Hannover. Berti Vogts wurde 1996 mit der deutschen Nationalmannschaft Europameister. Inzwischen ist er Trainer von Aserbaidschan und morgen in der WM-Qualifikation Gegner der DFB-Elf. Doch eigentlich denkt Vogts immer noch Deutsch.
Die Schranke vor der Stadioneinfahrt bleibt erstmal geschlossen. Ein Gespräch mit Berti Vogts? „Wir wissen nicht, wann das stattfindet”, entschuldigt sich der Ordner am Eingang – und seine breiten Schultern lassen jeden Widerspruch von vornherein sinnlos erscheinen. Doch Berti Vogts ist pünktlich, und mit ihm öffnen sich die Tore. Sportlich gekleidet kommt der frühere Bundestrainer in die AWD-Arena in Hannover; dunkle Trainingshose, silbergraues T-Shirt, in der Hand die Fußballschuhe, die er nachher fürs Training braucht. „Wir haben es gut angetroffen”, lächelt Vogts, schwärmt von dem Hotel und dem schönen Stadion. Und schiebt dann hinterher: „Fast hätte ich gesagt, ich fühle mich hier zu Hause.”
Nun ja, so ganz abwegig ist das nicht. Vogts ist zwar Trainer von Aserbaidschan und in dieser Rolle verpflichtet, der deutschen Mannschaft morgen im WM-Qualifikationsspiel in Hannover so gut es geht die Stirn zu bieten. Aber, Hand aufs Herz: Eigentlich denkt und fühlt Vogts immer noch Deutsch. Einmal rutscht ihm sogar das vertraute „wir” raus, als er der deutschen Mannschaft Ratschläge für die WM-Qualifikation gibt. Doch dazu später mehr.
Zunächst: Jogi Löw muss sich um das Ticket für Südafrika 2010 wohl keine Sorgen machen. Vogts ist noch mehr als der Bundestrainer felsenfest davon überzeugt, dass Deutschland sich in Gruppe 4 gegen Russland durchsetzen wird. Warum er sich da so sicher ist, sagt er dieser Zeitung: „Der russische Fußball hat einen enormen Respekt vor dem deutschen Fußball.” Wenn es gegen die Deutschen geht, würden die Russen ganz anders spielen als gewohnt. Sein Beispiel? Das Hinspiel im Oktober in Dortmund (2:1), als Russland in der ersten Halbzeit nichts auf die Reihe bekam. Bei der EM zuvor hätten die Russen „in keinem Spiel so einen Respekt vor dem Gegner gehabt wie in Dortmund”.
Insofern glaubt Vogts fest daran, dass Deutschland auch das entscheidende Rückspiel am 10. Oktober in Moskau nicht verlieren wird. „Nur dürfen wir”, und damit sind wir beim Ratschlag in der vertrauten Wir-Form, den Vogts gibt, „nur dürfen wir nicht den Fehler machen und sagen: Wir spielen auf Plastik”. Das Spiel findet auf Kunstrasen statt; wie man sich darauf einzustellen hat, wird der Berti dem Jogi schon sagen. Wenn er denn gefragt wird. Dass er dies gerne möchte – keine Frage.
Er war oft genug der Schuldige
Vogts macht sich sogar Gedanken über die Taktik der deutschen Elf. Er rät Löw, den Systemwechsel vom 4-4-2 zum 4-2-3-1 beizubehalten. Nur ein Stürmer (Gomez oder Klose), „dahinter drei schnelle Spieler, die man auch als Angreifer sehen muss, und dahinter Ballack als Sechser mit allen Freiheiten” – dies sei prima. Sagt Vogts. Und erwartet die DFB-Elf auch morgen gegen seine Jungs aus Aserbaidschan in dieser Ausrichtung, weil dies „Sinn machen” würde schon „im Hinblick auf Russland.”
Nein, Vogts hinterlässt wirklich nicht den Eindruck, als möchte er dem Team aus seiner Heimat irgendeinen Stolperstein hinlegen auf dem Weg nach Südafrika. Man stelle sich nur einmal vor, dass er mit Aserbaidschan in Hannover eine Sensation schaffen würde – dann wäre er am Ende noch schuld, wenn Deutschland nicht zur WM fahren würde. Und der Schuldige war Vogts schließlich oft genug in seiner Zeit als Bundestrainer (von 1990 bis 1998).
Das Ende seines Vertrages ist in Sicht
Also spricht Vogts lieber nur von einer „kostenlosen Lehrstunde”, die seine junge Mannschaft morgen in Hannover bekommen wird. Danach ist das Ende seines Vertrages in Aserbaidschan in Sicht; einzig verbleibender Höhepunkt ist noch das abschließende Gruppenspiel am 14. Oktober in Baku gegen Russland. Hoppla, das könnte sogar noch interessant werden, wenn Deutschland zum Gruppenfinale doch Schützenhilfe braucht.
Und was danach aus Vogts wird, ob er gerne seinen Vertrag in Aserbaidschan verlängern möchte? „Das ist eine Frage, die ich jetzt nicht beantworten möchte”, sagte der 62-Jährige. Vorstellen könnte er sich, als Berater wieder für „seinen” DFB zu arbeiten.
Aber ob er da gefragt wird?