Hamburg. .
Der neue Trainer beklagt nach dem 2:1-Erfolg in Hamburg die bekannten Defizite des Teams. Er sieht das Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft.
Huub Stevens wurde sofort initiativ. Kaum war das Spiel abgepfiffen, rief er im Hamburger Kabinentrakt die Spieler des FC Schalke 04 zusammen und hielt ihnen einen Vortrag. Natürlich waren alle Königsblauen glücklich, weil sie gerade beim Hamburger SV mit 2:1 gesiegt hatten, aber der neue Trainer hatte eben nicht nur das erfreuliche Ergebnis registriert, sondern zwischenzeitlich auch erschreckendes Fehlverhalten erkannt. Wegen des unvollständigen Aufgebots während der bevorstehenden Länderspielpause bevorzugte Stevens die umgehende Aufarbeitung.
Er stauchte seine Jungs nicht zusammen („Es sind ja Menschen und keine Maschinen“), aber er wollte sie auch nicht in dem Irrglauben heimreisen lassen, dass sie Großes geleistet hätten: „Wir haben so viel Potenzial in unserer Mannschaft“, erklärte er, „und da hofft man doch immer, dass es auch rauskommt.“
Das schnelle korrigierende Eingreifen von Stevens unterstrich, dass es eine sinnvolle Entscheidung der Schalker Verantwortlichen war, nicht zu lange mit der Verpflichtung eines neuen Trainers gewartet zu haben. Während beim führungslosen Hamburger SV Interimstrainer Rodolfo Cardoso immer noch nicht weiß, wann und von wem er in nächster Zeit abgelöst wird, ist Schalke handlungsfähig.
Dem neuen Trainer machen allerdings dieselben Probleme des Teams zu schaffen, die schon seinen zurückgetretenen Vorgänger Ralf Rangnick beschäftigt hatten. Trotz des beachtlichen Vorrückens auf den vierten Tabellenplatz leidet Schalke an einer erheblichen Diskrepanz zwischen Offensive und Defensive. Und an einer schwer erklärbaren Grundhaltung: Wenn die Mannschaft führt, bremst sie zu oft ab. Weil sie sich zu sicher fühlt? Oder weil sie sich selbst nicht vertraut? Wenn Stevens das wüsste, wäre er weiter.
Auswärts ausgekontert
Symptomatisch war der Hamburger Ausgleichstreffer. Benedikt Höwedes, Kapitän und Nationalspieler, rückte als Innenverteidiger auf und vertändelte den Ball im Mittelfeld. Prompt wurden die Schalker als Auswärtsmannschaft ausgekontert. Eine solche Panne ist ihnen kürzlich in Wolfsburg schon passiert. Der einzige Unterschied: Wolfsburg drehte das Spiel, Hamburg beließ es beim Versuch.
„Man hat gesehen, dass uns noch einiges fehlt, um so ein Spiel noch souveräner nach Hause zu bringen“, meinte auch Manager Horst Heldt. „Wir hätten es uns leichter machen können, wenn wir nachgelegt hätten.“
Aber warum geschieht das nicht? Wo ist die Sperre? Daran wird der neue Trainer verstärkt arbeiten müssen, ebenso wie an der Defensivarbeit. Es könnte nicht schaden, wenn Stevens in diesem Fall seinem Ruf gerecht würde.
Zu einer schwer überwindbaren Hintermannschaft gehört auch ein Torwart mit mentaler Stärke. Ralf Fährmann kann sich zwar der Zuneigung der Fans gewiss sein, die ihn wegen seiner offen bekundeten Vereinsliebe mit einem enormen Vertrauensvorschuss ausgestattet haben, doch zu oft sollte er sich Unsicherheiten wie in Hamburg nicht gestatten. Horst Heldt hat das angebliche Schalker Interesse an dem derzeit verletzten Leverkusener Nationaltorwart René Adler kräftig dementiert, aber auf ewig muss das Thema damit nicht beendet sein. Sollten allein die öffentlichen Diskussionen Fährmann belastet haben, spräche das gegen ihn. Klar ist: Ganz Schalke sähe es am liebsten, wenn der gerade 23 Jahre alt gewordene Keeper auf lange Sicht zum Rückhalt würde. Es liegt an ihm selbst, jegliches Gerede um seine Position verstummen zu lassen.