Entscheidung des DFB sofort zu und ließ ausrichten, sie hätten genau so gehandelt.
Der Deutsche Fußball-Bund wird Robert Enke nie vergessen, erklärte DFB-Pressechef Stenger. "Unser Mitgefühl gebührt jetzt seiner Frau und seiner Familie."
Die Frage nach dem "Warum" konnte der bestürzte Zwanziger und auch ein tieftrauriger Manager Oliver Bierhoff nicht beantworten, versicherten aber, "Antworten zu suchen und zu finden." Das sei man Robert Enke schuldig.
Dass der DFB das Länderspiel gegen Chile in Köln abgesagt hat, ist ganz im Sinne der Nationalmannschaft und des Bundestrainers: "Es ist völlig richtig, dass wir das Chile-Länderspiel abgesagt haben", so Joachim Löw. "Niemand fühlt sich in der Lage, in dieser Situation einfach zur Tagesordnung überzugehen. Wir haben einen Freund verloren. Das ist ein Moment, bei dem man auch im Fußball innehalten muss. Wir trauern tief um Robert Enke."
Theo Zwanziger kündigt an, dass am kommenden Sonntag die offizielle Trauerfeier stattfinden wird. Erst danach wolle sich Löw dann mit seiner Mannschaft auf das Länderspiel am Mittwoch gegen die Elfenbeinküste auf Schalke vorbereiten.
Unterdessen hat Hannover 96 seinen Spielern freigestellt, ob und wie sie in den nächsten Tagen trainieren möchten.