Essen. Wer in Lance Armstrongs Kapitulation vor der amerikanischen Anti-Doping-Agentur einen entscheidenden Schlag im Kampf gegen die Leistungsmanipulation sieht, verkennt die Lage. Der Feldzug für einen weitgehend dopingfreien Sport ist nicht zu gewinnen. Ein Kommentar.
Nachdem er sich jahrelang in einem Netz von Lügen verstrickt hatte und schließlich keinen Ausweg mehr sah, hat Lance Armstrong doch noch etwas Wahres gesagt: „Es reicht.“ Zwar bezog er die Worte nur auf sich, aber auch der übrigen Welt reicht es längst, ständig der vermeintlichen Hexenjagd auf den gefallenen ehemaligen Rad-Star zu hören. Nach dem Motto „Einer gegen alle“ verharrt der Amerikaner in seinem Parallel-Universum, an dem er die Öffentlichkeit über Jahre in einer Eurosport-Sendung mit dem bezeichnenden Titel „Armstrongs World“ teilhaben ließ.
Es hat schon tragische Züge: Als Held, der vor seinen sportlichen Rivalen mit eisernem Willen auch den Krebs besiegt hatte, war Armstrong ins Rampenlicht getreten, als einer der wohl größten Betrüger der Sportgeschichte, der durch Dopingmittel seine gerade wieder erworbene Gesundheit aufs Spiel setzte, wird er in Erinnerung bleiben.
Wer in der bemerkenswerten Hartnäckigkeit, mit der die amerikanische Antidoping-Agentur USADA ihren nie positiv getesteten Landsmann letztlich zur Aufgabe zwang, einen entscheidenden Schlag gegen die Geißel Doping sieht, verkennt allerdings die Lage. Dass zu den möglichen Profiteuren der im Raum stehenden Aberkennung der sieben Tour-de-France-Siege des Amerikaners die überführten Doping-Sünder Jan Ullrich, Ivan Basso und Alex Zülle zählen, sagt alles.
Feldzug für dopingfreien Sport ist nicht zu gewinnen
Die Genugtuung über Armstrongs gescheiterten juristischen Kampf gegen die erdrückenden Beweise kann denn auch die bittere Erkenntnis nicht aufwiegen, dass der weltweite Feldzug für einen weitgehend dopingfreien Sport nicht zu gewinnen ist. Wie sich einmal mehr bei der jüngsten Tour de France, aber auch bei Olympischen Spielen in London zeigte. Oder glaubt ernsthaft jemand, 99 Prozent der Teilnehmer seien so sauber, wie die Ergebnisse der Dopingproben verheißen?
Das Schlusswort zu diesem unerquicklichen Thema gebührt USADA-Chef Travis Tygart, der den Fall Armstrong als „ein Herzen brechendes Beispiel“ dafür nannte, wie die Kultur des „Siegens um jeden Preis“ einen sauberen und fairen Sport verhindere.